In den letzten 20 Jahren hat sich einiges in der Behandlung von Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) getan: „Es ist leichter mit der Krankheit zu leben als früher.“ Zu diesem Ergebnis kommen die Autoren einer niederländischen Studie mit 1.151 Patienten, die in Arthritis Care & Research publiziert worden ist [1]. Cécile L. Overman vom Departement Clinical and Health Psychology der Universität Utrecht und ihre Kollegen zeigen, dass depressive Symptome, Angst und körperliche Behinderung bei Patienten mit einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung in den letzten 2 Jahrzehnten zurückgegangen sind.
Während noch 25% der Patienten depressive Symptome aufwiesen, die von 1994 bis1998 rund 4 Jahre nach ihrer Diagnose nachuntersucht worden waren, waren es beim Follow-up der Patientengruppe 2007 bis 2011 nur noch 14%. Der Anteil der Patienten mit Angstsymptomen fiel im selben Beobachtungszeitraum von 23 auf 12% und der mit Körperbehinderung von 53 auf 31%.
In Deutschland leiden etwa 0,9% der erwachsenen Bevölkerung an einer rheumatoiden Arthritis – dies entspricht etwa einer halben Million Menschen.

Seltene Beobachtungsstudie über langen Zeitraum
„Diese Studie ist bemerkenswert, weil sie über eine lange Zeit mit den gleichen Fragebogeninstrumenten Vergleiche anstellt. Die Kombination, die sowohl psychische und körperliche Symptome sowie im Labor messbare Entzündungsaktivitäten betrachtet und zusammenführt, finde ich sehr gut. Das gibt es selten“, sagt Prof. Dr. Wilfried Mau, Direktor des Instituts für Rehabilitationsmedizin an der Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gegenüber Medscape Deutschland.
Overman und Kollegen hatten Krankenakten von Patienten ausgewertet, die über 20 Jahre in rheumatologischen Abteilungen in den Niederlanden aufgenommen worden waren und Teil der Utrechter Rheumatoiden Arthritis Kohortenstudiengruppe sind. Das Ausmaß der psychischen Beeinträchtigungen wurde mit dem Fragebogen Impact of Rheumatic Diseases on General Health and Lifestyle (IRGL) und dem Disability Index of the Health Assesment Questionnaire (HAQ) erfasst. Die Krankheitsaktivität wurde durch Labordaten wie der BSG (Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit) sowie durch den Thompson Joint Score angegeben, der Anzahl der geschwollenen und schmerzenden Gelenke.
Reduzierte Krankheitsaktivität – weniger Depression und Angst
Bei 1.060 von 1.151 Patienten der niederländischen Studie lagen alle gewünschten Daten bei Diagnosestellung vor, für 768 Patienten gab es Daten bei der Diagnose und beim Follow-up.
Psychische Symptome und Körperbehinderung |
Diagnose 1990–1994 | Follow-up 1994–1998 | Diagnose 2004–2008 | Follow-up 2007–2011 | |
Depression | 43% | 25% | 32% | 14% |
Angst | 34% | 23% | 21% | 12% |
Körperbehinderung | 64% | 53% | 60% | 31% |
Die Verbesserung der Symptome über 20 Jahre war statistisch signifikant (p=0,01 für Depression, 0,001 für Angst und 0,02 für Körperbehinderung). Die niederländischen Forscher zeigen anhand einer multiplen Regressionsanalyse auch, dass die verringerte Krankheitsaktivität und die gesunkenen Werte für Depression, Angst und Körperbehinderung signifikant zusammenhängen – allerdings stärker für die Körperbehinderung als für das psychische Wohlbefinden.
Die vergleichsweise nicht so starken Effekte beim psychischen Wohlbefinden erklärten sich die Autoren der Studie damit, dass psychische Belastung insgesamt in der Bevölkerung zugenommen hat. „Angesichts dieses Hintergrundrauschens in der Bevölkerung, auch gemessen an mehr Arbeitsfehltagen und Frühberentungen wegen psychischer Krankheiten, ist selbst ein geringerer Rückgang psychischer Belastungen bei einer chronischen Erkrankung wie Rheuma noch bemerkenswert“, findet Mau.
Besser Medikamente und psychologische Patientenschulungen
Overman und Kollegen erklären sich den Rückgang der körperlichen und psychischen Belastungen in den letzten 20 Jahren zum Teil durch bessere Medikamente sowie eine frühere und konsequentere Stufentherapie [2]. Zudem könnten Fortschritte im nicht-medikamentösen Management den Rückgang begünstigt und die Krankheitsaktivität reduziert haben.
Auch Rheumatologe Mau bestätigt. „Wir erreichen heute höhere Remissionsraten durch ein intensiveres und konsequenteres Behandlungsmanagement und verfügen über neue medikamentöse Möglichkeiten.“ Gemeint sind vor allem die Biologicals, mit denen proinflammatorische Zytokine blockiert werden. Wesentlich für den Fortschritt sind laut Mau auch nicht-medikamentöse Ansätze wie Bewegungstherapien, mentale Trainings zur Schmerzreduktion, psychologische Schulungen und Verhaltenstherapien.
„Wir erreichen
heute höhere Remissionsraten durch ein intensiveres und konsequenteres Behandlungs-
management und verfügen über neue medikamentöse Möglichkeiten.“
Verändert hätten sich vor allem auch die Empfehlungen der Ärzte in puncto Bewegung, sagt Mau. Heute wisse man, dass gerade der Aufbau der Muskelkraft und -koordination sowie der Herz-Kreislauf-Kondition durch Training sich positiv auf den Krankheitsverlauf auswirke. Früher hingegen habe man den Patienten geraten, sich zu schonen.
So hatte auch die Forschergruppe um Zuzana De Jong von der rheumatologischen Abteilung der Universität Leiden in einer randomisierten kontrollierten Studie nachgewiesen, dass ein Langzeit-Übungsprogramm über 2 Jahre in Bezug auf eine Verbesserung des physischen und psychischen Zustands der Patienten effektiver ist als die Standard-Behandlung mit Physiotherapie [3].
„Vor 20 Jahren waren noch zwei von vier Patienten mit einer neu diagnostizierten rheumatoiden Arthritis nach vier Jahren Behandlung körperlich behindert“, stellen Overman und Kollegen fest. Heute treffe dies nur noch für einen Patienten von 4 zu.
Frühere Diagnose, geringere Entzündungsaktivität
„Heute wird die Krankheit vor allem früher diagnostiziert und deshalb ist sie dann noch nicht so stark ausgeprägt“, erläutert Mau. Dies erkläre, warum die Patienten, die in der niederländischen Studie zwischen 2004 und 2008 diagnostiziert wurden, jünger waren als die Patienten, die zwischen 1990 und 1994 die Diagnose erhielten.
Früher habe es etwa in Deutschland noch 2 Jahre gedauert, bis ein Patient zum Rheumatologen ging, heute sei es weniger als ein Jahr. „Wir sind aber in Deutschland noch nicht ganz da, wo wir hin wollen. Es gibt noch zu wenig Rheumatologen“, räumt Mau ein. In den Niederlanden sei die Situation anders, weil dort die betroffenen Patienten eher in rheumatologischen Zentren behandelt werden.
Trotz der positiven Botschaften der Studie, gebe es in Deutschland noch viel zu tun, sagt Mau. Immerhin ein Viertel der Patienten leide auch heute noch immer unter starken Funktionseinschränkungen. Dieser Umstand spiegle sich in der Studie von Overman und Kollegen nicht wider, da die Autoren nur Mittelwerte beschreiben.
Die Patientengruppe mit schwerer rheumatoiden Arthritis hat Wilfried Mau in einer eigenen Studie näher betrachtet, die er voraussichtlich Anfang 2014 publizieren wird. „Wir haben die Behandlungsmöglichkeiten, um die Situation zu verbessern, bei weitem nicht ausgeschöpft.“ Es könne noch viel mehr für diese Patientengruppe erreicht werden, wenn diese früher beim Rheumatologen vorgestellt würden und Zugang zu besseren medizinischen Behandlungen erhielten – auch in Form von Bewegungstherapien, nicht nur ambulant sondern auch in komplexen Reha-Programmen, betonte Mau.