Von den häufigeren Krebsarten sind 12 direkt mit dem Verzehr von Fleisch und Tierprodukten korreliert. Genauso viele stehen mit dem Rauchen in Zusammenhang. Zu diesem Ergebnis kommt eine in Nutrients erschienene ökologische Studie von Dr. William B. Grant [1]. Ökologische Studien sind epidemiologische Studien, in denen Exposition und Erkrankung in umschriebenen Regionen und/oder in definierten Bevölkerungsgruppen miteinander in Beziehung gesetzt werden.
Grant, Wissenschaftler am Sunlight, Nutrition and Health Research Center in San Francisco, analysierte für seine Studie die alters-adjustierten Inzidenzraten für 21 Krebsarten in 157 Ländern aus dem Jahr 2008. Grant berücksichtigte in seiner Studie das Nahrungsangebot, das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt, die Lebenserwartung, das Rauchverhalten (ermittelt über die Lungenkrebsinzidenz, weil die Menge des Zigarettenkonsums direkt mit der Häufigkeit von Lungenkrebs korreliert) und den Breitengrad, auf dem die Bevölkerungsgruppe lebt.
Rauchen und Fleischkonsum korrelierten am stärksten mit Krebs
Rauchen bzw. die Menge des Zigarettenkonsums korreliert mit 12 Arten von Krebs. Genauso viele Krebsarten stehen auch in Zusammenhang mit der Menge an verzehrtem Fleisch und tierischen Produkten. Offenbar hat auch die Region, in der Menschen leben, einen Einfluss, denn der Breitengrad korreliert mit 6 Krebsarten: Blasen-, Nieren-, Lungenkrebs, Gehirntumor, Melanom und Hodgkin Lymphom treten weiter entfernt vom Äquator häufiger auf.
Für Schilddrüsenkrebs, Lippenkrebs und Zervixkarzinom besteht hingegen eine inverse Korrelation: Diese Krebsarten sind seltener, je weiter man sich vom Äquator entfernt. Als Ursache hierfür wird eine verringerte Vitamin-D-Produktion über die Haut in höheren Breitengraden vermutet. Die These ist laut Grant aber nicht unumstritten.
Ein höheres Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt weist ebenfalls eine deutliche Korrelation mit 5 Krebserkrankungen (Grant nennt u.a. Brustkrebs, Prostatakrebs, Darmkrebs) auf. Auch zwischen einer höherer Lebenserwartung und Krebs besteht ein Zusammenhang. Grant fand hier allerdings nur 3 Assoziationen: Je höher die Lebenserwartung in einem Land ist, desto häufiger sind Hirntumoren, Leukämie und multiples Myelom. „Weshalb eine höhere Lebenserwartung nicht noch mit anderen Krebsarten signifikant korreliert, konnte nicht geklärt werden“, schreibt er.

Kausale Beziehungen oder doch andere Ursachen?
Bei ökologischen Studien wie der vorliegenden laufe man immer Gefahr, einem ökologischen Fehlschluss („ecological fallacy“) aufzusitzen, so Dr. Annika Steffen, Epidemiologin am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DifE). In diesem Fall hieße das: Aus den Aggregatdaten, die lediglich Merkmale eines Kollektivs abbilden, auf das Individuum zu schließen. Deshalb sei die Beweiskraft dieses Studientyps hinsichtlich kausaler Beziehungen gering: „Die gefundenen Ergebnisse könnten zahlreiche Ursachen haben“, gibt Steffen zu bedenken.
Unklar bleibe auch, was eine positive Korrelation zwischen Bruttoinlandsprodukt und Krebsinzidenz bedeute, sowohl für die Ätiologie von Krebserkrankungen als auch für mögliche Präventionsstrategien. „Das Bruttoinlandsprodukt selbst ist kein Risikofaktor, es ist ein Surrogatmarker, der einen größeren Wohlstand reflektiert und damit einhergehend einen Lebensstil mit weniger körperlicher Aktivität, einem höheren Verzehr energiedichter Nahrungsmittel und einer höheren Prävalenz von Übergewicht“, erklärt Steffen.
Nach Steffen spiegelten die Ergebnisse von Grant auch die Ergebnisse aus prospektiven Kohortenstudien wider, seien also nicht widersprüchlich. Doch blieben viele Fragen offen. Fragen, die hochwertigere Studien – wie etwa die Studie European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC) – besser beantworten können [2].
EPIC differenziert Risikofaktoren wesentlich genauer
Für dieses Projekt wurden in den 1990er Jahren über 500.000 Männer und Frauen in 10 europäischen Ländern rekrutiert, die umfangreiche Fragebögen zu ihrer Ernährung und ihrem Lebensstil ausfüllten. So können in EPIC z.B. „tierische Produkte“, wie bei Grant untersucht, unterschieden werden in rotes Fleisch, verarbeitetes Fleisch (Wurst, Schinken), Geflügel, Fisch, sowie Milchprodukte und Eier.
erkrankungen …“
Es zeigte sich, dass vor allem rotes und verarbeitetes Fleisch das Risiko für Darmkrebserhöht, wohingegen Fisch und Milch möglicherweise einen protektiven Effekt haben [3]. „Damit lassen sich spezifischere Aussagen zur Ätiologie von Darmkrebs treffen, auch weil individuelle Daten verwendet werden“, erläutert Steffen. Die Metaanalyse von prospektiven Kohortenstudien ergab, dass vor allem Ballaststoffe aus Getreide das Risiko für Darmkrebs senken und Ballaststoffe aus Obst und Gemüse einen weniger starken Effekt zu haben scheinen [4].
Weshalb korreliert Alkohol mit nur einer Krebsart?
Auch wenn Grants Ergebnisse zum Fleischkonsum also kaum überraschen, ist Steffen aber doch erstaunt, welchen geringen Stellenwert Alkohol als Risikofaktor in den Studienergebnissen einnimmt: „Die Forscher fanden nur für eine Krebsart (Darmkrebs) eine Korrelation. Dabei ist Alkohol ein etablierter Risikofaktor für zahlreiche Krebserkrankungen, u.a. des Mund- und Rachenraumes, des Kehlkopfs, der Speiseröhre und des Darms, der Leber sowie der weiblichen Brust“, zählt Steffen auf.
Recht allgemein bleiben die Studienautoren in ihrem Fazit: „Da die meisten (Einfluss-)Faktoren eher als umweltbedingt denn genetisch eingestuft werden, scheint es sinnvoll daraus zu schließen, dass umweltbedingte Krebsursachen einen höheren Beitrag zum Krebs-Risiko leisten, als genetische Faktoren, und dass Änderungen des Lebensstils die Krankheitslast bei Krebs deutlich reduzieren könnten.“
„Ökologische Studien allgemein und eben auch die von Grant eignen sich vor allem zur Hypothesengenerierung“, resümiert Steffen. Sie böten Anlass, weitere prospektive Studien mit individuellen Daten und detaillierter Erhebung durchzuführen.