TAVI-Patentstreit: Medtronic darf CoreValve-Aortenklappe vorerst nicht mehr verkaufen

Axel Viola | 30. August 2013

Autoren und Interessenkonflikte

„Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“ – so sagt man, aber ob sich der Dritte im vorliegenden Fall freuen kann und wird, bleibt offen: Es ist der Patient. In einem Patentrechtsstreit zwischen Edwards Lifesciences und Medtronic hat das Landgericht Mannheim am 12. Juli dieses Jahres eine einstweilige Verfügung erlassen. Die Verfügung untersagt Medtronic den weiteren Verkauf seiner Transkatheter-Aortenklappen CoreValve und CoreValve Evolut in Deutschland.

 
„Die Verfügbarkeit von zwei vollständig unterschiedlichen Prothesentypen –
der eine selbstexpan-dierend, der andere via Ballon – ermöglicht einer großen Zahl Patienten eine weniger invasive Behandlung über einen transfemoralen Zugang.“
Dr. Nikolaus Sarafoff,
Prof. Dr. Julinda Mehilli
 

Hintergrund ist der Vorwurf von Edwards Lifesciences, Hersteller der Transkatheter-Aortenklappe Sapien XT, Medtronic verletze Patentrechte des Unternehmens. Wie Edwards Lifesciences in einer Pressemitteilung bekannt gibt, habe es „nun die Kaution hinterlegt, die zur Einleitung einer einstweiligen Verfügung erforderlich ist“ [1]. Der vorläufige Verkaufsstopp sei somit am 26. August in Kraft getreten. Über den Verkaufsstopp hinaus habe das Gericht, so schreibt Edwards Lifesciences, einen Rückruf der CoreValve-Produkte verfügt.

In Sonderfällen darf die Aortenklappe eingesetzt werden

Dieser letzten Aussage widerspricht eine anderslautende Mitteilung von Medtronic, die Medscape Deutschland vorliegt [2]. Dort heißt es, CoreValve-Systeme, die sich bereits im Besitz von Kliniken befinden, dürften weiter verwendet werden. Beide Unternehmen weisen gleichermaßen darauf hin, dass in Ausnahmefällen, z.B. wenn Patienten aus medizinischen Erwägungen nicht mit anderen kommerziell verfügbaren Aortenklappen versorgt werden können, dennoch CoreValve-Klappen eingesetzt werden dürfen.

„Edwards stellt die Bedürfnisse der Patienten an erste Stelle und hat Vorbereitungen getroffen, damit alle Patienten in Deutschland die Möglichkeit haben, den erforderlichen sofortigen Zugang zur lebensrettenden Transkatheter-Therapie zu erhalten“, teilt das Unternehmen mit. Für solche Sonderfälle, etwa 40 im Monat, werde Edwards keine Entschädigungszahlung fordern.

„Die Patientengesundheit darf nicht gefährdet werden“

Die von Edwards Lifesciences zugestandene Ausnahmeregelung wird sowohl von Dr. Nikolaus Sarafoff als auch von Prof. Dr. Julinda Mehilli, beide am Klinikum der Universität München, Campus Großhadern, begrüßt, wie sie in einer gemeinsamen E-Mail an Medscape Deutschland schreiben. Die betroffenen Patienten seien eine heterogene Population, die sich sowohl in der Ausprägung der erkrankten Aortenklappen unterschieden als auch in der Art des Zugangs, über den die Aortenklappe implantiert werden könne. „Die Verfügbarkeit von zwei vollständig unterschiedlichen Prothesentypen – der eine selbstexpandierend, der andere via Ballon – ermöglicht einer großen Zahl Patienten eine weniger invasive Behandlung über einen transfemoralen Zugang“, schreiben Sarafoff und Mehilli.

Im Einzelnen sind dies Patienten mit einem wenig oder gar nicht kalzifizierten Aortenklappensegel; Patienten mit einem großen Aortenanulus, aber kleinen Femoralarterien; Patienten mit bestimmten Formen degenerierter Bioprothesen und solche mit einer stark eingeschränkten linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF). Diese Patienten sind „bevorzugte Kandidaten für selbstexpandierende Prothesensysteme wie CoreValve“, erläutern die beiden Kardiologen.

Allerdings befürchten sie, dass die Zahl der CoreValve-Implantationen zurückgehen werde, bis das Gerichtsverfahren endgültig abgeschlossen sei: „Unserer Meinung nach ist es sehr wichtig, dass die Patientengesundheit nicht unter dieser juristischen Auseinandersetzung Schaden nimmt und die Ärzte an den Kliniken diese Klappen weiterhin nutzen dürfen, wenn es die bestmögliche Therapie für den Patienten darstellt“ [3].

Die einstweilige Verfügung gilt nur für Deutschland. Medtronic hat bekannt gegeben, dass das Unternehmen gegen den Beschluss des Landgerichts Mannheim in Berufung gehen wird. Außerdem stelle es gemeinsam mit anderen Unternehmen die Gültigkeit der Patentrechte in Frage und habe beim European Patent Office (EPO) eine Überprüfung beantragt.

Die Entscheidung des Landgerichts bezieht sich auf das Spenser-Patent EP 2 055 266 B1.

Referenzen

Referenzen

  1. Edwards Liefesciences SA: Pressemitteilung vom 26.8.2013
    http://www.edwards.com/de/NewsRoom/Pages/ShowPR.aspx?PageGuid={549753fa-e928-4774-b520-3f9d25d6fa80}    
  2. Günther S, Medtronic GmbH, Mitteilung per E-Mail vom 27.8.2013
  3. Wood SM: heart.org vom 27.08.2013
    http://www.theheart.org/article/1574291.do

Autoren und Interessenkonflikte

Axel Viola
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Sarafoff N, Mehilli J: Es liegen keine Erklärungen zu Interessenkonflikten vor.

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