Dankt der Pap-Test ab? HPV-Screening ist bei der Zervixkarzinom-Vorsorge überlegen

Dr. Ulrike Gebhardt | 15. November 2013

Autoren und Interessenkonflikte

 

Prof. Dr. Thomas Iftner
 

Eine Ära der Krebsvorsorge nähert sich ihrem Ende. Das primäre Screening auf Humane Papilloma Viren (HPV) schützt um 60 bis 70% besser vor einem invasiven Zervixkarzinom als der zytologische Abstrich. Bisher war diese auch als „Pap-Test“ bezeichnete Untersuchung von Zellen der Zervixschleimhaut nicht nur der Standard für die Vorsorgeuntersuchung von Gebärmutterhalskrebs. Er war auch eine der ersten systematischen Früherkennungsmaßnahmen. Dass er dem Virusnachweis klar unterlegen ist, zeigt jetzt eine im „The Lancet“ veröffentlichte Untersuchung, bei der die Daten von 4 europäischen, zuvor abgeschlossenen Studien zusammengefasst und die Teilnehmerinnen bis zu 8 Jahre nachbeobachtet wurden [1].

„Wir haben es hier mit einer brillanten Studie zu tun, die dank der Vereinigung mehrerer Einzelstudien eine hohe statistische Aussagekraft hat“, sagt Prof. Dr. Thomas Iftner vom Institut für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Tübingen. Außerdem handele es sich um die erste Studie, die auch den Krebs selbst und nicht nur Vorstufen davon als Endpunkt erfasse. „Für beide Endpunkte zeigt sich das HPV-Screening deutlich überlegen“, betont Iftner.

 
„Wir empfehlen eine Einführung des HPV-basierten Screenings mit Triage vom 30. Lebensjahr an mindestens alle fünf Jahre.“
Dr. Guglielmo Ronco
 

Unter der Leitung von Dr. Guglielmo Ronco vom Zentrum für Krebsepidemiologie und Prävention der Universität Turin poolten die Wissenschaftler die Ergebnisse der 4 europäischen, randomisierten Studien Swedscreen (Schweden), ARTISTIC (England), POBASCAM (Niederlande) und NTCC (Italien) und beobachteten insgesamt 176.464 Frauen im Alter von 20 bis 64 Jahre im Durchschnitt 6,5 Jahre nach Studienbeginn.

Das Follow-up über einen längeren Zeitraum sollte Aussagen über die langfristigen Auswirkungen der beiden Screening-Methoden ermöglichen, also auf das tatsächliche Vorkommen des invasiven Zervixkarzinoms. Bisher waren in Studien häufig nur die zellulären Veränderung CIN 2 und CIN 3 als Endpunkte gemessen worden, die als mögliche Krebsvorstufen gelten, sich aber meist nicht zu einem Karzinom weiterentwickeln.

HPV-Screening: längeres Testintervall möglich

Insgesamt wiesen die Forscher im Beobachtungszeitraum 107 invasive Zervixkarzinome nach. In den ersten 2,5 Jahren nach Studienbeginn gab es, bezogen auf die Häufigkeit des Tumors, keine Unterschiede zwischen den beiden Screening-Methoden. Danach jedoch traten bei den Frauen, die mittels der HPV-Testung gescreent wurden, wesentlich weniger Krebsfälle auf. Laut den Berechnungen der Forscher sind die Frauen zu 60 bis 70% besser vor dem Auftreten von Gebärmutterhalskrebs geschützt, wenn ein HPV-Test anstelle eines zytologischen Tests als Primärscreening durchgeführt wurde.

Ronco und seine Kollegen zeigten außerdem, dass die kumulierte Inzidenz des invasiven Zervixkarzinoms 5,5 Jahre nach einem negativen HPV-Test niedriger war, als 3,5 Jahre nach einem negativen Zytologie-Test. Das erspart den Frauen künftig womöglich so manchen Termin beim Frauenarzt, denn: Fünfjahresintervalle mit dem HPV-Test sind danach offenbar sicherer als Dreijahresintervalle mit dem konventionellen zytologischen Abstrich.

 
„Die Studie von Ronco und Kollegen zeigt, dass der HPV-Test dem zytologischen Screening überlegen ist. Nicht nur als Schutz vor hochgradigen Dysplasien ..., sondern auch als Schutz vor dem Zervixkarzinom.“
Prof. Dr. Achim Schneider
 

„Unsere Analyse zeigt, dass das HPV-basierte Screening mehr Krebsfälle verhindert als die Zytologie. Auf dieser Grundlage empfehlen wir eine Einführung des HPV-basierten Screenings mit Triage vom 30. Lebensjahr an mindestens alle fünf Jahre“, sagt Erstautor Ronco. Unter „Triage“ versteht man das weitere Vorgehen bei einem positiven HPV-Test. Bei diesen Frauen wird nachfolgend eine zytologische Untersuchung gemacht. Ist diese auffällig, wird mittels einer Kolposkopie der Gebärmutterhals genauer inspiziert. Fällt der zytologische Test negativ aus, hält aber die HPV-Infektion über einen längeren Zeitraum an, wird ebenfalls eine Kolposkopie durchgeführt.

„Die Studie von Ronco und Kollegen zeigt, dass der HPV-Test dem zytologischen Screening überlegen ist. Nicht nur als Schutz vor hochgradigen Dysplasien – was schon mehrmals belegt wurde, sondern auch als Schutz vor dem Zervixkarzinom“, sagt Prof. Dr. Achim Schneider, ehemaliger Direktor der Frauenklinik für Gynäkologie mit Onkologie an der Charité in Berlin. Die Studie stelle jedoch nicht klar heraus, durch welches Protokoll Frauen bei einem positiven HPV-Nachweis am effektivsten vor einem Tumor bewahrt werden könnten. „Was mich an der Studie ärgert, ist, dass 107 Frauen ein Zervixkarzinom bekamen, obwohl sie in der Überwachung waren“, sagt Schneider.

Hält bald nur noch Deutschland am Pap-Test fest?

Bevor der HPV-Test zukünftig einen festen Platz im Primärscreening haben wird, sollten noch einige Punkte abgeklärt werden, meinen auch die beiden Kommentatoren der Lancet-Studie Dr. Sandra Isidean und Dr. Eduardo Franco von der McGill Universität in Montreal [2]. Unklar ist ihrer Meinung nach, welcher HPV-Test verwendet, ab welchem Alter das Screening durchgeführt werden soll und in welchem Intervall und welche Richtlinien zum Umgang mit HPV-positiven Frauen geeignet sind.

Die beiden Mediziner sind sich sicher, dass sich eine Implementierung des HPV-Tests letztlich auch wirtschaftlich als günstig erweisen wird. Eine breitere Anwendung des HPV-Screenings wird die Konkurrenz unter den Anbietern steigern und die Kosten senken. Der HPV-Test bietet offenbar eine höhere Sicherheit als der konventionelle zytologische Abstrich und das Testintervall kann verlängert werden, was sich ebenfalls positiv auf die Kosten auswirkt.

In den Niederlanden hat man sich im Oktober dafür entschieden, den HPV-Test und die Triage als grundsätzliche Vorsorgemaßnahme einzuführen, in Italien wurde dies für einige Regionen im Land ebenfalls beschlossen. Das „Sich-Sperren“ gegen den Test, sei ein eher deutsches Problem, erklärt Thomas Iftner.

Im Gegensatz zu den Nachbarländern liege das Screening bei uns komplett in privater Hand. Bei der Diskussion um die geeigneten Screening-Methoden sollte aber auch ein anderer Aspekt nicht in Vergessenheit geraten, sagt Iftner: „Insgesamt müssen in Deutschland mehr Frauen dazu bewegt werden, die Früherkennung überhaupt in Anspruch zu nehmen.“ Nach Angaben des Deutschen Grünen Kreuzes tut dies bisher nur etwa jede zweite Frau [3].

Referenzen

Referenzen

  1. Ronco G, et al: The Lancet (online) 3. November 2013
    http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(13)62218-7/abstract
  2. Isidean SD, et al: The Lancet (online) 3. November 2013
    http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(13)62028-0/fulltext
  3. Informationen des Deutschen Grünen Kreuzes zum Gebärmutterhalskrebs
    http://dgk.de/frauengesundheit/gebaermutterhalskrebs.html

Autoren und Interessenkonflikte

Dr. Ulrike Gebhardt
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Iftner T: Vortragshonorare der Firmen Becton Dickinson und Hologic

Schneider A: Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Ronco G, Isidean SD: Es liegen keine Erklärungen zu Interessenkonflikten vor.

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