Dass Hämophilie-B-Kranke 2-mal wöchentlich Faktor-IX zur Gerinnungsprophylaxe injizieren müssen, könnte bald der Vergangenheit angehören. Wird nämlich stattdessen ein rekombinantes Faktor-IX-Fc-Fusionsprotein (rFIXFc) verwendet, dann reicht – je nach Höhe der erreichten Faktor-IX-Spiegel – eine Injektion alle 1 bis 2 Wochen bei gleichbleibend guter Prophylaxe. Das jedenfalls legen die Ergebnisse einer Studie von Dr. Jerry S. Powell von der Universität von Kalifornien in Davis und seinem Team nahe, die jetzt im New England Journal of Medicine erschienen ist [1]. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass das von Biogen Idec hergestellte rekombinante rFIXFc im Vergleich zu rekombinantem Faktor IX deutlich länger im Körper bleibt.
Bekanntlich wird Hämophilie B durch einen ausgeprägten Mangel oder das völlige Fehlen des Proteins Faktor IX verursacht. Um die Gerinnung wiederherzustellen und Blutungen vorzubeugen, durch die nicht nur Schmerzen, irreversible Gelenkschäden sondern auch lebensbedrohliche Blutverluste drohen, müssen sich betroffene Patienten den sogenannten Christmas Faktor (Faktor IX) spritzen. Den weihnachtlichen Namen verdankt der Faktor übrigens dem damals 5-jährigen Patienten, an dem 1952 erstmals die Hämophilie B und ihr Vererbungsmuster beschrieben worden sind: Der Junge hieß Stephen Christmas. Anekdote am Rande: Auch die Veröffentlichung fand damals in der Weihnachtsausgabe des British Medical Journal vom 27. Dezember statt.
„Relevante Verbesserung für unsere Patienten“
Die aktuellen Studienergebnisse seien speziell für die Prophylaxe interessant, sagt Dr. Robert Klamroth, Leitender Oberarzt der Klinik für Innere Medizin – Angiologie, Hämostaseologie und Pneumologie des Vivantes Klinikums im Friedrichshain in Berlin auf Nachfrage von Medscape Deutschland. „Das rekombinante-Faktor-IX Fusionsprotein verbleibt mehr als doppelt so lange im Organismus. Das verlängert die Intervalle der intravenösen Substitutionen und stellt eine relevante Verbesserung für unsere Patienten dar“, erklärt Klamroth, der die Gerinnungssprechstunde und das Hämophiliezentrum der Klinik leitet.
protein verlängert
die Intervalle
der intravenösen Substitutionen und stellt eine relevante Verbesserung für unsere Patienten dar.“
Powell und Kollegen hatten eine nicht-randomisierte, Open-Label-Phase-III-Studie konzipiert, um die Sicherheit, Wirksamkeit und die Pharmakokinetik von rFIXFc zur Prophylaxe, zur Behandlung von Blutungen und zur perioperativen Hämostase an 123 vorbehandelten männlichen Patienten zu untersuchen. Alle Teilnehmer waren 12 Jahre oder älter und litten an schwerer Hämophilie B (endogene Faktor-IX-Spiegel von =2 IU pro dl oder =2% des normalen IX-Spiegels).
Die Studie umfasste 4 Behandlungsgruppen: Gruppe 1 erhielt eine wöchentlich in der Dosis angepasste Prophylaxe (anfangs 50 IU rFIXFc pro kg Körpergewicht). Gruppe 2 bekam eine auf den Intervall adjustierte Dosis von 100 IU rFIXFc pro kg (anfangs alle 10 Tage). Die Dosis bzw. das Injektionsintervall wurden dann je nach Höhe des Faktor-IX-Spiegels angepasst. Gruppe 3 wurde während der Blutungsereignisse behandelt (20 bis 100 IU pro kg), und Gruppe 4 erhielt perioperativ rFIXFc.
Eine Subgruppe der Gruppe 1 bekam zum Vergleich rekombinanten Faktor IX verabreicht. Primärer Wirksamkeits-Endpunkt war die durchschnittliche Blutungsrate. Die Sicherheits-Endpunkte beinhalteten die Entwicklung von Antikörpern und unerwünschten Ereignissen. Die Studie wurde beendet, als 53 Teilnehmer 50 oder mehr Tage rFIXFc erhalten hatten (definiert als Gabe von einer oder mehreren rFIXFc-Injektionen innerhalb von 24 Stunden).
Längere Halbwertzeit, keine Antikörperbildung
dass rFIXFc für
die Therapie und Prävention von Blutungen sicher
und effektiv ist.“
Verglichen mit rekombinantem Faktor IX wies rFIXFc eine verlängerte Halbwertszeit (33,8 vs 82,1 h, p<0,001) auf. Patienten der Gruppen 1 und 2, die rFIXFc zur Prophylaxe erhalten hatten, wiesen signifikant niedrigere Blutungsraten (Gruppe 1: 2,5 vs 23,0 und Gruppe 2: 1,9 vs 25,0) während der Studie auf, als in der 12-monatigen Phase vor Studienbeginn, in der sie lediglich eine episodische Behandlung erhalten hatten. In Gruppe 2 hatten 53,8% der Teilnehmer Dosis-Intervalle von 14 Tagen oder mehr während der letzten 3 Monate der Studie. In den Gruppen 1, 2 und 3 konnten 90,4% der Blutungsepisoden mit einer Injektion behoben werden. Die Hämostase während aller großen Operationen wurde als gut oder exzellent bewertet.
Bei den Teilnehmern, die rFIXFc erhielten, wurden keine Antikörper dagegen festgestellt. In den Gruppen 1, 2 und 3 hatten 73,9% der Teilnehmer mindestens ein unerwünschtes Ereignis. Die Mehrheit dieser Ereignisse stand jedoch nach Einschätzung der Autoren nicht oder wahrscheinlich nicht in Zusammenhang mit der Behandlung. Ernste unerwünschte Ereignisse traten bei 10,9% der Teilnehmer auf, jedoch nur bei einem wurde ein Zusammenhang mit der Medikation vermutet.
Powell und Kollegen schreiben: „Prophylaktisch gegebenes rFIXFc, das alle 1 bis 2 Wochen verabreicht wird, führt zu verringerten durchschnittlichen Blutungsraten bei Patienten mit Hämophilie B. Die Studie zeigt, dass rFIXFc für die Therapie und Prävention von Blutungen sicher und effektiv ist.“