Nürnberg – Ein langer Krankenhausaufenthalt ist ein eindeutiger Risikofaktor für Infektionen durch den nosokomialen Keim Clostridium difficile: Nach einer Woche in der Klinik lassen sich bei etwa 20% der erwachsenen Patienten und nach 2 Wochen bereits bei bis zu 40% von ihnen diese bakteriellen Erreger im Blut nachweisen. PD Dr. Christoph Jochum, Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie am Universitätsklinikum Essen, wies auf der Tagung Viszeralmedizin 2013 in Nürnberg darauf hin, dass seit der Jahrtausendwende zudem eine erhebliche Zunahme der Infektionsraten zu verzeichnen ist.
Der Keim ist weit verbreitet. Clostridium difficile lässt sich im Boden, im Darm von Tieren und Menschen, im Oberflächenwasser sowie an vielen weiteren Orten nachweisen. Sehr häufig – etwa zu 80% – ist er bei Säuglingen und Kleinkindern im Darm zu finden und verschwindet im Erwachsenenalter nahezu vollständig.
Zum gesundheitlichen Problem kann das Bakterium für erwachsene Patienten aber dann wieder werden, wenn sie in ein Krankenhaus aufgenommen werden. „Seit 2003 sehen wir eine Zunahme der Erkrankungszahlen und der Schwere der Erkrankung. In Kanada wird einem Stamm 027 berichtet, der sich durch eine Hyperpopulation, durch eine überschießende Toxinproduktion und eine Resistenz gegen Fluoroquinolone auszeichnet“, berichtete Jochum in Nürnberg.
Extrem widerstandsfähige Sporen
Mikrobiologisch handelt es sich bei Clostridium difficile um ein obligat anaerob wachsendes, grampositives Stäbchenbakterium mit der Fähigkeit zur Bildung aerotoleranter Sporen. Als Pathogen wurde es erst 1978 charakterisiert, obwohl es bereits 1935 erstmals als Bestandteil der gesunden Darmflora von Säuglingen beschrieben worden war.
Die Sporen des Bakteriums sind extrem widerstandsfähig, u.a. sind sie resistent gegen Säure oder Hitze. Das stellt besondere Anforderungen an die Hygiene, verdeutlichte Jochum: „Die Sporen können Jahre in der Umwelt überdauern.“ Dazu stellt das Bakterium seinen Lebenszyklus ganz auf die Umweltbedingungen ein: Unter günstigen Konditionen entwickelt sich aus einer Spore die vegetative Form, die, sobald die Nahrung knapp wird oder Umweltstress auftritt, eine Endospore bildet.
„Clostridium difficile ist im klinischen Alltag vor allen Dingen dann ein Problem, wenn es eine Clostridien-Colitis, eine ausgeprägte Form der pseudomembranösen Kolitis, hervorruft“, sagte Jochum. Im klinischen Umfeld ist die Wahrscheinlichkeit nicht ganz gering. In Deutschland ist das Risiko für eine nosokomiale Infektion durch Clostridium difficile (CDI) doppelt so hoch wie das für eine MRSA-Infektion.
„Die Inzidenz“, so berichtete der Gastroenterologe, „beträgt zur Zeit 6 bis 7,4 Fälle pro 10.000 Patiententage. CDI ist in Deutschland die vierthäufigste nosokomiale Infektion bei steigender Inzidenz. In den vergangenen Jahren scheint sich diese Entwicklung ein wenig zu verlangsamen. Möglicherweise spielt hier auch eine Veränderung im Verschreibungsverhalten von Antibiotika eine Rolle.“
komiale Infektion bei steigender Inzidenz.“
Den Infektionsweg beschrieb Jochum in Nürnberg als „fäkal-oral“. Sporen oder vegetative Zellen werden aufgenommen. Im Magen werden die meisten infektiösen Zellen zwar abgetötet, die Sporen überleben aber die Passage durch den oberen Verdauungstrakt. Im Dünndarm fangen sie an zu keimen und wandern dann ins Kolon ein. Dort können sie sich, vor allem wenn die bakterielle Konkurrenz geschwächt ist, an die Darmschleimhaut anheften und dort eine Entzündung hervorrufen.
Eine wichtige Rolle spielen dabei das Enterotoxin A und das Zytotoxin B, denn die Freisetzung dieser Toxine führt letztendlich zur Entzündung der Kolonschleimhaut. In den meisten Fällen geht dieser Entwicklung eine Beeinträchtigung der Mikroflora des Kolons durch eine Antibiotika-Therapie voraus.
Alte Patienten sind mehr gefährdet als jüngere
Die Manifestation der CDI kann dabei sehr unterschiedlich ausfallen, von der asymptomatischen Kolonisation bis zur fulminanten Kolitis. Wie Jochum erklärte, wird die Erkrankungsschwere recht simpel eingeteilt: „Es gibt milde/moderate Fälle, die durch einen wässerigen Durchfall mit dem charakteristischen fauligen Geruch gekennzeichnet sind.“ Bei einem schweren Verlauf käme zu den genannten Symptomen mindestens noch ein weiteres Symptom hinzu, wie zum Beispiel Fieber, hämodynamische Instabilität, eine Leukozytose mit Linksverschiebung oder auch Nierenversagen.
„Bei der Inzidenz gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen dem Alter der Patienten und Infektion und Mortalität. Patienten über 90 Jahre haben eine CDI-Rate von 74,4 pro 10.000 Krankenhausaufnahmen und eine Mortalitätsrate bis zum Tag 30 von 14%. Bei jüngeren Patienten unter 50 oder unter 40 Jahren ist das deutlich weniger“, verdeutlichte Jochum das Problem.
Nicht zuletzt haben immungeschwächte Patienten allgemein ein erhöhtes Risiko, eine CDI zu erleiden. Das gilt beispielsweise für Patienten unter einer immunsuppressiven medikamentösen Therapie oder Patienten mit einer HIV-Infektion. Aber auch eine antibakterielle Behandlung innerhalb der vorangegangenen 3 Monate und jeder Einsatz multipler Antibiotika, eine Magensonde, gastrointestinale Chirurgie und schließlich die auf Intensivstationen häufig eingesetzte Säureblockade mittels Protonenpumpeninhibitor (PPI) können weitere Risikofaktoren sein.
Problematisch für die betroffenen Patienten ist die hohe Rückfallquote nach CDI: „Ein Viertel der Patienten, die einmal eine CDI hatten, erlebt einen Rückfall. Diese Patienten haben wiederum ein 65-prozentiges Risiko für eine dritte Episode“, sagte Jochum. Die Risikofaktoren für einen Rückfall sind dabei die gleichen wie für eine schwere CDI. „Das ist ein Hinweis, dass diese Patienten unserer besonderen Fürsorge bedürfen“, mahnte Jochum.
Seit Anfang des Jahres gibt es ein neues Medikament
In der Therapie hat sich einiges getan: „Entscheidend ist am Anfang, zumindest bei den leichten Verläufen, die etwa ein Viertel der Fälle ausmachen, das Absetzen der Antibiotika“, so Jochum. Eine Indikation zur antibiotischen Therapie bleibt bei schwerer oder fortbestehender Symptomatik bei entsprechenden Risikopatienten allerdings bestehen, ebenso wenn die antibiotische Behandlung aus anderen Gründen fortgesetzt werden muss.
ein makrozyklisches Antibiotikum, das bakterizid gegen Clostridium difficile
in vitro wirkt.“
Therapiestandard sei derzeit noch Metronidazol, das 3 x 500 mg oral oder i.v. gegeben wird. Alternativ steht auch Vancomycin 4 x 125 mg oral zur Verfügung. Bei schwerem Infektionsverlauf ist wieder Metronidazol die Therapie der Wahl, Vancomycin bei schwerem Verlauf bei Schwangeren oder Kindern unter 10 Jahren. Besteht Lebensgefahr, müsse gegebenenfalls eine Kolektomie in Betracht gezogen werden. Die antibiotische Behandlung dauert ca. 10 Tage, wobei die Kontrolle klinisch erfolgt, d.h. das Sistieren der Durchfälle ist der Erfolgsnachweis. „Eine mikrobiologische Kontrolle ist hier nicht indiziert“, sagte Jochum.
Die Ansprechraten auf Vancomycin liegen bei milden und schweren Infektionen zwischen 97 und 98% – je nach Studie. Bei Metronidazol sieht das v.a. bei schweren Infektionen schlechter aus. Das Rückfallrisiko ist für beide Wirkstoffe mit 20 bis 25% nahezu identisch.
Seit Anfang des Jahres ist ein neues Medikament zur Behandlung der CDI zugelassen, wusste Jochum noch zu berichten: „Bei Fidaxomicin handelt es sich um ein makrozyklisches Antibiotikum, das bakterizid gegen Clostridium difficile in vitro wirkt.“ Seine Wirkung entfaltet der neue Wirkstoff über die Hemmung der RNA-Synthese und -Polymerase. Die initialen Heilungschancen sind ähnlich wie bei Vancomycin, das hätten die Zulassungsstudien gezeigt. Der entscheidende Unterschied liegt in den Rezidivraten: Bei Fidaxomicin liegen sie bei 12 bis 15%, bei Vancomycin bei 26%.