ÜBERSICHT
Hintergrund
Die Adipositas ist weltweit ein großes Gesundheitsproblem und hat in der westlichen Welt mittlerweile ein epidemisches Ausmaß angenommen. Die Hinweise verdichten sich, dass Adipositas ein Hauptrisikofaktor für viele andere Erkrankungen darstellt und mit einer signifikant erhöhten Rate an Morbidität und Mortalität bei den Patienten einhergeht.
Die Adipositaschirurgie ist aktuell die einzige Therapie, die zu einem anhaltendem signifikanten Gewichtsverlust bei Patienten mit morbider Adipositas führt und dadurch zu einer Verringerung der Adipositas- assoziierten Komorbiditäten. In einer prospektiven kontrollierten Studie aus Schweden wurden insgesamt 4.047 adipöse Patienten über 14,7 Jahre nachbeobachtet. Eine Hälfte der Patienten erhielt neben der üblichen Therapie eine bariatrische Operation. In dieser Gruppe zeigte sich eine signifikant geringere Rate an kardiovaskulären Ereignissen (p>0.001) und an kardiovaskulärer Mortalität (p=0.002) [1].
Geschichte der bariatrischen Chirurgie
Im Jahre 1954 wurde durch Kemen und Linner der jejuno-ileale Bypass eingeführt, die erste effektive operative Therapie zur Behandlung der Adipositas in den USA. Bei dieser Operation wurde das proximale Jejunum direkt mit dem distalen Ileum anastomosiert. Danach waren 90% des Dünndarms nicht mehr am Verdauungsprozess beteiligt (blind loop). Die resultierende Malabsorption führte zu einem signifikanten Gewichtsverlust. Allerdings kam es bei vielen Patienten zu Komplikationen durch die induzierte Malabsorption (z.B. Steatorrhoe, Diarrhoe, Vitaminmangel, Oxalose) oder durch eine Vermehrung von toxinbildenden Bakterien im ausgeschalteten Dünndarm (z.B. Leberversagen, schwere Arthritis, Hauteffloreszenzen). Dementsprechend war bei vielen dieser Patienten eine Revision nötig. Die Operationstechnik wurde aufgegeben und man suchte nach einem besseren operativen Verfahren.
Die Modifikationen des ursprünglichen Operationsverfahrens und die Weiterentwicklung von neuen Techniken haben schließlich zu 3 wesentlichen Konzepten in der Adipositaschirurgie geführt:
- Restriktive Techniken (Magenband, Sleeve Gastrektomie),
- Restriktion mit milder Malabsorption (Roux-en-Y- Magenbypass) und
- einer Kombination aus milder Restriktion mit Malabsorption (Duodenal Switch) (siehe Abbildungen).

Magenband

Sleeve Gastrektomie

Laparoskopischer Roux-en-Y- Magenbypass

Langer Roux-en-Y- Magenbypass

Biliopankreatische Diversion mit Duodenalswitch
Probleme
Der am weitesten verbreitete Index zur Bestimmung des Adipositas-Grades ist der Body Mass Index (BMI). Er wird berechnet, indem man das Körpergewicht des Patienten (in Kilogramm) durch die Körpergröße (in Meter) zum Quadrat teilt. Der normale BMI liegt zwischen 18,5 - 24,9 kg/m2. Bei einem BMI von 25 - 29,9 kg/ m2 liegt bereits Übergewicht vor. Ab einem BMI von 30 kg/m2 spricht man von Adipositas. Der Grad der Adipositas kann weiter in die Klassen I, II und III unterteilt werden.
Wichtig für die Beurteilung ist es jedoch, auch andere Faktoren als den BMI zu berücksichtigen wie z.B. Muskelmasse und Taillenumfang. Ein ausgesprochen muskulöser Mensch kann einen erhöhten BMI haben, ohne als fettleibig zu gelten. Der Taillenumfang hat sich hierbei als exzellenter Indikator in Bezug auf die Körperfettmasse herausgestellt. Ein Umfang von mehr als 88 cm bei Frauen und mehr als 102 cm bei Männern zeigen eine starke Korrelation zu einem erhöhten Risiko von adipositasspezifischen Erkrankungen.
Epidemiologie
Inzidenz: Die Anzahl der übergewichtigen Personen wird weltweit auf ca. 1,7 Milliarden geschätzt. In den USA sind bis zu zwei Drittel der Bevölkerung übergewichtig, wobei die Hälfte aus dieser Gruppe als adipös eingestuft werden muss.
Ätiologie
Die Adipositas ist eine komplexe, multifaktorielle chronische Erkrankung, welche durch die Interaktion verschiedenster Faktoren entsteht. Ursachen können genetische, endokrine, metabolische, milieubedingte (sozial und kulturell), verhaltensbedingte und psychologische Probleme sein. Grundlegender Mechanismus ist allerdings eine erhöhte Energiezufuhr bei einem zu geringen Energieverbrauch.
Pathophysiologie
Eine Adipositas ist das Ergebnis eines Ungleichgewichtes zwischen Kalorienzufuhr und –verbrauch. Dieses Ungleichgewicht steht unter einem genetischen und milieubedingten Einfluss. Die Entdeckung von immunologischen Veränderungen bei Adipositas, welche mit dem Leptin- Propriomelanocortin-System und einem erhöhtem TNF-alpha verbunden sind, eröffneten neue Perspektiven für das Verständnis der Adipositas.
Leptin ist ein Hormon, das primär in den Fettzellen synthetisiert wird. Der Begriff leitet sich vom griechischen Wort leptos für schlank ab. Der Leptinspiegel ist ein Maß für die Menge des gespeicherten Körperfettes. Leptin agiert als negative Rückkopplung im Bereich des Hypothalamus. Es verändert die Expression von verschiedenen neuroendokrinen Peptiden, die wiederum Einfluss auf die Kalorienzufuhr und den Verbrauch haben. Eine zentrale Leptinresistenz kann ein wesentlicher Grund für eine Adipositas sein. Erhöhte Leptinspiegel bei adipösen Patienten sind unabhängig von den Blutfettwerten, aber korrelieren stark mit dem BMI. Leptin hat einen direkten Effekt auf Monozyten, was zu einer Ausschüttung von Interleukin-1 Rezeptorantagonisten (IL-1RA) führt. Dieser Zytokinantagonist besitzt eine antiinflammatorische Wirkung. Obwohl sich durch eine Leptintherapie bei Patienten mit einem Leptinmangel gute Erfolge erzielen lassen, wird bei adipösen Patienten, die bereits hohe Leptinspiegel aufweisen, nur ein sehr begrenzter Effekt erzielt.
Klinisches Erscheinungsbild
Die morbide Adipositas ist ein Vorbote vieler weiterer Erkrankungen, die nahezu alle Organsysteme betreffen können:
- Kardiovaskuläre Erkrankungen (z.B. Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit, periphere arterielle Verschlusskrankheit, Herzinfarkt, Schlaganfall, chronisch venöse Insuffizienz, Thrombophlebitis, Lungenembolie)
- Pulmonale Erkrankungen (z.B. Asthma, obstruktives Schlafapnoesyndrom, alveoläre Hypoventilation)
- Metabolische Erkrankungen (z.B. Diabetes mellitus Typ 2, gestörte Glukosetoleranz, Hyperlipidämie)
- Erkrankungen des Bewegungsapparates (z.B. Rückenschmerzen, Bandscheibenvorfall, gewichtsbedingte Arthrose der Hüften, Knie, Sprunggelenke und Füße)
- Gastrointestinale Erkrankungen (z.B. Cholezystholithiasis, gastroösophagealer Reflux, Steatosis Hepatitis, Leberzirrhose, Leberzellkarzinom, kolorektales Karzinom)
- Urologische Erkrankungen (z.B. Stressinkontinenz)
- Endokrinologische Erkrankungen (z.B. Polyzystische Ovarien, erhöhtes Schwangerschaftsrisiko und fetale Missbildungen, männlicher Hypogonadismus)
- Karzinome des Endometriums, der Brust, des Ovars, der Prostata und des Pankreas
- Dermatologische Erkrankungen (z.B. Intertrigo, Dermatitis)
- Neurologische Erkrankungen (z.B. Pseudotumor cerebri, Karpaltunnelsyndrom)
- Psychiatrische Erkrankungen (z.B. Depressionen, Essstörungen, Körperbildstörungen)
Indikationen
Ein chirurgischer Eingriff bei Adipositas sollte als ultima ratio in Betracht gezogen werden, wenn Diät, Sport, psychologischer Betreuung und medikamentöser Therapie versagt haben.
Im Jahre 1991 wurden auf der National Institute of Health (NIH) Consensus Development Konferenz allgemeine Kriterien für die Indikation einer chirurgischen Therapie entwickelt. Hierzu gehört ein BMI über 40 kg/m2 oder eine BMI über 35 kg/m2 in Kombination mit weiteren Risikofaktoren wie einem Schlafapnoesyndrom, einem Pickwick-Syndrom, einem Diabetes mellitus, oder einer degenerativen Gelenkerkrankung.
Kontraindikationen
Zu den Kontraindikationen der Adipositaschirurgie gehören Erkrankungen, die die Lebenserwartung des Patienten reduzieren, oder welche mit hoher Wahrscheinlichkeit durch eine Gewichtsreduktion nicht verbessert werden können. Beispiele hierfür sind fortgeschrittene Tumorerkrankungen und terminale Nieren-, Leber- oder Herzerkrankungen.
Darüber hinaus ist bei Patienten, die nicht in der Lage sind, ihre Verhaltensmuster den postoperativen Erfordernissen anzupassen, die an einer Schizophrenie leiden, die drogenabhängig sind oder bereits in vorherigen Behandlungen durch mangelnde Compliance aufgefallen sind, eine Operation kontraindiziert.