Eine Erfolgsmeldung auf der Suche nach neuen Therapien gegen Osteoporose verkünden Wissenschaftler um Dr. Michael R. McClung, Direktor des Oregon Osteoporosis Center (Portland) im New England Journal of Medicine. Demnach ist es mit dem humanisierten Antikörper Romosozumab gelungen, die Knochendichte postmenopausaler Frauen mit einer Osteopenie deutlich zu erhöhen. Nach einem Jahr hatte die Dichte der Lendenwirbel im Mittel um 11% zugenommen – und damit erheblich stärker als mit 2 Vergleichspräparaten.
„Dies ist eine sehr gut gemachte und aufwändige Studie an Frauen nach der Menopause und mit niedriger Knochendichte, somit höchst relevant, da diese das Gros aller Osteoporose-Patientinnen darstellen“, sagte gegenüber Medscape Deutschland Prof. Dr. Lorenz C. Hofbauer, Leiter des Osteoporosezentrums am Universitätsklinikum Dresden. Bemerkenswert ist für Hofbauer auch, dass das Studienpräparat gleich gegen 2 aktive Vergleichssubstanzen getestet wurde, darunter Teriparatid, das bislang wirksamste Osteoporose-Medikament. „In diesem hochklassigen Wettbewerb hat sich Romosozumab deutlich durchgesetzt, und auch die Sicherheitsdaten sehen sehr gut aus”, fügte Hofbauer hinzu.
An der multizentrischen Phase-2-Studie hatten insgesamt 419 postmenopausale Frauen aus 7 Ländern im Alter zwischen 55 und 85 Jahren mit stark reduzierter Knochendichte teilgenommen, die auf 8 verschiedene Studienarme randomisiert wurden. Das von den Firmen UCB und Amgen gemeinsam vermarktete Romosozumab bewirkte im Vergleich zu Placebo in allen 5 getesteten Dosierungen – monatlich oder in 3-monatlichen Abständen gespritzt – eine signifikante Zunahme der Knochendichte nach 3 Monaten, sowie zum Ende der Studie nach 12 Monaten. Nachgewiesen wurde dies spezifisch für die Lendenwirbel, Hüft- und Schenkelhalsknochen.
Eine exploratorische Analyse verzeichnete zudem für Romosozumab signifikant größere Zugewinne der Knochendichte an Lendenwirbeln und Schenkelhalsknochen im Vergleich zu den gegenwärtigen Therapien mit Alendronat und Teriparatid.
Durchbruch bei den Osteoporose-Therapeutika?
Dass neue Therapien gegen den Knochenschwund gebraucht werden, hat die Endokrinologin Dr. Carolyn B. Becker vom Brigham and Women´s Hospital, Boston, in einem Kommentar hervorgehoben, der ebenfalls im New England Journal of Medicine erscheinen ist. „Die Ergebnisse stellen einen potenziellen Durchbruch bei den Osteoporose-Therapeutika dar“, so Becker.
Zwar habe man mit dem rekombinanten Parathyroidhormon Teriparatid im Jahr 2002 eine vielversprechendes Kapitel aufgeschlagen, weil damals zum ersten Mal eine anabolische Substanz die Knochendichte signifikant erhöht, das Frakturrisiko gesenkt und die Knochenstruktur zumindest annähernd normalisiert hatte. „Trotz beeindruckender Belege für die Sicherheit und Wirksamkeit hat Teriparatid im Vergleich zu anderen Substanzen aber nur eine begrenzte klinische Reichweite erlangt, hauptsächlich weil es täglich subkutan injiziert werden muss, weil es einen Warnhinweis auf Osteosarkome bei Ratten trägt und wegen seines hohen Preises“, so Becker.
Romosozumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der ursprünglich von der Firma Celltech entwickelt wurde, die nun im Besitz von UCB ist. Celltech wiederum war im Jahr 2002 eine Partnerschaft mit Amgen eingegangen, um das Produkt zu entwickeln. Amgen und UCB haben die aktuelle Studie gemeinsam finanziert und waren maßgeblich an der Konzeption und Datenauswertung beteiligt.
Hemmung von Sklerostin fördert Osteoblasten
Die Wirkung von Romosozumab beruht auf der Hemmung des Glykoproteins Sklerostin, das wiederum von den Osteozyten in den Hohlräumen der Knochenlamellen gebildet wird. Bekannt ist, dass Menschen mit einer Sklerostin-Defizienz eine höhere Knochendichte und -stärke haben und kaum Brüche erleiden. Das Glykoprotein hemmt einen für die Vermehrung der Osteoblasten kritischen Signalweg; die Hemmung von Sklerostin mit dem Antikörper Romosozumab sollte deshalb die Aktivität und Funktion der Osteoblasten fördern.
Die aktuelle Studie bestätigt nun diese Vorhersage. Den größten Zuwachs an Knochendichte fanden die Wissenschaftler um McClung dabei mit der Dosierung von 210 mg pro Monat. An den Lendenwirbeln nahm die Dichte damit im Mittel um 11% zu, an den Hüftknochen um 4,1% und am Schenkelhals um 3,7%.
Dagegen wuchs die Knochendichte mit den Konkurrenzpräparaten Alendronat (70 mg pro Woche) und Teriparatid (20 µg pro Tag) an den Lendenwirbeln „nur“ um 4,1% bzw. 7,1%, und bei den Hüftknochen um 1,9% respektive 1,3%. Mit einem p-Wert kleiner 0,001 erwiesen sich alle Differenzen zwischen Romosozumab und den Vergleichspräparaten als hochsignifikant.
Nebenwirkungen traten bei den 3 Präparaten etwa gleich häufig auf, lediglich milde lokale Reaktionen an der Einstichstelle wurden unter Romosozumab vermehrt registriert. Ansonsten berichteten die Patienten in allen Verum-Gruppen am häufigsten über milde Atemwegsinfektionen, Schmerzen im Rücken und in den Gelenken sowie Kopfweh.
Noch viele Fragen offen
In ihrer Studie hatten die Forscher auch mehrere Markersubstanzen für den Knochenstoffwechsel erfasst. Solche, die mit dem Knochenwachstum korrelieren, nahmen nach der ersten Dosis Romosozumab schnell zu, gingen dann aber bis zum 6. Monat fast auf die Ausgangswerte zurück. Dagegen sah man bei den Markern für die Resorption der Knochensubstanz einen Rückgang ab der 1. Woche, der während des gesamten Studienzeitraums anhielt.
Solch ein Muster mit einer kurzen anabolen Stimulation gefolgt von einer chronischen Unterdrückung der Knochenresorption sei einmalig unter den gegenwärtigen Osteoporose-Therapien, bemerkt Becker in ihrem Kommentar. Dennoch müssten noch viele Fragen zu Romosozumab geklärt werden, etwa die nach der optimalen Anwendungsdauer, der langfristigen Sicherheit und ob es bei Anwendung über ein Jahr hinaus Komplikationen wie Spinalstenosen oder Lähmungen der Hirnnerven geben könnte.
Eine bereits angelaufene Phase-3-Studie mit postmenopausalen Frauen mit Osteoporose, an der auch Hofbauer beteiligt ist, sollte helfen, diese Fragen zu beantworten.