No sports! – ARVD/C-Genvariante steigert kardiales Risiko bei körperlicher Anstrengung

Dr. Susanne Heinzl | 13. August 2013

Autoren und Interessenkonflikte

Sportliche Aktivitäten erhöhen bei Trägern desmosomaler Mutationen das Risiko für ventrikuläre Arrhythmien und für die Entstehung einer Herzinsuffizienz. Dies ergab eine Studie des ARVD/C-Zentrums an der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore, die online im JACC publiziert worden ist [1].

Die Arbeit mache eindrucksvoll klar, dass auch asymptomatische Träger dieser desmosomalen Mutation bereits vermehrt die Auswirkungen zu fürchten hätten, die diese genetische Disposition für das Myokard bedeutet, erläutert Dr. Nikolaus Sarafoff, Oberarzt in der kardiologischen Abteilung der Medizinischen Klinik und Poliklinik des Klinikums der Universität München.

Die arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie/Kardiomyopathie (ARVD/C) ist eine meist autosomal-dominant erbliche Kardiomyopathie. Die Prävalenz liegt bei 1 zu 1.000 in der Allgemeinbevölkerung. Männer sind von dieser Genvariante etwa doppelt so häufig betroffen wie Frauen [2].
Die zugrunde liegende Mutation manifestiert sich vor allem an den desmosomalen Proteinen, daher wird die ARVD/C auch als Erkrankung des Desmosoms bezeichnet. Desmosomen sind Adhäsionskomplexe, die die mechanische Verbindung zwischen den einzelnen Myozyten bilden. Durch die Veränderungen innerhalb der Zell-Zell-Kontakte wird das myokardiale Gefüge destabilisiert, und zwar vor allem dann, wenn es vermehrt mechanischer Belastung ausgesetzt ist, beispielsweise beim Sport.

Dürfen klinisch gesunde Mutationsträger Sport treiben?

Was man bereits wusste, war die ungünstige Auswirkung von Sport auf bereits manifest erkrankte Genträger. Weil sich bei ARVD/C-Patienten durch körperliche Anstrengung das Risiko für einen plötzlichen Herztod um etwa das Fünffache erhöht, wird diesen Patienten empfohlen, sportliche Aktivitäten zu vermeiden. Sport treibt die Erkrankung bei diesen Patienten voran und es kommt vermehrt zu ventrikulären Tachykardien, erläutert der Münchner Kardiologe.

Unklar war bislang jedoch, welches Risiko klinisch gesunde Träger der Mutation haben. Daher untersuchte eine Arbeitsgruppe um Dr. Hugh Calkins, dem Leiter des ARVD/C-Programms an der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore (Maryland, USA), wie sich sportliche Aktivitäten bei klinisch gesunden Trägern der Mutation auswirken. Aus dem ARVD/C-Register der Klinik wurden 134 Träger der Mutation eingeladen, an der Untersuchung teilzunehmen. Hiervon wurden 87 Personen, davon 46 Männer, aus 51 Familien in die Studie aufgenommen und in strukturierten Interviews befragt.

64% der Studienteilnehmer (56/87) hatten Ausdauersport betrieben, vor allem Lang- und Mittelstreckenlauf, Basketball, Fußball und Schwimmen. Mit diesen sportlichen Aktivitäten hatten die Studienteilnehmer im Durchschnitt im Alter von 14 Jahren begonnen. Die Sportler entwickelten im Vergleich zu den Nicht-Sportlern bereits in jüngerem Lebensalter Symptome der ARVD/C (30,1 ± 13,0 vs. 40,6 ± 21,1 Jahre, p=0,05), sie hatten häufiger eine diagnostisch bestätigte ARVD/C bei der letzten Untersuchung (82% vs. 35%, p<0,001) und litten häufiger unter ventrikulären Arrhythmien (p=0,013) und Herzinsuffizienz (p = 0,004). Und: Es gab offenbar eine „Dosis“-Wirkungsbeziehung, denn das Risiko für eine manifeste Herzerkrankung nahm mit der Intensität der sportlichen Aktivitäten zu.

Damit konnte zum ersten Mal nachgewiesen werden, dass sportliche Aktivitäten bei Menschen, die zwar klinisch gesund, aber Träger desmosomaler Mutationen sind, das Risiko für ventrikuläre Arrhythmien und für die Entstehung einer Herzinsuffizienz steigern. „Diese Daten in Kombination mit unserer Erfahrung über 15 Jahre als Referenzzentrum für ARVD/C-Patienten erlauben uns die Schlussfolgerung, dass eine Einschränkung häufiger und anhaltender körperlicher Aktivitäten für diese Patienten sinnvoll ist“, so das Fazit der Autoren.

Prospektive Untersuchungen erforderlich

Sarafoff ergänzte: „Bei der Interpretation der Daten ist jedoch zu beachten, dass die vorliegende Arbeit auf Anamnesen beruhen, die zudem retrospektiv erhoben wurden, und dass diese Methode natürlich, wie die Autoren auch schreiben, mit vielen Limitationen verbunden ist. Weitere prospektive Daten sind deswegen in so einem Kollektiv erforderlich.“

Auch Prof. Dr. Wilhelm Haverkamp, kommissarischer Klinikdirektor der Medizinische Klinik m. S. Kardiologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, meint, dass die Daten gut zu den experimentellen Befunden passen. Leistungssport sei für solche Menschen aber schon derzeit wegen der Rhythmusstörungen nicht sinnvoll. Haverkamp fordert ebenfalls, dass die Daten durch größere Serien untermauert werden müssen.

Referenzen

Referenzen

  1. James CA, et al: J Amer Coll Cardiol (online) 17. Juli 2013;
    http://dx.doi.org/10.1016/j.jacc.2013.06.033
  2. Sasguner AM, et al: Cardiovasc Med. 2011;14:303-314.
    http://www.cardiovascmed.ch/docs/2011/2011-11/2011-11-057.PDF

Autoren und Interessenkonflikte

Dr. Susanne Heinzl
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Haverkamp W, Sarafoff N: Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

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