Zu oft unentdeckt: Hepatitis-C-Infektionen in den USA und Deutschland

Miriam E. Tucker | 12. Dezember 2013

Autoren und Interessenkonflikte

Washington Die Therapie einer Hepatitis C ist inzwischen wirksamer, als man in der Vergangenheit zu hoffen gewagt hätte. Allerdings kommen längst nicht alle Infizierten in den Genuss dieses Fortschritts: Die Dunkelziffer ist nämlich weitaus höher, als bisher vermutet wurde. Ein Hepatitis-C-Screening der geburtenstarken Jahrgänge in den USA ergab besonders hohe Infektionsraten bei 2 Personengruppen: 9,9% der Veteranen und 8,7% der Notfallpatienten eines Krankenhauses waren mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert.

Dies geht aus 2 Studien hervor, die auf dem Kongress „The Liver Meeting 2013“ in Washington, DC, präsentiert worden sind [1]. Die Werte lagen damit etwa dreimal so hoch wie die Gesamtprävalenz von 3,3% bei den Jahrgängen zwischen 1945 und 1965 – der so genannten geburtenstarken Kohorte. Sowohl das amerikanische Ministerium MVA, das die Veteranen betreut, als auch die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) empfehlen inzwischen ein Hepatitis-C-Screening für sämtliche Personen dieser Jahrgänge.

„Es ist davon auszugehen, dass wir auch in Deutschland keinen exakten Überblick über die tatsächliche Inzidenz von Hepatitis-C-Infektionen haben“, bestätigt Dr. Peter Buggisch, ärztlicher Leiter des Leberzentrums Hamburg am Institut für Interdisziplinäre Medizin an der Asklepeiosklinik St. Georg in Hamburg gegenüber Medscape Deutschland. „Sicherlich könnten – angesichts der verbesserten Therapieaussichten gerade in frühen Stadien der Infektion – noch weit mehr Patienten profitieren, wenn man gezielter screenen würde“, fügt er hinzu. Zu erwägen wäre zumindest ein gezieltes Screening in Risikogruppen.

Hepatitis C: Auch in Deutschland häufiger als erwartet

Die Tatsache, dass die Häufigkeit der Hepatitis-C-Infektionen auch hierzulande unterschätzt werden, bestätigt eine Analyse von 28.809 Patienten in 2 städtischen Notfallaufnahmen – Berlin und Frankfurt – , die unter der Federführung der Universitätsklinik Frankfurt vorgenommen worden ist [2]. Während man in Deutschland bis dahin von einer Seroprävalenz zwischen 0,4 bis 0,63 % ausging, fand diese Analyse Prävalenzen von 2,4 bis 3,5%, was dem Vierfachen der bisher geschätzten Häufigkeit entspricht.

„Es ist davon auszugehen, dass wir auch in Deutschland keinen exakten Überblick über die tatsächliche Inzidenz von Hepatitis-C-Infektionen haben.“
Dr. Peter Buggisch

Die Autoren um Dr. Johannes Vermehren von der Medizinischen Klinik 1 der Universitätsklinik in Frankfurt räumen zwar ein, dass generell bei einer städtischen Population von mehr Infektionen auszugehen sei. Hier gebe es mehr Risikogruppen wie Drogenabhängige und Obdachlose. Auch Hämophiliekranke und Patienten nach einer Lebertransplantation, deren Hepatitis-C-Infektionsrisiko ebenfalls höher ist, seien überrepräsentiert gewesen. Dennoch: Auch eine Schweizer Untersuchung hatte ähnliche Prävalenzen bereits zuvor für europäische Verhältnisse bestätigt.

Dies ist umso bedauerlicher, wie auch das Team um Vermehren schreibt, weil gerade eine Behandlung in den frühen Stadien der Infektion besonders wirksam ist. Hier lassen sich  Eradikations- und Heilungsraten von über 50% erzielen. Je länger die Infektion besteht, je deutlicher schon die Zirrhose, desto weniger aussichtsreich ist die Behandlung. Daher wäre eine frühere Erfassung der offenbar vielen unerkannten Fälle umso wünschenswerter. „Das ist vor allem auch deshalb wichtig, weil die Hepatits C keine oder nur sehr unspezifische Symptome macht, etwa Müdigkeit und Abgeschlagenheit“, begründet Buggisch die Schwierigkeit, mehr Hepatitis-C-Infektionen auf die Spur zu kommen.

USA: Screening hat sich für die Patienten gelohnt

Auch die US-amerikanischen Forscher konnten eindeutig nachweisen, dass offenbar auch bei gewissen Risikogruppen noch weit mehr Infektionen nachweisbar sind, als vermutet wurde. Die Wissenschaftler waren zunächst von einer Hepatitis-C-Infektionsrate von 3% ausgegangen. Die beiden Präsentationen lassen jedoch erkennen, dass diese Annahme für beide Personengruppen revidiert werden muss.

Das erklärte der Ko-Moderator der Sitzung, Dr. Donald Jensen, Direktor des Zentrums für Lebererkrankungen am University of Chicago Medical Center, der an den Studien selbst nicht beteiligt war. „In diesen zwei Risikopopulationen könnten wir grundsätzlich sehr viel mehr Patienten identifizieren und einer entsprechenden Behandlung zuführen“, teilte er gegenüber Medscape Medical News mit.

„Sicherlich könnten – angesichts der verbesserten Therapieaussichten gerade in frühen Stadien der Infektion – noch weit mehr Patienten profitieren, wenn man gezielter screenen würde.“
Dr. Peter Buggisch

Die MVA-Daten wurden von Dr. Lisa Backus aus dem „Office of Public Health/Population Health and the Veterans Health Administration” in Palo Alto, California, präsentiert. Das Team um Backus hatte insgesamt 5,5 Mio. Veteranen ausfindig gemacht, die im Jahr 2012 mindestens einmal ambulant einen Arzt konsultiert hatten. Etwa die Hälfte (46,2%) war zwischen 1945 und 1965 geboren worden, 37,4% vor 1945 und 16,4% nach 1965.

Zwischen 1999 und 2012 waren 54,7% von ihnen einmal auf Hepatitis-C-Antikörper untersucht worden. Die Häufigkeit einer Hepatitis-C-Infektion war in der Veteranenpopulation höher als in der Allgemeinbevölkerung (6,1% vs. 1,2%). Die Wissenschaftler extrapolierten die aktuelle Hepatitis-C-Infektionsprävalenz auf die nicht-getesteten 905.571 Veteranen der geburtenstarken Kohorte und errechneten weitere 51.000 mögliche Fälle unter diesen, erklärte Backus.

Die Notfallaufnahme als Screening-Schauplatz

Ähnlich wie die Forscher in Frankfurt ist auch das Team von Prof. Dr. James Galbraith, der als Notfallmediziner an der University of Alabama in Birmingham in den USA tätig ist, vorgegangen. Sie haben die 6-Wochen-Daten aus einem Hepatitis-C-Screeningprogramm aus einer Notfallambulanz ausgewertet.

„Das ist vor allem auch deshalb wichtig, weil die Hepatits C keine oder nur sehr unspezifische Symptome macht, etwa Müdigkeit und Abgeschlagenheit.“
Dr. Peter Buggisch

Die Notfallaufnahme-Abteilung in Birmingham initiierte ein routinemäßiges Hepatitis-C-Screening-Programm für Nichtversicherte der geburtenstarken Jahrgänge. Während der Dauer der Studie kam es in der Notfallaufnahme zu 2.363 Konsultationen durch Personen der geburtenstarken Kohorte. Krankenschwestern verteilten Fragebögen an 1.721 Patienten und erfassten, ob der Betreffende bisher auf Hepatitis C getestet wurde – wenn ja, ob ihm der Status bekannt sei.

Insgesamt wussten 1.287 Patienten (74,8%) nicht, ob sie eine Hepatitis-C-Infektion hatten, und 984 hatten einen Test auf Hepatitis-C-Antikörper durchführen lassen. Von diesen gaben 118 Patienten (12,0%) „Antikörper gegen Hepatitis C“ an, 71 Patienten „positiver Bestätigungstest auf virale RNA“, 27 Patienten „negativer Bestätigungstest“ und 20 hatten noch keinen Bestätigungstest durchführen lassen.

Galbraith teilte mit, er sei über die Anzahl der Hepatitis-C-Infektionen „außerordentlich überrascht”; seine Notfallaufnahmeabteilung sei hinsichtlich der Menge neu diagnostizierter chronischer Hepatitis-C-Fälle „überwältigt” gewesen. Vor Beginn des Screeningprogramms ging sein Team von der Hälfte der tatsächlichen Prävalenz aus.

Was die Situation möglicherweise verschärfe, sei das zunehmende Auftreten von Hepatitis-C-Infektionen bei jungen Erwachsenen, erklärte Jensen gegenüber Medscape Medical News. „Wir sehen mittlerweile eine weitere Risikogruppe unter den 20- bis 30-Jährigen, insbesondere unter den injizierenden Drogenkonsumenten“.

Referenzen

Referenzen

  1. 64. Jahreskongress der American Association for the Study of Liver Diseases (AASLD): The Liver Meeting 2013, 1. bis 5. November 2013, Washington DC, USA
    Abstracts 21 and LB-6.
    http://www.aasld.org/livermeeting/Pages/default.aspx
  2. Vermehren J, et al: PLOS one 2012;7(7):e41206
    http://dx.doi.org/10.1371/journal.pone.0041206

Autoren und Interessenkonflikte

Miriam E. Tucker
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Galbraith J: Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Jensen D: Geschäftliche Verbindungen zu Abbott Laboratories, Astex Pharmaceuticals, Biotica Technology, Boehringer Ingelheim, Bristol-Myers Squibb, Genentech, Gilead Science, Inhibitex, Johnson & Johnson, Merck, Pharmasset, Roche, Tibotec und Vertex Pharmaceuticals

Dieser Artikel wurde von Dr. Immo Fiebrig aus www.medscape.com übersetzt: Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.