Die Infusion autologer Bindegewebsstammzellen erhöht möglicherweise die Heilungschancen bei multiresistenter und extensiv resistenter Tuberkulose. Dieses Ergebnis einer Phase-1-Studie wurde aktuell in The Lancet Respiratory Medicine publiziert [1].
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Prof. Dr. Tom Schaberg, Chefarzt des Zentrums für Pneumologie im Diakoniekrankenhaus Rotenburg (Wümme), weist jedoch darauf hin, dass die wesentliche Aussage der Studie eine andere ist: Die Infusion von autologen Stammzellen hat bei Patienten, die an einer multiresistenten (MDR) oder extensiv resistenten (XDR) Tuberkulose leiden, keine gravierenden Nebenwirkungen. Dagegen ließen sich aus dieser Phase-1-Studie keine gesicherten Erkenntnisse zum therapeutischen Nutzen des Verfahrens herleiten.
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leiden in Osteuropa, Asien und Südafrika etwa 450.000 Menschen an einer MDR-Tuberkulose, von denen etwa die Hälfte auf keine Therapie mehr anspricht. Der Erreger Mycobacterium tuberculosis begünstigt eine entzündliche Reaktion in Immunzellen und im Lungengewebe, die Störungen der Immunabwehr und Gewebeschäden nach sich ziehen kann.
Von Bindegewebsstammzellen (mesenchymalen Stammzellen, MSC) aus dem Knochenmark weiß man, dass sie in die Bereiche mit Lungenschäden und Entzündungen einwandern und geschädigtes Gewebe reparieren können. Sie können die Immunantwort modifizieren und die Abtötung der Mykobakterien beschleunigen. Daher untersuchte die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Markus Maeurer, Karolinska Universitätsklinikum in Stockholm, Schweden, und Dr. Aliaksandre Shakrin, Belarussian State Medical University, Minsk, Weißrussland, die Sicherheit einer Infusion mit autologen MSC als zusätzliche Therapie bei Tuberkulose-Patienten.
Stammzellinfusion sicher und gut verträglich
In einem spezialisierten Zentrum in Minsk erhielten 30 Patienten mit mikrobiologisch bestätigter MDR- oder XDR-Lungentuberkulose innerhalb von 4 Wochen nach Beginn einer Therapie mit Antituberkulotika eine Infusion mit autologen Bindegewebsstammzellen. Diese Stammzellen waren aus Knochenmark der Patienten gewonnen worden.
Die Stammzellinfusion erwies sich als sicher und gut verträglich, in der Nachbeobachtungszeit über 6 Monate traten keine schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen auf. Häufigste Nebenwirkungen waren hohe Cholesterinspiegel (14 Patienten), Übelkeit (11 Patienten), Lymphopenie oder Durchfall (10 Patienten).
Weitere Analysen ergaben, dass nach 18 Monaten 16 Patienten als geheilt beurteilt wurden, während in einer entsprechenden Vergleichsgruppe ohne MSC-Infusion nur 5 von 30 Patienten als geheilt galten.
Diese vorläufigen Daten weisen darauf hin, dass die autologe MSC-Infusion sicher ist. Allerdings müssen negative Effekte nach Aussage der Autoren noch in Langzeitbeobachtungen ausgeschlossen werden. Sie betonen, dass die Prozedur zur Gewinnung der Stammzellen relativ einfach sei, so dass dieser Therapieansatz nach Vorliegen weiterer Sicherheitsdaten in randomisierten und kontrollierten Phase-2-Studien untersucht werden sollte.
Immuntherapie bei Tuberkulose ist komplex
In einem begleitenden Kommentar beschreibt Prof. Dr. Robert J. Wilkinson vom Imperial College London, die „lange Geschichte” der ergänzenden Immuntherapie bei Tuberkulose [2]. Seiner Ansicht nach handelt es sich um ein komplexes Gebiet. Bis heute wisse man nicht genau, was die protektive und die pathologische Immunität bei der Tuberkulose ausmache und ob diese voneinander zu trennen seien.
Für Wilkinson ist derzeit noch offen, ob sich die relativ komplexe und teure Stammzelltherapie als ergänzende Immuntherapie bei MDR- und XDR-Tuberkulose eignet.
Schaberg kommentierte auf Anfrage von Medscape Deutschland die Studie ähnlich: „Ich stimme Robert Wilkinson zu, dass jeder immunologische Therapieansatz in der Therapie der Tuberkulose vor dem großen Problem steht, dass wir trotz jahrzehntelanger Forschung noch nicht einmal im Ansatz verstehen, welche Immunantwort bei einer tuberkulösen Erkrankung tatsächlich erfolgt. In meinen Augen liegt unverändert das größte Potenzial in der Bekämpfung der MDR/XDR-Tuberkulose in der Entwicklung neuer Medikamente und der Verbesserung der nationalen Tuberkulose-Bekämpfungsprogramme.“