Die menschliche Haut ist schützende Hülle, Wächter des Immunsystems, Temperaturregulator, Sinnesorgan, Kommunikationsmittel und Vitamin-D-Lieferant zugleich. Sie kann jedoch noch mehr: Sie produziert auch Hormone. Diese Erkenntnis ist relativ neu. Verglichen mit endokrinen Drüsen wie Schilddrüse oder Nebenniere handelt es sich zwar um geringe Mengen, allerdings interessieren sich die Dermatologen immer mehr für die Haut als ein Organ mit komplexen endokrinen Eigenschaften. Ob Akne oder Alterung – die Fächer Dermatologie und Endokrinologie treffen hier aufeinander.

Medscape Deutschland sprach mit Prof. Dr. Christos C. Zouboulis, Chefarzt der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie und des Immunologischen Zentrums des Städtischen Klinikums in Dessau, über die Wechselwirkung von Haut und Hormonen und über die Akne – eine der häufigsten dermatologischen Erkrankungen.
Medscape Deutschland: Es gibt eine neue Disziplin, die Dermato-Endokrinologie. Welche Erkenntnisse sind der Anlass, dass Haut- und Hormonexperten nunmehr gemeinsam forschen?
Prof. Zouboulis: Es sind bahnbrechende Kenntnisse über die komplexen endokrinen Eigenschaften der menschlichen Haut, die in jüngster Zeit das Interesse der Dermatologen an der Endokrinologie geweckt haben. Unter anderem wurde festgestellt, dass ca. 30 verschiedene Hormone und Hormongruppen in den Zellen der Haut und des Unterhautfettgewebes aktiv sind.
Das Spezialgebiet der Dermato-Endokrinologie ist inzwischen in die dermatologische Weiterbildungsordnung durch die Deutsche Dermatologische Gesellschaft aufgenommen worden; es hat wichtige Impulse gegeben und die Dynamik der Dermato-Endokrinologie innerhalb der Dermatologie unterstrichen. Kaum ein Spezialgebiet des Faches hat in den letzten Jahren eine solche positive Entwicklung erfahren.
Medscape Deutschland: Wie beeinflussen sich Haut und Hormone wechselseitig?
Prof. Zouboulis: Hormone spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und der physiologischen Funktion der menschlichen Haut. Humane Hautzellen besitzen hormonspezifische Rezeptoren und sind Ziele mehrerer Hormone mit bekannten Wirkungen. Aus der Sicht der modernen Endokrinologie wird allerdings die Haut nicht nur als Empfänger von Signalen entfernter Drüsen betrachtet. Sie produziert auch selbst Hormone.
Hautzellen halten die gesamten biochemischen Möglichkeiten zur Produktion von Glukokortikoiden, Androgenen und Östrogenen vor – entweder aus systemischen Vorstufen oder alternativ durch die Umwandlung von Cholesterin in das Prohormon Pregnenolon und dessen anschließende Umwandlung in biologisch aktive Steroide. Beispiele hierfür sind Cortisol, Testosteron und Östradiol.
Medscape Deutschland: Würde die Haut damit auch die klassische Definition eines endokrinen Organs erfüllen?
Prof. Zouboulis: Da die Haut auch eine organisierte Zellgemeinde ist, in der Zellen und Organellen molekulare Signale mit endokriner Funktion an die übrigen Körperorgane senden, erfüllt sie auch die klassische Definition eines endokrinen Organs, ja. Damit ist die Haut – mit ihrem Gewicht von etwa fünf Kilogramm und einer Fläche von rund zwei Quadratmetern – sogar das größte endokrine Organ des Menschen.
Medscape Deutschland: Auf diesem größten Organ tobt sich eine der häufigsten dermatologischen Erkrankung aus, bei der die Hormonproduktion eine entscheidenden Anteil hat, die Akne.
Prof. Zouboulis: Stimmt, viele weitere Hautkrankheiten werden aber ebenfalls entscheidend von Hormonen beeinflusst, zum Beispiel Fibrome, Lipome, Striae distensae, Venenthrombosen, Beinulzera, Craurosis vulvae, Vitiligo, Hauthyperpigmentierung, Onycholyse und möglicherweise sogar die Schuppenflechte.
Für die Akne haben klinische und experimentelle Studien gezeigt, dass Androgene eine
wesentliche Rolle bei der Pathogenese spielen. Die durch Akne befallene Haut besitzt eine höhere Androgenrezeptordichte und höhere 5α-Reduktase-Aktivität als die gesunde Haut. Das heißt: Die meisten Aknepatienten weisen keine erhöhten Androgenblutspiegel auf, stattdessen zeigen Talgdrüsenzellen aus Akneregionen eine höhere Ansprechbarkeit auf Androgene als Talgdrüsenzellen aus anderen Körperarealen.
An der Entstehung der Erkrankung können ebenfalls hormonwirksame Lipide, Neuropeptide und Umweltproteine – Hormone in der Nahrung – beteiligt sein. Diese Faktoren unterbrechen den natürlichen zyklischen Prozess im Talgdrüsenfollikel und unterstützen den Übergang von Mikrokomedonen zu Komedonen und den klinisch entzündlichen Effloreszenzen. Bakterielle Antigene können die entzündlichen Phänomene verstärken.
Medscape Deutschland: Ist das in jedem Lebensalter so?
sierten Aknetherapie und zum besseren Einsatz bereits bekannter Medikamente.“
Prof. Zouboulis: Hormone spielen in jedem Alter eine wichtige, abhängig vom Alter allerdings unterschiedliche Rolle. Akne entwickelt sich schon während der Adrenarche, und zwar mit Beginn der Synthesesteigerung von DHEA-S, dem Vorstoff von Testosteron. Betroffen sind zu dem Zeitpunkt ungefähr 3 Prozent der Mädchen. Mit Beginn der Pubertät sind bis zum 25. Lebensjahr 70 bis 94 Prozent beider Geschlechter betroffen, bis zum 34. Lebensjahr etwa 8 Prozent und 3 Prozent bis zum 44 Lebensjahr. Im Alter von 40 Jahren sind fünfmal so viele Frauen betroffen wie Männer.
Medscape Deutschland: Was folgt daraus für die Therapie dieser klinisch doch sehr variierenden Erkrankung? Gibt es neue Konzepte?
Prof. Zouboulis: Die neuen Erkenntnisse führen zu einer individualisierten Aknetherapie und zum besseren Einsatz bereits bekannter Medikamente, einschließlich derer mit Antiandrogenen, oder Medikamenten mit Hormon-ähnlicher Wirkung. Viele neue Substanzen befinden sich in der Erprobungsphase.
Medscape Deutschland: Bei manchen Frauen endet erst mit der Menopause und einer Hormonersatztherapie auch die Problemhaut bzw. Tendenz zur Akne. Was könnte diesen Frauen deutlich früher helfen?
Prof. Zouboulis: Die genaue Überprüfung der individuellen Pathophysiologie der Erkrankung und eine geeignete Therapie. Das setzt allerdings voraus, dass Patientin und Arzt die Spätakne als Erkrankung ernst nehmen und nicht als kosmetisches Problem betrachten. Hier kann ein endokrinologisch ausgebildeter Hautarzt eine wichtige Rolle spielen.
Medscape Deutschland: Herr Professor Zouboulis, vielen Dank für das Gespräch.