Penisverkrümmung: Kann Enzymtherapie tatsächlich die OP ersetzen?

Inge Brinkmann | 10. Januar 2014

Autoren und Interessenkonflikte

Es trifft vor allem Männer zwischen dem 45. und 65. Lebensjahr – und es trifft sie meist schwer. Die Induratio penis plastica (IPP), auch erworbene Penisverkrümmung genannt, kann bei Männern durch sinkendes Selbstwertgefühl und depressive Verstimmungen einen enormen Leidensdruck erzeugen.

Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat nun den Einsatz der mikrobiellen Collagenase aus Clostridium histolyticum (Xiaflex®) zur Behandlung einer mindesten 30-gradigen Verkrümmung des Penis zugelassen [1]. Die Ergebnisse zweier – vom Hersteller finanzierter – randomisierter, doppelblinder und placebokontrollierter Studien (IMPRESS I+II) hatten die Entscheidung der FDA gestützt [2].

Der Begründung der Behörde zur Zulassung ist zu entnehmen, dass das Präparat in der Lage sei, die Deformation des Penis und die daraus folgenden Begleitsymptome (dazu zählen  Erektionsstörungen oder die Unmöglichkeit einer vaginalen Penetration) signifikant zu verringern.

Die intraläsionale Injektionstherapie soll als Alternative zu einer Operation bei einer chronischen IPP Anwendung finden. Nach Ansicht von Dr. Konstantinos Konstantinidis, IPP-Spezialist des Deutschen Zentrums für Urologie und Phalloplastische Chirurgie, einem privaten Zentrum mit deutschem Hauptsitz in Darmstadt, liegen jedoch noch zu wenige Studien für verlässliche Aussagen zu dem Medikament vor.

Ursachen noch unklar

Die Angaben zur Häufigkeit, mit der eine IPP auftritt, schwanken in der Literatur zwischen 1 und 10% [3]. Eine genauere Evaluation gestaltet sich schwierig, weil Patienten aus Scham die Erkrankung verschweigen und ältere Männer den Zustand teilweise als altersgegeben hinnehmen.

„Allgemein bleibt bezüglich der Therapie zu bemerken, dass seit Jahrzehnten viele komplett oder nahezu wirkungslose Medikamente zigtausendfach pro Jahr verschrieben werden.“
Dr. Konstantinos Konstantinidis

Der Verlauf der Erkrankung ist in der Regel zweiphasig. In der entzündlichen Anfangsphase bilden sich zunächst tastbare Verhärtungen am Penisschaft. Vor allem bei (häufig schmerzhaften) Erektionen werden Deformationen und Verbiegungen des Penis sichtbar. In der zweiten, schmerzfreien Phase nach 12 bis 18 Monaten stabilisiert sich die Erkrankung und der Deformationsprozess kommt zum Stillstand. Die anfangs noch weichen Plaques verhärten sich.

Die Ätiologie der IPP ist bis heute nicht gesichert. Trauma, Entzündung und/oder autoimmunologische Prozesse sowie eine degenerative Entwicklung spielen in der Genese eine mögliche Rolle.

Mangelhafte Evidenz der konservativen Therapien

Entsprechend der unklaren Ätiologie und Pathogenese der IPP existiert bis heute noch keine kausale Therapie. Die konservativen Behandlungsoptionen zielen aktuell vor allem auf die Behandlung einer IPP im frühen Erkrankungsstadium ab und umfassen u.a. systemische Medikationen (z.B. Colchicin, Vitamin-E, Tamoxifen oder L-Carnitin), intraläsionale Therapien (z.B. Verapamil, Steroide) oder physikalische Maßnahmen (z.B. extrakorporale Stoßwellentherapie).

Die European Association of Urology (EAU) bemerkt allerdings in ihren im letzten Jahr aktualisierten Leitlinien, dass die Studienergebnisse zur konservativen Behandlung der IPP oft widersprüchlich seien und deshalb nur schwer Empfehlungen für die tägliche Praxis abgeleitet werden könnten [3].

Unkontrollierte Studien, eine begrenzte Zahl von Patienten, kurze Follow-ups und unterschiedliche Zielparameter werden darin als Gründe für die Bewertungsunsicherheit genannt. Erschwert wird die Aussage über Krankheitsverlauf und Therapieerfolg auch durch mögliche Spontanremissionen bei 3-13% der Fälle.

Konstantinidis äußert sich deutlicher: „Allgemein bleibt bezüglich der Therapie zu bemerken, dass seit Jahrzehnten viele komplett oder nahezu wirkungslose Medikamente zigtausendfach pro Jahr verschrieben werden.“ Und obwohl es hierzu permanent Warnungen und Negativ-Studien gebe, würden die Medikamente bis heute von niedergelassenen Urologen standardmäßig verschrieben.

Kann die Enzymtherapie die Operation ersetzen?

Eindeutiger ist die Sachlage in der zweiten Krankheitsphase. Die Operation gilt in diesem fixierten Stadium bislang als die einzige erfolgversprechende Therapieoption.

Aber auch die Collagenase soll in solchen chronischen Fällen angewendet werden und nach intraläsionaler Injektion die kollagenen Narbenstränge auflösen. Nach etwa einem Tag Einwirkzeit soll dann ein manuelles Aufdehnen der Verhärtungen ermöglicht werden.

Tatsächlich verringerte sich in den IMPRESS-Studien die Verkrümmung des Penis durch die Collagenasebehandlung im Durchschnitt um 34%, was einer mittleren Reduktion der Deviation pro Proband um -17,0 Grad (SD ±14,8) entsprach. Die Placebobehandlung brachte im Vergleich eine Besserung von 18,2% (–9,3 ± 13,6 Grad pro Proband).

Für Konstantinidis reicht die Studienlage allerdings noch nicht für verlässliche Aussagen aus. So sei die vom Hersteller nachgewiesene Wirkung zwar signifikant, von einer vollständigen Therapie der IPP sei man aber noch weit entfernt: „Vor diesem Hintergrund werden wir noch sehr lange abwarten, bis wir eventuell und erst nach Erlangung weiterer objektiver und ausreichender Studien und der Kenntnis von Langzeiteffekten, dieses Medikament zum Einsatz bringen.“

Sorge bereitet Konstantinidis auch, dass das Medikament erhebliche Nebenwirkungen aufweisen könnte. „Diese Befürchtung teilen etliche Fachkollegen.“ Tatsächlich erwies sich die Behandlung in den IMPRESS-Studien als nicht risikofrei. So erlitten 3 Patienten in Folge der Behandlung eine Penisfraktur, die eine chirurgische Intervention erforderte, und bei weiteren 3 Patienten traten behandlungsbedürftige Penishämatome auf.

Die Zulassung der Collagenaseinjektion durch die FDA ist deshalb auch an eine Risk Evaluation and Mitigation Strategy (REMS) gebunden. Sie soll dafür sorgen, dass die Behandlung nur von speziell geschulten Urologen durchgeführt wird.

„Es ist fraglich, ob eine Therapie, die das Doppelte kostet wie eine etablierte, hochwertige Operation zur vollständigen Behandlung der Induratio penis plastica für Patienten angezeigt ist.“
Dr. Konstantinos Konstantinidis

Sind die Kosten gerechtfertigt?

Bleibt noch die Frage nach den Kosten dieser Intervention. In den IMPRESS-Studien erhielten die Probanden in 4 Zyklen mit jeweils 6-wöchigem Abstand maximal 8 Collagenase- (bzw. Placebo-)Injektionen, also jeweils 2 Injektionen pro Zyklus (mit 0,58 mg Collagenase clostridium histolyticum pro Injektion).

In den USA liegt der Preis für eine Ampulle Xiaflex® bei 3.250 Dollar, bei 8 Injektionen würden sich so allein die Arzneimittelkosten auf rund 26.000 Dollar summieren. Für Konstantinidis ein weiteres Argument, das gegen die Collagenasetherapie spricht: „Es ist fraglich, ob eine Therapie, die das Doppelte kostet wie eine etablierte, hochwertige Operation zur vollständigen Behandlung der Induratio penis plastica für Patienten angezeigt ist.“

Krankenkassen fordern therapeutischen Zusatznutzen

Diese Überlegung erscheint nicht ganz unberechtigt, wie auch ein Vorgang aus der jüngeren Vergangenheit zeigt. Für die Behandlung der Dupuytren-Kontraktur, einer Krankheit, die durch das Auftreten von Knoten und Strängen an der Innenfläche der Hand gekennzeichnet ist, ist die mikrobielle Collagenase bereits seit 2011 EU-weit zugelassen. Allerdings wird das Präparat (Xiapex®) in Deutschland nicht vertrieben.

Hintergrund war ein Bescheid des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) aus dem Jahr 2012. Unter Verweis auf die Bewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) entschied das Gremium, dass ein therapeutischer Zusatznutzen nicht belegt sei, da keine geeigneten Vergleichsdaten für Xiapex® gegenüber chirurgischen Verfahren zur Verfügung standen [4].

Der Hersteller hatte daraufhin entschieden, gar nicht erst in die Preisverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband einzutreten. Denn die Krankenkassen hätten in diesem Fall einen Preis aushandeln müssen, der nicht höher ist, als eine zweckmäßige Vergleichstherapie, in diesem Fall eine ambulante Operation für rund 400 Euro. Obwohl der Apothekenabgabepreis für eine Ampulle Collagenase laut Angaben im G-BA-Beschluss nur rund 1.100 Euro betragen sollte, wäre die Injektionsbehandlung damit immer noch deutlich teurer gewesen.

Referenzen

Referenzen

  1. U.S. Food and Drug Administration:
    Pressemitteilung vom 6. Dezember 2013
    http://www.fda.gov/NewsEvents/Newsroom/PressAnnouncements/ucm377849.htm
  2. Gelbard M, et al: J Urol. 2013;190(1):199-207
    http://dx.doi.org/10.1016/j.juro.2013.01.087
  3. European Association of Urology: Penile Curvature – Full Guideline 2012
    http://www.uroweb.org/gls/pdf/15_Penile_Curvature_LR.pdf
  4. Gemeinsamer Bundesausschuss: Nutzenbewertung der Mikrobiellen Collagenase aus Clostridium histolyticum (Zusammenfassende Dokumentation), 19. April 2012
    http://www.g-ba.de/downloads/40-268-1950/2012-04-19_AM-RL-XII_Collagenase_ZD.pdf

Autoren und Interessenkonflikte

Inge Brinkmann
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Gelbard M: Erklärungen zu Interessenkonflikten finden sich in der Originalpublikation.

Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.