Mehr Zervixkarzinome nach Konisation der Präkanzerose: Screening muss weitergehen

Andrea S. Klahre | 24. Januar 2014

Autoren und Interessenkonflikte

Selbst wenn eine Präkanzerose des Zervixkarzinoms der Stufe CIN 3 erfolgreich behandelt wurde, ist es damit nicht getan – das zytologische Screening muss auch bei diesen Frauen bis ins hohe Alter weitergehen. Denn das Risiko, dass sich bei ihnen noch nach dem 60. Lebensjahr ein invasives Zervixkarzinom entwickelt und sie daran sterben, ist im Vergleich zu Frauen, die keinen CIN-3-Befund hatten, mehr als doppelt so hoch.

Dies ist das Ergebnis des neuen Updates der seit Jahren laufenden, populationsbasierten Kohortenstudie des Schwedischen Krebsregisters. Die Arbeitsgruppe um Dr. Björn Strander, Direktor des Zervixkarzinom-Screening-Zentrums am Göteborger Universitätsklinikum Sahlgrenska, hat sie soeben im British Medical Journal veröffentlicht [1].

„Die Frauen wiegen sich in Sicherheit, … . Aber: Eine Konisation bekämpft den HPV-Infekt nicht.“
Prof. Dr. Matthias W. Beckmann

Die Resultate passen für Prof. Dr. Matthias W. Beckmann, Direktor der Frauenklinik am Universitätsklinikum Erlangen, „wie die Faust aufs Auge“ zur derzeitigen Diskussion in Deutschland: In dieser geht es darum, ob ein gynäkologisches Screening bei Frauen nach CIN-3-Behandlung auch in höherem und hohem Lebensalter (noch) sinnvoll ist.

Im Gespräch mit Medscape Deutschland weist Beckmann auf die Schwachpunkte der derzeitigen Praxis hin, und erklärt, warum die Beobachtung nach der Behandlung nicht enden darf: „Wir haben eine gute Früherkennung und Vorstufenbehandlung. Die Frauen wiegen sich in Sicherheit, weil sie davon ausgehen, dass das veränderte Gewebe vollständig entfernt wurde. Aber: Eine Konisation bekämpft den HPV-Infekt nicht.“

Wenn die Menstruation nach der Menopause sistiert, sehen Frauen häufig keinen Grund mehr, noch am gynäkologischen Präventionsprogramm teilzunehmen. Selbst dann nicht, wenn sie sich in jüngeren Jahren mit humanen Papillomaviren (HPV) vom Hochrisikotyp 16 und 18 infiziert hatten und in der Folge an einer Präkanzerose erkrankt waren. Eine zervikale intraepitheliale Neoplasie Grad 3 (Cervical Intraepithelial Neoplasia, CIN 3) wird in Deutschland üblicherweise konisiert und anschließend etwa 2 Jahre nachbeobachtet.

Lebenslange Überwachung unerlässlich

Das reicht offenbar nicht. Erstautor Strander betont, dass für diese Frauen eine lebenslange sorgfältige Überwachung unabdingbar ist: „Auch nach erfolgreicher Behandlung besteht im Vergleich zu Frauen ohne CIN-3-Befund ein um das Zwei- bis Dreifache erhöhtes Risiko, nach dem 60. Lebensjahr an einem invasiven Zervixkarzinom bzw. nach dem 70. Lebensjahr an einem Vulvakarzinom zu erkranken und daran zu sterben“, heißt es in der Veröffentlichung.

„Solange die Frauen zum Gynäkologen gehen können, sollten sie das tun.“
Dr. Björn Strander und Kollegen

Insgesamt persistiert zwar nur ein Bruchteil der HPV-Infektionen lange, davon korrelieren wiederum nur jene mit hoher Viruslast im Epithel mit einem erhöhten Tumorrisiko. Allerdings, so die Autoren: Je älter die Frauen bei der Erstdiagnose und initialen Behandlung sind, umso deutlicher steigt das Risiko. Das gilt besonders für Frauen im Alter ab 50. Das Erkrankungsrisiko besteht mindestens 25 Jahre nach Behandlung weiter, die Mortalität ist auch 30 Jahre später um das Doppelte erhöht.

Strander hat mit Forschern des Department of Medical Epidemiology and Biostatistics am Stockholmer Karolinska Institut die histopathologischen Datenmengen von 150.883 Frauen analysiert, die zwischen 1958 und 2008 aufgrund einer CIN 3 behandelt und bis 2009 nachbeobachtet worden sind. 1.089 Frauen erkrankten frühestens 1 Jahr nach der Behandlung an einem invasiven Zervixkarzinom und 147 an einem Vulvakarzinom; 302 bzw. 53 Frauen starben. Die Kohorte umfasste mehr als 3 Millionen Frauenjahre.

Die therapierten Teilnehmerinnen hatten im Vergleich zu Frauen ohne CIN-3-Befund ein 2,39-fach (95%-KI: 2,26-2,53) erhöhtes Zervix- oder Vulvakarzinomrisiko. Es war fast doppelt so hoch, wenn die Behandlung in jüngerer Zeit erfolgte – zwischen 2001 und 2008 (4,52; 95%-KI: 3,47-5,80) im Vergleich zu den Jahren 1958 bis 1970 (2,05; 95%-KI: 1,83-2,30).

„Beunruhigende“ Vermutungen

Die Forscher können nur vermuten, dass dies mit dem Wandel der Therapieregime zusammenhängen könnte – von der Hysterektomie zu den organerhaltenden, mehr oder weniger aggressiven Konisationstechniken, bei denen die CIN-Läsionen möglicherweise nicht immer vollständig entfernt werden. Denn, und das bezeichnen sie als eine Schwäche ihrer Studie, es gibt weder Daten darüber, wie die Frauen im Follow-up behandelt wurden, noch darüber, wie protektiv eine Hysterektomie tatsächlich gewirkt hat – sei es im Anschluss an eine Konisation oder anstatt.

„Ich finde die Studie toll, sie unterstützt die Diskussion in jeder Hinsicht.“
Prof. Dr. Matthias W. Beckmann

Dr. Marc Arbyn, Epidemiologe am Scientific Institute of Public Health am Louis Pasteur Institut in Brüssel, und laut Beckmann einer der besten Epidemiologen weltweit, bezeichnet diese Überlegungen im Editorial des BMJ als beunruhigend [2]. „Die Tiefe und Breite des Kegels richtet sich auch nach dem Alter und den Vorbefunden der Patientin. Der Trend, so wenig aggressiv wie möglich zu exzidieren, resultiert vor allem aus den Erfahrungen mit Frauen im reproduktiven Alter. Immer wieder haben Metaanalysen und Kohortenstudien aus den letzten Dekaden gezeigt, dass das Risiko für eine Frühgeburt umso höher ist, je umfangreicher die Exzision war – und umgekehrt.“

Eine separate Analyse der schwedischen Daten, adjustiert für Hysterektomieraten und für Trends bei den Konusabmessungen, könnte laut Arbyn bei der Interpretation der beobachteten Effekte helfen. Jetzt sei es Strander und seinen Kollegen jedoch erst einmal darum gegangen, die Notwendigkeit einer besseren Standardisierung und Qualitätssicherung in der Krebsvorsorge der älteren Frau im Allgemeinen und der CIN-3-Behandelten im Besonderen herauszustellen.

„Frauen über 50 müssen wissen, dass sie nach einer Behandlung intraepithelialer zervikaler Läsionen einer sorgfältigeren und engmaschigeren Überwachung bedürfen als andere Frauen gleichen Alters“, schreibt Arbyn.

„Solange die Frauen zum Gynäkologen gehen können, sollten sie das tun“, empfehlen die Autoren. Für eine letztlich kleine Gruppe über 60-jähriger Frauen mit besonders hohem Risiko sei es sinnvoll, diese von klinischen Spezialisten betreuen zu lassen und die Ergebnisse regelmäßig in den Tumorkonferenzen zu besprechen.

„Im Ergebnis haben die HPV-gescreenten Frauen ein besseres Outcome als die zytologisch gescreenten.“
Prof. Dr. Matthias W. Beckmann

Die deutsche Vorsorge-Vision

„Ich finde die Studie toll, sie unterstützt die Diskussion in jeder Hinsicht“, bekräftigt Beckmann. Inzwischen kristallisiert sich in Deutschland eine Vision der künftigen Strategie heraus: Denkbar wäre ein primäres HPV-Screening alle 3 bis 5 Jahre ab 35 und bei positivem Nachweis von Virus-DNA zusätzlich ein Pap-Test.

Dazu verweist der Experte auf die im November 2013 in Lancet publizierte prospektive Studie der Universität Turin, mit Datensätzen aus 4 europäischen Studien von insgesamt rund 176.000 Frauen [3]. Deren Ergebnisse bekräftigten die Überlegenheit des HPV-basierten Screenings (Medscape Deutschland berichtete), wie Beckmann hervorhebt: „Im Ergebnis haben die HPV-gescreenten Frauen ein besseres Outcome als die zytologisch gescreenten.“

Zusätzliche Bedeutung erhält die Studie laut Beckmann durch die aktuelle Entwicklung: Die Inzidenz und Mortalität des Zervixkarzinoms nimmt ab, die des Vulvakarzinoms jedoch zu. Der in der Studie ebenfalls dokumentierte Anstieg der Erkrankungs- und Sterberaten für diesen Genitalkrebs nach einer CIN-3-Behandlung verdient daher Aufmerksamkeit.

Vulvakarzinome entwickeln sich ebenfalls auf dem Boden einer Infektion mit Humanen Papillom-Viren. Auch hier gelten die Typen 16 und 18 als besonders pathogen.

Das Robert Koch-Institut hat in seinem gerade aktualisierten Report „Krebs in Deutschland 2009/2010“ das Vulvakarzinom erstmals in der Rangliste der häufigsten Krebsneuerkrankungen in Deutschland (Rang 16) aufgenommen, da in den letzten Jahren ein deutlicher Anstieg beobachtet wird [4]. Demnach erkrankten 2010 etwa 3.190 Frauen an diesem Krebs. Noch vor 10 Jahren waren es weniger als die Hälfte. Die Prognose für 2014 liegt bei 4.000 Neurerkrankungen.

Referenzen

Referenzen

  1. Strander B, et al: BMJ 2014;348:f7361
    http://dx.doi.org/10.1136/bmj.f7361
  2. Arbyn M, et al: BMJ 2014;348:f7700
    http://dx.doi.org/10.1136/bmj.f7700
  3. Ronco G, et al: The Lancet (online) 3. November 2013
    http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(13)62218-7
  4. Robert Koch-Institut und Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e. V: „Krebs in Deutschland 2009/2010“; 9. Ausgabe 2013

Autoren und Interessenkonflikte

Andrea S. Klahre
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Beckmann MW: Es liegen keine Erklärungen zu Interessenskonflikten vor.

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