Docetaxel plus Hormone beim metastasierten Prostatakarzinom: „Deutlicher Überlebensvorteil!“

Julia Rommelfanger | 2. Januar 2014

Autoren und Interessenkonflikte

Die Lebenszeit von Männern mit hormon-sensitivem metastasiertem Prostatakarzinom lässt sich erheblich verlängern, wenn sie zu Beginn der Hormonbehandlung auch eine Chemotherapie mit Docetaxel erhalten. Das zeigen erste Ergebnisse einer randomisierten klinischen Studie, die von den US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) unterstützt wird [1].

„Das sind sehr überzeugende Daten mit erheblicher Relevanz für die klinische Praxis.“
Prof. Dr. Michael Stöckle

Die Ergebnisse sind derart überzeugend, dass das National Cancer Institute der NIH erste Resultate bereits vor dem Abschluss der Studie veröffentlichte. Die 3-Jahres-Überlebensrate der Patienten, die das Chemotherapie-Medikament Docetaxel gleich mit Beginn der Androgen-Deprivationstherapie (ADT) erhielten, war mit 69% gegenüber 52,5% signifikant besser als bei denjenigen Patienten, die nur die Hormonbehandlung erhielten.

Kombinationstherapie überzeugt – erhebliche klinische Relevanz

„Das sind sehr überzeugende Daten mit erheblicher Relevanz für die klinische Praxis“, kommentiert Prof. Dr. Michael Stöckle, Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie am Universitätsklinikum des Saarlands in Homburg/Saar, die Studienresultate gegenüber Medscape Deutschland. „Aufgrund des deutlichen Überlebensvorteils in einer Dimension, die man selten sieht, wird sich diese Therapie durchsetzen“, sagt er voraus.

Der Vorteil sei, dass Docetaxel bereits seit 2004 als Zytostatikum für die Therapie des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (CRPC) zugelassen sei. Somit seien die nicht unerheblichen Nebenwirkungen und Toxizitäten des Medikaments hinlänglich bekannt.

„Das recht aggressive Docetaxel wurde daher bisher erst dann verabreicht, wenn der Patient nicht mehr auf die Hormontherapie ansprach.“
Prof. Dr. Michael Stöckle

Bisher werden Patienten mit Prostatakarzinom, die bereits Knochenmetastasen haben, nach Standardbehandlung zunächst einer Hormontherapie unterzogen, wodurch sich der Tumor zurückbildet oder in gleicher Größe bleibt. Erst im hormonresistenten Stadium setzt dann die Chemotherapie ein.

Diese Patienten überleben heute etwa 4 bis 5 Jahre nach Beginn der Hormontherapie. „Durch die Hormontherapie blieben die Patienten meist beschwerdefrei. Um die Lebensqualität möglichst lange zu erhalten, wurde das recht aggressive Docetaxel daher bisher erst dann verabreicht, wenn der Patient nicht mehr auf die Hormontherapie ansprach“, erklärt Stöckle.

Die Studie zeige jedoch, dass das Medikament im früheren Krankheitsstadium offensichtlich besser vertragen werde und besser anschlage. „Im fitteren Status holen die Patienten aus dem Medikament wohl mehr heraus“, sagt Stöckle. Vor allem aber sei die Tumor-Masse zu Beginn der Hormontherapie erst noch verhältnismäßig klein und daher empfänglicher für die Chemotherapie.

„Im fitteren Status holen die Patienten aus dem Medikament wohl mehr heraus.“
Prof. Dr. Michael Stöckle

In der aktuellen Studie mit der Bezeichnung E3805, bei der zwischen Juli 2006 und November 2012 insgesamt 790 Männer mit metastasiertem Prostatakarzinom teilnahmen, profitierten Patienten mit der höchsten Metastasierung am meisten von der Docetaxel plus ADT-Kombination: In dieser Gruppe mit Metastasen in der Leber oder in Knochen, der zwei Drittel der Studienteilnehmer angehörten, betrug die 3-Jahres-Überlebensrate mit Docetaxel plus ADT 63,4%, mit ADT alleine 43,9%. Die Chemotherapie wurde alle 3 Wochen verabreicht und im Ganzen über einen Zeitraum von 18 Wochen.

Weitere Analysen der Patienten mit weniger Metastasen sollen zeigen, wie die Kombinationstherapie bei diesen Patienten wirkt. „Diese Ergebnisse verändern die klinische Praxis“, prophezeit der Leiter der Forschergruppe, Dr. Christopher Sweeney vom bekannten Dana Farber Cancer Institute in Boston, USA.

Nutzen vs Toxizität: Nur für hochgradig metastasierte Patienten empfehlenswert?


Prof. Dr. Jürgen Gschwend

Die Fachwelt erfährt die vollständigen Ergebnisse der Studie voraussichtlich beim Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) im Mai 2014 in Chicago. Wahrscheinlich folgt eine Veröffentlichung in einer renommierten Fachzeitschrift wie dem New England Journal of Medicine, vermutet Prof. Dr. Jürgen Gschwend, Direktor der Urologischen Klinik und Poliklinik am Klinikum rechts der Isar in München, aufgrund der Trageweite dieser Studienresultate.

„Bisher war nicht viel über die Wirksamkeit einer frühen Docetaxel-Gabe bei diesen Patienten bekannt“, erklärt er in einem Interview mit Medscape Deutschland. „Der Kick dieser Studie ist: Bei Patienten mit Metastasen wurde früh die Wirksamkeit von Hormontherapie plus Chemotherapie verglichen und erkannt. Die Nebenwirkungen der Chemotherapie sind nicht zu vernachlässigen. Daher war bisher unklar, ob der Nutzen der Therapie die Toxizität übertrifft. Die vorläufigen Ergebnissen klingen zumindest auf den ersten Blick sehr vielversprechend.“

Obwohl Gschwend vor allzu großer Euphorie warnt, sei insbesondere für Hochrisikopatienten mit vielen Metastasen diese Kombination eine denkbare Alternative, „unter Abwägung der Toxizität“, fügt er an, denn auch infolge der potentiell gefährlichen Nebenwirkungen von Docetaxel wie Neutropenie und Sepsis  „können Patienten sterben“, bemerkt Gschwend.

„Wahrscheinlich
wird sich diese Therapie einfach generell bei fortschreitender Erkrankung durchsetzen,
auch schon vor Metastasennachweis.“
Prof. Dr. Jürgen Gschwend

Allerdings überwiegt bei ihm die Zuversicht: Wenn die vollständigen Studiendaten die soeben veröffentlichten ersten Resultate bestätigen, „hat das direkten Einfluss auf die klinische Praxis“, sagt er.

Das Vorkommen eines bereits metastasierten Prostatakarzinoms bei Erstdiagnose sei heutzutage eher selten, aufgrund der Möglichkeiten der Früherkennung durch die Bestimmung des prostataspezifischen Antigens (PSA), sagt Stöckle. „Viele werden heute geheilt, lange bevor sie Knochenmarksmetastasen haben.“

Stöckle vermutet daher, dass das Konzept der frühen Docetaxel-Therapie künftig nicht nur bei Prostatakrebs mit Knochenmetastasen, sondern auch bei Patienten in früheren Krankheitsstadien zum Standard wird. „Wahrscheinlich wird sich diese Therapie einfach generell bei fortschreitender Erkrankung durchsetzen, auch schon vor Metastasennachweis“, vermutet er. Im Grunde müsse eine weitere Studie zur Effektivität in dieser Patientengruppe durchgeführt werden. „Das Dilemma ist der lange Follow-up, der etwa 8 Jahre betragen müsste.“

Referenzen

Referenzen

  1. Mitteilung der NIH (National Institutes of Health) vom 5. Dezember 2013
    http://www.nih.gov/news/health/dec2013/nci-05.htm

Autoren und Interessenkonflikte

Julia Rommelfanger
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Gschwend J, Stöckle M: Es liegen keine Erklärungen zu Interessenkonflikten vor.

Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.