Dresden – Vier oder mehr verschiedene Antihypertensiva, inklusive einem Diuretikum, und trotzdem noch Blutdruckwerte über 160/90 mmHg? Seit kurzem gibt es für solche Patienten mit therapierefraktärer arterieller Hypertonie mit der renalen Denervierung eine Möglichkeit, sie doch noch erfolgreich zu behandeln und so vor Endorganschäden, Herzinfarkt und Schlaganfall zu bewahren. Doch ist, wie die zunehmenden Praxiserfahrungen inzwischen zeigen, auch die Radiofrequenz-Ablation der renalen sympathischen Nervenfasern nicht für alle diese Patienten eine Lösung.
Bei der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) haben verschiedene Zentren ihre Erfahrungen mit der renalen Sympathikus-Denervierung präsentiert [1]. Danach sind rund ein Viertel bis ein Drittel der therapierefraktären Hypertoniker auch Non-Responder bei diesem Verfahren.
An der Klinik für Kardiologie der Zentralklinik Bad Berka sind z.B. zwischen November 2011 und November 2012 insgesamt 49 Patienten erfolgreich beidseitig an den Nierenarterien abladiert worden. Bei einem Patienten gelang aufgrund der Anatomie nur eine einseitige Verödung der renalen sympathischen Nerven. Insgesamt nahm im Kollektiv der Blutdruck von im Mittel 171/91 auf 153/86 mmHg ab. Während bei den Respondern der Blutdruck im Schnitt um 26/10 mmHg sank, waren 12 der Patienten (24%) Non-Responder – bei ihnen besserte sich der Blutdruck durch den Eingriff nicht. Vor dem Eingriff waren die Patienten im Schnitt mit 5 bis 6 blutdrucksenkenden Medikamenten behandelt worden.
Eingesetzt wurde in Bad Berka der Symplicity-Katheter des Unternehmens Medtronic. Mit diesem war auch die randomisierte kontrollierte SYMPLICITY-HTN-2-Studie erfolgt. Die Studie hatte mit 106 Patienten, von denen 52 eine Nierenarterien-Ablation erhielten, den Beweis für die Wirksamkeit des Verfahrens erbracht [2]. In der SYMPLICITY-HTN-2-Studie war eine Erfolgsrate von 84% berichtet worden. Als Response gewertet wurde damals eine Abnahme des Blutdrucks um mindestens 10 mmHg.
In der Gruppe mit renaler Denervierung hatte in der Studie der in der Praxis gemessene („Office“) Blutdruck um 32/12 mmHg abgenommen (Ausgangswert 178/96 mmHg, p<0·0001). Bei der Kontrollgruppe änderte sich dagegen nichts. Nach 6 Monaten unterschieden sich die mittleren Blutdruckwerte der Interventions- und der Kontrollgruppe um 33/11 mmHg (p<0·0001).
Antihypertensiva reduzieren klappt nur selten
Aufgrund der SYMPLICITY- sowie weiterer Register-Daten ist die Erwartungshaltung vieler Patienten (und Ärzte) hoch. Häufig hoffen sie, nach dem Eingriff die antihypertensive Therapie reduzieren oder sogar ganz darauf verzichten zu können. Doch diesen Erwartungen erteilte bei der DGK-Tagung in Dresden Dr. Hagen Schrötter, Oberarzt am Herzzentrum Dresden, eine klare Absage: „Response heißt noch lange nicht, dass sie dann auch bei ihren Medikamenten reduzieren können. Viele denken, danach kann ich ein paar Pillen weniger nehmen – das klappt aber in den wenigsten Fällen.“
Am Herzzentrum Dresden hat man ähnliche Erfahrungen gemacht wie in Bad Berka. „Die Zahlen gleichen sich“, betonte Schrötter: „Man kann davon ausgehen, dass rund ein Drittel bis ein Viertel der Patienten nicht von dem Eingriff profitiert.“ Diese hohe Rate – „bei uns ist es quasi jeder Dritte“ – „erschreckt uns immer wieder“, gibt Schrötter zu. „Die kommen nach drei oder sechs Monaten – und der Blutdruck hat sich gar nicht verändert, ist zum Teil sogar noch gestiegen.“
In Dresden sind zwischen 2011 und 2013 insgesamt 103 Patienten mit therapierefraktärer arterieller Hypertonie per renaler Sympathikus-Denervierung behandelt worden. Von 54 dieser Patienten gibt es ein 6-Monats-Follow-up. Ein Abfall des systolischen Blutdrucks um mindestens 10 mmHg wurde auch hier als Therapieerfolg gewertet.
Nach diesem Kriterium war der Eingriff bei 62% erfolgreich. Bei 18% konnten die Blutdrucksenker in der Dosis reduziert oder sogar ganz abgesetzt werden. Während sich bei den Respondern der Blutdruck sogar um im Schnitt 23/8 mmHg verringerte, zeigte sich bei den Non-Respondern tatsächlich überhaupt kein Effekt auf den Blutdruck, berichtete Dr. Silvan Francke, der die Daten in Dresden vorstellte. „Vielleicht sind dies ja die, die bei den Medikamenten nicht compliant sind“, mutmaßte er. Schwierig sei es natürlich, die Compliance der Patienten nach dem Eingriff zu prüfen. Schrötter: „Im Gespräch bekommt man es dann manchmal mit, wenn der Patient sagt: ‚Ich hab die Tabletten jetzt einfach mal weggelassen …“.
Ausgangsblutdruck als Prädiktor für den Therapieerfolg
Die Dresdner Arbeitsgruppe hat versucht, anhand ihrer Daten herauszufinden, ob es ein Kriterium gibt, das dazu beiträgt, den voraussichtlichen Therapieerfolg des Verfahrens im Einzelfall abzuschätzen. Frühere Studien, so Schrötter, hatten vermuten lassen, dass möglicherweise Hypertoniker mit Schlafapnoe-Syndrom besonders gut ansprechen. Im Dresdner Kollektiv ließ sich diese Annahme nicht bestätigen, berichtete Francke. Dies obwohl 80% der dort per renaler Sympathikus-Denervierung behandelten Hypertoniker ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom aufwies – bei jedem zweiten war es mittelschwer oder sogar schwer ausgeprägt. Auch beeinflussten weder Alter noch Geschlecht oder andere Komorbiditäten das Ansprechen.
Als einziger signifikanter Prädiktor des Therapieerfolgs stellte sich der Ausgangsblutdruck heraus. Der Grenzwert lag bei der Praxismessung bei einem systolischen Wert von 160 mmHg und in der ambulanten 24-Stunden Blutdruckmessung bei 155 mmHg. Tendenziell mit einem besseren Behandlungserfolg assoziiert waren eine höhere Anzahl von Ablationspunkten sowie ein rascher und markanter Abfall der Impedanz während der Prozedur.
Als Konsequenz aus den Ergebnissen unterstrich Schrötter, wie wichtig es sei, bei der Auswahl der Patienten für das Verfahren die Indikation zu beachten und tatsächlich nur therapierefraktäre Patienten mit Blutdruckwerten über diesen Grenzen einzuschließen. „Wir riskieren das Verfahren zu diskreditieren, wenn wir die Methode zu großzügig einsetzen. Je niedriger der Ausgangsblutdruck der Patienten, umso weniger profitieren sie davon!“
Hinweise darauf, dass die Erfolge mit der renalen sympathischen Denervierung möglicherweise tatsächlich nicht so ausgeprägt sind wie erwartet, hat auch noch eine weitere, allerdings kleine in Dresden vorgestellte Analyse aus dem Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen ergeben. 38 Patienten sind dort behandelt worden. Während sowohl die Praxismessungen als auch die Eigenmessungen der Patienten nach dem Eingriff eine ausgeprägte und signifikante Blutdrucksenkung ergaben, ließ sich diese in den ambulanten 24-Stunden-Blutdruckmessung nicht bestätigen, berichtete Dr. Gerryansjah Fischer von der Arbeitsgruppe bei der DGK-Tagung. So zeigte die Langzeitmessung keine signifikante Besserung des Blutdrucks weder 6 noch 12 Monate nach der Ablation.
In der SYMPLICITY-HTN-2-Studie ist der Therapieerfolg ebenfalls nur per Praxismessung bewertet worden. Dies wurde in der Vergangenheit auch immer wieder kritisiert. Seit September 2011 läuft nun die SYMPLICITY-HTN-3-Studie mit mehr als 500 Patienten [(3]. Sie hat als sekundären Endpunkt auch die Veränderung im 24-Stunden-Langzeit-Blutdruck. SYMPLICITY-HTN-3 wird allerdings erst im Januar 2014 abgeschlossen sein.