Der Kaffee danach – zwei Tassen nach dem Lernen verbessern die Erinnerung

Michael Simm | 17. Januar 2014

Autoren und Interessenkonflikte

Wer unmittelbar nach dem Lernen 200 Milligramm Koffein zu sich nimmt, erinnert sich später besser an die Lerninhalte als diejenigen, die ein koffeinfreies Placebo erhalten hatten. Dies ist das Ergebnis mehrerer Versuchsreihen mit 160 gesunden Probanden, über die Wissenschaftler der Johns Hopkins Universität im amerikanischen Baltimore in der Fachzeitschrift Nature Neuroscience berichten [1].

Der Student und Erstautor der Studie Daniel Borota von der Abteilung Psychological and Brain Sciences hatte für die Testreihe Probanden ausgesucht, die zuvor keine Kaffeetrinker gewesen waren. Er zeigte ihnen zunächst Bilder von verschiedenen Objekten, die entweder als „ins Haus gehörig“ oder als „draußen“ klassifiziert werden sollten. Danach schluckten die Teilnehmer ihre Pillen – mit oder ohne Koffein – und wurden für den nächsten Tag erneut einbestellt.

Im eigentlichen Gedächtnistest präsentierten die Wissenschaftler dann sowohl Bilder vom Vortag, als auch neue Bilder, die entweder zufällig ausgewählte Gegenstände enthielten, oder aber Bilder, die den bereits am Vortag präsentierten ähnlich waren. Die Aufgabe bestand darin, jedes Bild als „alt“, „neu“ oder „ähnlich dem Original“ zu klassifizieren.

Alt und neu zu unterscheiden, stellte sich für beide Gruppen als gleichermaßen einfache Aufgabe heraus. Diejenigen, die Koffein erhalten hatten, waren jedoch eindeutig besser darin, ähnliche Bilder von den Originalen zu unterscheiden. Wer ein Placebo erhalten hatte, verwechselte hingegen häufiger die ähnlichen Bilder mit den alten Originalen.

„Wir wissen, dass Koffein mit einem langen, gesunden Leben assoziiert ist und dass es möglicherweise eine protektive Wirkung auf geistige Abbauprozesse wie Alzheimer hat.“
Dr. Michael Yassa

Zusätzlich hatten die Forscher die Koffeinmetaboliten im Speichel bestimmt. Diese waren zwar nach 1 Stunde und nach 3 Stunden nachweisbar, allerdings nicht mehr zum Zeitpunkt der Diskriminierungsaufgabe 24 Stunden nach Einnahme der Koffeintabletten. Borota und seine Kollegen schließen daraus, dass Koffein spezifisch die Konsolidierung der Gedächtnisinhalte gefördert hat, und nicht bloß die Fähigkeit, diese wieder abrufen zu können (Retrieval). Diese Vermutung wurde durch eine zweite Versuchsreihe bestätigt, bei der die Probanden das Koffein (oder ein Placebo) 1 Stunde vor der Diskriminierungsaufgabe bekamen. Diesmal wurden keine signifikanten Vorteile in der Koffeingruppe festgestellt.

Der Koffein-Effekt ist offenbar abhängig von der Dosis, denn die Forscher haben auch getestet, welche Konzentrationen welche Wirkungen hervorrufen: Mit 300 mg war die Leistung der Probanden nur marginal besser als mit 200 mg. Probanden, die lediglich 100 mg Koffein erhalten hatten, schnitten aber signifikant schlechter ab als solche mit 200 mg. Der Unterschied zwischen 100 mg und Placebo war dagegen nicht mehr signifikant. Eine Tasse Kaffee enthält je nach Sorte, Röstung und Zubereitung etwa 100 mg Koffein – 2 Tassen hatten laut Versuch eine deutliche Wirkung, die aber mit einer Tasse mehr nicht zu steigern war.

Wie Borota und seine Kollegen betonen, ist der Nutzen des Koffeins als „Kognitionsverstärker“ gut belegt. Die Effekte auf das Langzeitgedächtnis seien aber bisher noch nicht im Detail untersucht worden, und wurden als marginal eingestuft: „Aus früheren Studien besteht Konsens, dass Koffein keine oder wenig Auswirkungen auf die langfristige Merkfähigkeit hat“.

Neu an der aktuellen Studie ist nach Ansicht der Arbeitsgruppe, dass Koffein nicht wie üblich vor dem Lernen verabreicht wurde, sondern danach. Mögliche Effekte des Wirkstoffes auf Parameter wie die Aufmerksamkeit, Wachheit oder Verarbeitungsgeschwindigkeit spielten bei diesem Versuchsaufbau also keine Rolle.

Der Laborleiter Dr. Michael Yassa hebt hervor, dass man den Gedächtniseffekt des Koffeins ohne den trickreichen Versuchsaufbau seines Studenten wohl kaum hätte nachweisen können. „Der nächste Schritt für uns wird es sein, die Mechanismen herauszufinden, die der Verstärkung des Gedächtnisses zugrunde liegen. Wir wissen, dass Koffein mit einem langen, gesunden Leben assoziiert ist und dass es möglicherweise eine protektive Wirkung auf geistige Abbauprozesse wie Alzheimer hat. Dies sind wichtige Fragen, die es in Zukunft zu klären gilt.“

Referenzen

Referenzen

  1. Borota D, et al: Nature Neuroscience (online) 12. Januar 2014
    http://dx.doi.org/10.1038/nn.3623

Autoren und Interessenkonflikte

Michael Simm
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Borota D: Es bestehen keine Interessenkonflikte.

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