Renale Denervierung boomt, ist aber nur eine Lösung für wenige Hypertoniker

Ute Eppinger | 13. Dezember 2013

Autoren und Interessenkonflikte


Prof. Dr. Siegfried Eckert

Münster – Eines stellte Prof. Dr. Siegfried Eckert auf dem Kongress der Deutschen Hochdruckliga (DHL) in Münster direkt klar: „Die renale Denervierung und die Baroreflex-Stimulation bieten nur für wenige Patienten eine zusätzliche Möglichkeit, einen therapierefraktären Bluthochdruck zu behandeln.“ Kongresspräsident Eckert, Oberarzt an der Universitätsklinik für Kardiologie des Herz- und Diabeteszentrums in Bad Oeynhausen trat damit der Erwartung nicht weniger Patienten entgegen, Hypertonie könne quasi „wegoperiert“ werden [1]. Er verwies auf Praxiserfahrungen, die bei der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Dresden präsentiert worden waren, und die nahe legen, dass die renale Denervierung eben alles andere als ein „Mittel für alle“ ist – ihrer Beliebtheit zum Trotz.

Wenn sich auch unter 4 Antihypertensiva inklusive einem Diuretikums und einer guten Patienten-Compliance der Blutdruck nicht unter 160/90 mmHg drücken lässt – erst dann soll die seit drei Jahren zur Verfügung stehende renale Denervierung angewendet werden. Und erzielt auch diese keine Besserung, kann auch die seit 2005 verfügbare Baroreflex-Stimulation zum Einsatz kommen, umriss Eckert die Indikationen .

Möglichkeiten und Grenzen der Methoden

„Die renale Denervierung und
die Baroreflex-Stimulation bieten nur für wenige Patienten eine zusätzliche Möglichkeit, einen therapierefraktären Bluthochdruck zu behandeln.“
Prof. Dr. Siegfried Eckert

Bei der renalen Sympathikus-Denervierung wird unter lokaler Betäubung ein Katheter über die Leiste eingeführt. Über diesen werden mittels Hochfrequenz-Ablation die Enden der renalen sympathischen Nervenfasern verödet. So lässt sich der Blutdruck bis zu 30/10 mmHg nach 3 Jahren senken.

Während sich allerdings bei der Baroreflex-Stimulation innerhalb von 20 bis 40 Sekunden während der OP testen lässt, ob die Methode wirkt, ist die renale Denervierung während des Eingriffs nicht testbar. Die maximale Blutdrucksenkung stellt sich häufig erst nach Wochen bis Monaten ein. Oder auch nicht. Den Anteil der Non-Responder bezifferte Eckert auf 20 bis 30%.

Für therapierefraktäre Patienten, bei denen auch eine renale Denervierung keine Blutdrucksenkung erbracht hatte und Patienten mit Engstellen der Nierenarterien, bei denen die Ablation nicht angewendet werden kann, kommt dann als letzter Ausweg direkt eine Baroreflex-Stimulation in Frage.

Bei der Baroreflex-Stimulation wird eine Elektrode auf die Stelle der Halsschlagader genäht, über die bei Tests die höchste Blutdrucksenkung erzielt werden konnte, diese wird dann mit einem Schrittmacher verbunden. „Die Stimulation der Barorezeptoren führt zu einer Blutdrucksenkung über komplexe Regulationen im Gehirn, im Herz und in den Nieren“, erläuterte Eckert. So finde eine „Sollwertverstellung“ statt. „Damit werden anhaltende Blutdrucksenkungen von bis zu 50 mmHg systolisch und 30 mmHg diastolisch erreicht, auch noch nach vier, fünf Jahren.“ Wie sich der Eingriff in die sympathische Überaktivität langfristig auswirke, sei allerdings noch nicht bekannt: „Wir wissen nicht, was nach 20 oder 30 Jahren ist.“

„Es gibt noch immer viele Patienten, die hoffen, durch die renale Denervierung auf Medikamente verzichten zu können, aber dem ist nicht so.“
Prof. Dr. Siegfried Eckert

Zunehmende Beliebtheit bei Ärzten und Patienten

Schon 2011 hatten die Deutsche Hochdruckliga (DHL), die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) in einem Statement Indikationen, Durchführung, Nachkontrollen und Voraussetzungen zur Durchführung des neuen Verfahrens eng definiert. Gleichwohl erfreut sich die renale Denervierung bei Patienten und Ärzten zunehmender Beliebtheit und wird mehr und mehr eingesetzt.

Inzwischen bieten 200 Zentren in Deutschland die renale Denervierung an, die Verbreitung der Spezialkatheter nimmt zu: Gab es vor 2 Jahren lediglich einen Anbieter, seien es inzwischen 4 bis 5 Hersteller, so Eckert. Die Patienten meinen, sie legten sich 45 Minuten auf den Kathetertisch und seien dann von ihrem Blutdruck geheilt. „Es gibt noch immer viele Patienten, die hoffen, durch die renale Denervierung auf Medikamente verzichten zu können, aber dem ist nicht so“, stellte Eckert klar. So liegen auch keine validen Zahlen vor, wie viele Ablationen in Deutschland jährlich vorgenommen werden. Eckert schätzt die Zahl der Eingriffe auf etwa 1.000.


Prof. Dr. Hermann Pavenstädt

Und auch Prof. Dr. Hermann Pavenstädt, ebenfalls Kongresspräsident und Direktor der Medizinischen Klinik D des Universitätsklinikums Münster, betonte: „Die Gefahr besteht, dass eine renale Denervierung zu rasch erfolgt.“ Pavenstädt wies darauf hin, wie wichtig es sei, Patienten genau zu selektieren. Denn je niedriger der Ausgangswert des Blutdrucks, desto weniger profitierten die Patienten von der Ablation.

„Bevor Methoden wie die renale Denervierung oder die Baroreflex-Stimulation überhaupt in Betracht gezogen würden, solle neben der optimalen medikamentösen Behandlung auch ein Versuch der Lebensstiländerung nicht vergessen werden“, bekräftigte Pavenstädt.

Zertifizierung gegen die vorschnelle OP

„Eine Denervierung sollte definitiv nicht in einem Haus gemacht werden, in dem drei, vier Katheterlabore stehen, aber die Hypertonie erst neu entdeckt wird.“
Prof. Dr. Siegfried Eckert

Den vorschnellen Einsatz der renalen Denervierung jedenfalls wollen die Fachgesellschaften eindämmen. Sie haben jetzt damit begonnen, spezielle Zentren zu zertifizieren, die renale Denervierungen durchführen dürfen. Überlegt werde auch, ob der Eingriff künftig nur noch dann von den Krankenkassen vergütet werden sollte, wenn er an einem solchen Zentrum vorgenommen wurde.

Die Methode sei einfach und werde wohl auch deshalb gerne durchgeführt. Viel schwieriger als die Ablation sei aber, die richtigen Patienten auszusuchen. Genau dies sei dann die Aufgabe eines spezialisierten Zentrums, so Eckert. „An einem solchen Zentrum muss ein Hypertensiologe beschäftigt sein, sonst vergeben wir kein Zertifikat. Eine Denervierung sollte definitiv nicht in einem Haus gemacht werden, in dem drei, vier Katheterlabore stehen, aber die Hypertonie erst neu entdeckt wird“, stellte Eckert klar.

Referenzen

Referenzen

  1. 37. Wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Hochdruckliga e.V. DHL® – Deutschen Gesellschaft für Hypertonie und Prävention, 12. bis 14. Dezember 2013, Münster
    Pressekonferenz: „Wenn Medikamente nicht mehr helfen: Blutdruck einfach wegoperieren – Renale Denervierung und Baroreflex-Stimulaton“ (12.12.2013)
    http://www.hypertonie2013.de

Autoren und Interessenkonflikte

Ute Eppinger
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Eckert S, Pavenstädt H: Es liegen keine Erklärungen zu Interessenkonflikten vor.

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