Obwohl Skilanglauf als eine der gesündesten Sportarten für das Herz-Kreislauf-System gilt, können intensives Training und anspruchsvolle Marathon-Skirennen das Herz aus dem Takt bringen. Das jedenfalls ergab die norwegische Birkebeiner Ageing-Studie [1]. Ältere sehr aktive Skilangläufer, die lange Jahre Marathon-Rennen gefahren sind, haben ein größeres Risiko für Vorhofflimmern (VHF) als gleichaltrige Männer in der Gesamtbevölkerung, schreiben die Studienautoren um Dr. Marius Myrstad vom Dikonhjemmet Hospital in Oslo.

Nur ältere Männer mit erhöhtem Risiko
„Die Studie bestätigt im Wesentlichen die bestehende Datenlage“, sagt Dr. Andreas Müssigbrodt vom Herzzentrum Leipzig gegenüber Medscape Deutschland. Müssigbrodt, früher Mitglied der Triathlon-Nationalmannschaft, hatte 2010 eine Übersicht aus 8 Studien zu Vorhofflimmern bei Ausdauersportlern erstellt und behandelt im Herzzentrum Leipzig auch Leistungs- und Hochleistungssportler mit Vorhofflimmern, unter anderem ehemalige Olympia-Teilnehmer [2].
Er stellte Vorhofflimmern ebenfalls vor allem bei älteren männlichen Ausdauerathleten fest. Bisher, sagt er, gäbe es „keine Hinweise für eine vermehrte Prävalenz von Vorhofflimmern bei jungen männlichen Sportlern sowie bei Sportlerinnen unabhängig vom Alter“.
Unterschied geringer als in bisherigen Studien
In der norwegischen Stadt Rena treffen sich alljährlich etwa 12.000 Langläufer, die am Birkebeiner Ski-Marathon teilnehmen, bei dem mehr als 1.000 Höhenmeter zu bewältigen sind. Myrstad und Kollegen haben für ihre Studie 509 langjährige Teilnehmer dieses Querfeldein-Skirennens über 54 km nach dem Auftreten von VHF befragt und ihnen 1.768 gleichaltrige Männer aus der Gesamtbevölkerung gegenübergestellt.
Vorhofflimmern war bei 13,2% der älteren Skilangläufer (Alter 65 bis 90 Jahre) aufgetreten, aber auch bei 11,6% der gleichaltrigen Studienteilnehmer aus der Allgemeinbevölkerung (65 bis 87 Jahre). Eine Analyse diverser Risikofaktoren wie Alter, BMI und sportliche Betätigung ergab, dass langjähriger intensiver Ausdauersport das VHF-Risiko um 6 Prozentpunke erhöhte (95%-Konfidenzintervall: 0,8 - 11,1). Sportliche Betätigung mit leichter und mittlerer Intensität innerhalb der letzten 12 Monate bewirkte dagegen eine (nicht statistisch signifikante) Risikominderung um 3,7 bzw. 4,3 Prozentpunkte, schreiben Myrstad et al.
für eine vermehrte Prävalenz von Vorhofflimmern bei jungen männlichen Sportlern sowie bei Sportlerinnen unabhängig vom Alter.“
„Auch wenn es immer wieder erstaunlich ist, dass sonst gesunde Ausdauersportler zu dieser Herzrhythmusstörung neigen, so ist der Unterschied nicht so dramatisch ausgefallen, wie in anderen bisher veröffentlichten Arbeiten“, sagt Müssigbrodt. Eine mögliche Ursache könne das hohe Alter der Teilnehmer sein, durch das sich das Risiko der beiden Gruppen, an Vorhofflimmern zu erkranken, annäherte. So verliere Ausdauersport als zusätzlicher Risikofaktor mit dem Alter vermutlich an Bedeutung.
Bereits 2010 hatte eine Langzeitstudie von Teilnehmern des Birkebeiner Rennens mit 30-jährigem Follow-up, durchgeführt von der European Society of Cardiology (ESC), ein ungewöhnlich hohes Risiko für Vorhofflimmern bei Marathon-Skilangläufern gezeigt [3]. In der gesamten Beobachtungszeit hatten 13 der 78 Athleten (16,7%) wenigstens eine Episode von Vorhofflimmern gehabt.
Prädiktoren für Vorhofflimmern in dem Studienkollektiv waren eine langsame Herzfrequenz in Ruhe und ein vergrößerter linker Vorhof – beides funktionelle bzw. strukturelle Anpassungen durch intensives Ausdauertraining. „Eine so hohe Rate an Vorhofflimmern war bislang noch nie bei Athleten oder normalen Personen im Alter unter 75 Jahren gezeigt worden", sagt Dr. Jostein Grimsmo von der Feiring Herz Klinik in Norwegen, der Studienleiter der Birkebeiner Studie von 2010.
Kardiale Fibrose als Ursache?
Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung mit einer Prävalenz von mehr als 5% bei über 65-Jährigen und ein unabhängiger Risikofaktor für einen Schlaganfall. Mehr als 1 Million Menschen in Deutschland haben wahrscheinlich Vorhofflimmern.
Die Mechanismen, die zur Entstehung von Vorhofflimmern führen, sind auch unter Experten noch Gegenstand von Diskussionen. Eine kardiale Fibrose, wie sie bei Ratten nach einem Ausdauertrainingsprogramm nachgewiesen worden sei, könne auch bei Menschen eine mögliche Erklärung für Vorhofflimmern sein, vermutet Müssigbrodt [4]. „Die weitere Erforschung der pathophysiologischen Ursachen des Vorhofflimmerns bei Sportlern könnte dessen Entstehung besser vorbeugen und die Behandlung effektiver machen.“
Die Diagnose von Vorhofflimmern hat häufig therapeutische Konsequenzen. Bei einem CHA2DS2-VASc-Score von 1 und darüber wird eine Antikoagulationstherapie empfohlen, um Schlaganfällen vorzubeugen. „Um eine komplette Detektion auch asymptomatischer Episoden zu ermöglichen, sollte bei Verdacht auf Vorhofflimmern der vermehrte Einsatz von Langzeit-EKG und gegebenenfalls auch von Event-Recordern in Erwägung gezogen werden“, rät Müssigbrodt in seiner Publikation.
Leistungssportler sollten nach Vorhofflimmern kürzer treten
Ebenso wie bei Nicht-Sportlern ist auch bei Sportlern die Katheterablation eine Option, um das Vorhofflimmern zu behandeln. Müssigbrodt rät jedoch seinen Patienten, nach einer ersten Episode zunächst sportlich zu pausieren. „Der Versuch zumindest eine Zeitlang sportlich kürzer zu treten, kann den Sinusrhythmus mitunter wieder stabilisieren“, so seine Erfahrung.
Für viele Sportler sei das jedoch ein erheblicher Einschnitt in ihre Lebensqualität und daher nicht so einfach realisierbar. Die Sorge vor dem Auftreten von Rhythmusstörungen sollte aber andererseits keinesfalls zu einem passiven Lebensstil führen, gibt der Mediziner zu bedenken. Regelmäßiger Freizeitsport, insbesondere Ausdauersport, kombiniert mit einem ausgewogenen Lebenswandel und gesunder Ernährung, wirke sich definitiv positiv auf die kardiovaskuläre Gesundheit aus. „Das ist unstrittig und wird durch die vorliegenden Daten zum Vorhofflimmern nicht eingeschränkt“, sagt Müssigbrodt. Hochleistungssport habe jedoch wahrscheinlich keinen zusätzlichen gesundheitsfördernden Effekt.
Die möglichen späteren Auswirkungen ihres Sports dürften die nach Sotschi reisenden Athleten momentan jedoch wenig beschäftigen. Das Skilanglaufrennen der Männer über 50 Kilometer startet am letzten Wettkampftag (23. Februar) um 8 Uhr.