Thromboembolien unter oralen Kontrazeptiva sind tatsächlich eine seltene Nebenwirkung [1]. Macht das hierzulande einen neuen Test überflüssig, der den Nutzerinnen der Verhütungspille helfen soll, ihr individuelles Thromboserisiko zu bestimmen? Denn jetzt hat das Unternehmen humatrix AG aus Pfungstadt unter dem Namen „Therapiesicherheit Kontrazeptiva“ einen DNA-Test auf den Markt gebracht, mit dem die Faktor-V-Leiden-Mutation aufgedeckt werden kann [2].
Frauen mit dieser genetischen Gerinnungsstörung haben bekanntlich ein gegenüber dem Durchschnitt der Bevölkerung erhöhtes Risiko, Thrombosen und Thromboembolien zu entwickeln. Eine Punktmutation im Gen des Gerinnungsfaktors V macht diesen resistent gegen den Abbau durch aktiviertes Protein C. Diese APC-Resistenz, die auch andere Ursachen haben kann, wurde erst 1993 entdeckt.
Häufige Gerinnungsstörung könnte unter der Pille das Thromboserisiko erhöhen
Laut der Deutschen Liga zur Bekämpfung von Gefäßstörungen e.V. gilt sie als die häufigste thrombophile Gerinnungsstörung [3]. Und in über 90% der Fälle wiederum beruht die APC-Resistenz auf der Faktor-V-Leiden-Mutation. Ihre Prävalenz ist hoch, 5 bis 8% der Bevölkerung weisen diese Mutation auf. Bei heterozygoten Defektträgern ist das Thromboembolie-Risiko um das Achtfache erhöht, bei homozygoten sogar um bis zu das 90-fache.
Orale Kontrazeptiva bringen ihrerseits eine Erhöhung des Thromboserisikos mit sich. Dieses Risiko ist seit langem bekannt. Vor allem kombinierte orale Kontrazeptiva der neueren dritten und vierten Pillen-Generationen erhöhen das Risiko einer venösen Thromboembolie, so das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) [4]. Die modernen Pillen enthalten nur noch wenig Estrogen (weniger als 50 µg Ethinylestradiol pro Tablette). Das Thromboembolie-Risiko ist bei diesen Kontrazeptiva vom Gestagenanteil beeinflusst.
Wird sie gründlich vorgenommen, ist das Risiko einer Thrombose nach Kontrazeptiva schon sehr minimiert.“
Während in Pillen der zweiten Generation Levonorgestrel enthalten ist, sind es in den Kontrazeptiva der Folgegenerationen die Gestagene Drospirenon, Desogestrel oder Gestoden. Diese haben den Vorteil der selteneren Gewichtszunahme und sie lösen weniger Akne aus. Der Nachteil: Mehrere epidemiologische Studien haben ergeben, dass das Risiko für die Entwicklung einer venösen Thromboembolie bei 40 Fällen pro 100.000 Frauenjahren liegt und damit doppelt so hoch ist wie unter den älteren Kontrazeptiva (20 Fälle pro 100.000 Frauenjahre) und schließlich fünfmal so hoch wie bei Frauen, die keine oralen Kontrazeptiva nehmen (5 bis 10 Fälle pro 100.000 Frauenjahre), so das BfArM.
Bei Frauen mit Faktor-V-Leiden-Mutation könnte unter der Antibabypille das Thromboserisiko also kumulativ steigen. Allerdings ist das Problem von den einschlägigen Expertengremien noch nicht adressiert worden. Denn weder die Gefäßliga noch das BfArM geben allgemeine Empfehlungen, wie damit umzugehen ist. Dazu sei die internationale Studienlage noch zu „dünn“, so die Liga.
Wichtig ist eine richtige Anamnese
Allerdings scheinen Frauen hierzulande ohnehin eher gut überwacht zu sein, was die Nebenwirkungen einer hormonellen Antikonzeption angeht: „Das Geheimnis der niedrigen deutschen Thromboseereignisse“ sei eine gute Anamnese, so Dr. Christian Albring aus München, der Vorsitzende des Berufsverbandes der Frauenärzte e.V. (BVF), gegenüber Medscape Deutschland. „Seit über 30 Jahren weist der BVF darauf hin, dass schon die Anamnese entscheidend ist. Wird sie gründlich vorgenommen, ist das Risiko einer Thrombose nach Kontrazeptiva schon sehr minimiert.“
Ein weiterer Grund, weshalb Deutschland im internationalen Vergleich hier so gut dastehe, sei, dass Kontrazeptiva hierzulande fast ausschließlich zumindest primär vom Frauenarzt verordnet würden. In anderen Ländern seien es dagegen Hausärzte oder andere Ärzte. Liefert die Anamnese den geringsten Verdacht auf eine Thrombophilie, muss weiter nach möglichen Risiken gefahndet und müssen Labortests veranlasst werden. Üblicherweise sind das der PTT und der Quick-Test.
Braucht „frau“ dann noch den neuen DNA-Test, der über alle deutschen Apotheken vertrieben wird, für einen empfohlenen Verkaufspreis von 80,44 Euro? Er muss nur einmal gemacht werden, dann weiß man, ob die Mutation vorliegt oder nicht. „Der Test ist so ausgelegt, dass der Arzt oder die Ärztin eine Blutprobe entnimmt und diese zur Laboranalyse an uns einsendet“, beschreibt Reiner Merz, Pressesprecher von humatrix, das Vorgehen. „Innerhalb weniger Tage liegt das Analyseergebnis vor und kann dann im persönlichen Gespräch ausführlich erörtert werden.“
Der neue Test kommt in einer Zeit höchster Beunruhigung gerade zur richtigen Zeit auf den Markt. Denn die Risiken der hormonellen Kontrazeption insbesondere im Hinblick auf das Gerinnungssystem sind nicht zuletzt wegen der in Frankreich vom Markt genommenen Hormonpille Diane® in diesem Jahr in allen Medien ausführlich diskutiert worden. Auf Internetplattformen wie „Risiko Pille“ berichten Frauen von ihren schlimmen Erfahrungen [5].
Das Unternehmen wende sich zwar in erster Linie an Ärzte und Apotheker, habe aber auch die Endkundin und Patientin im Blick, so Merz. Das bedeutet im Klartext: Der neue Test wird auch bei den Frauen, die die Pille einnehmen, beworben. Der Test ist nicht verschreibungspflichtig. Jede Frau kann ihn also selbst in der Apotheke kaufen und muss ihn auch bezahlen. Anwenden darf sie ihn gleichwohl nicht allein, dies muss gemeinsam mit einem Arzt gemacht werden.
IGeL oder herkömmliches Labor auf Kassenkosten?
Es ist also zu erwarten, dass Patientinnen mit diesem Test in der Praxis auftauchen. Dann ist das Beste, der Patientin nachzugeben. Immerhin hat sie für das Testset bereits bezahlt. Aber direkt empfehlen? Das bleibt jedem Arzt selbst überlassen. Wer gerne IGeLt, hat hier eine interessante Ergänzung seines Angebots.
Albring allerdings ist nicht ganz so überzeugt. Der BVF-Vorsitzende meint, die bisher üblichen Labortests reichten durchaus aus und brächten die entscheidenden Infos, die zu einer Nichtverordnung von oralen Kontrazeptiva führen. „Im Zweifel verordnen wir die Intrauterinspirale, die ohne Nebenwirkungen ist.“
Außerdem: Beim neuen DNA-Test kommt zum Apothekenpreis noch eine privatärztliche Rechnung. „Die jetzigen Laborleistungen aber sind Kassensache“, so Albring. „Das heißt, das kostet die Patientin nichts.“