Nicht immer, aber immer öfter kann Ultraschall strahlenbelastete Verfahren wie Röntgen und Computertomografie oder auch die teure Magnetresonanztomografie ersetzen. Denn die Sonografie ist in den letzten Jahren viel aussagekräftiger geworden, immer feinere Strukturen lassen sich darstellen. Das gilt auch für den Einsatz bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen wie Rheumatoide Arthritis (RA), Spondylitis ankylosans (SpA oder Morbus Bechterew), Vaskulitiden und Kollagenosen.
Empfehlung bei RA-Verdacht: Zuerst Schallen zur Abklärung
„Das Auflösungsvermögen von Ultraschalluntersuchungen wurde in nur zehn Jahren von 0,7 mm auf 0,15 mm verbessert.“ Dies erklärt der Rheumatologe Dr. Wolfgang Hartung, Bad Abbach, stellvertretender Leiter des Arbeitskreises Bewegungsorgane der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM), in einer aktuellen Arbeit. Sie ist unlängst in der Zeitschrift für Rheumatologie veröffentlicht worden [1]. Mit Schallfrequenzen von 18 MHz, wie sie heute in klinischen Studien üblich sind, lassen sich nach Hartungs Worten sogar kleinste anatomische Strukturen wie Ringbänder oder Karpometakarpalbänder darstellen.

Aber auch in der täglichen Praxis hat sich der Ultraschall bewährt: „Knöcherne Läsionen in den Fingergrundgelenken können durch Ultraschall, der die knöchernen Oberflächen detailliert erfasst, viel besser und bis zu sechs Monate früher erfasst werden als durch die konventionelle Übersichtsaufnahme beim Röntgen“, so Hartung. Daher empfiehlt die DEGUM, bei Verdacht auf RA den Gelenk-Ultraschall als erstes bildgebendes Verfahren einzusetzen. „Das Röntgen wird dadurch keineswegs überflüssig“, betont Hartung im Gespräch mit Medscape Deutschland. „Es wird aber durch den Ultraschall perfekt ergänzt und um neue Möglichkeiten erweitert.“
Für die Detektion von Synovitiden und Tenosynovitiden ist die Sonografie ohnehin unverzichtbar – und sensibler als die klinische Untersuchung, so der Rheumatologe. Dabei sollten standardisierte Scores wie der in Deutschland entwickelte „German US-7-Score“ angewendet werden. Dieser umfasst 7 so genannte „Indikatorgelenke“: das Handgelenk, Metacarpophalangealgelenke II und III, proximale Interphalangealgelenke II und III sowie die Metatarsophalangealgelenke II und V der schmerzdominanten Seite.
Spondyloarthritiden und Gicht: Sonografie hilft bei Diagnose und Verlaufskontrolle
„Auch Enthesiopathien lassen sich sehr gut sonografisch darstellen“, bestätigt Hartung auf Nachfrage. Da von Enthesitiden – etwa bei SpA oder M. Bechterew – häufig die großen Gelenke betroffen sind, wurde bereits für die Messung des entzündlichen Geschehens in Schultern, Ellbogen, Hüften und Knien ein eigener standardisierter Score aus Ultraschallkriterien entwickelt, der SOLAR (Sonography of Large joints in Rheumatology).
Urat-Ablagerungen auf der Knorpeloberfläche am Knie und den MTP-Gelenken sind ebenfalls sonografisch darstellbar, derartige Doppelkontur-Zeichen sind charakteristisch für die chronische Gicht, erläutert der Experte. Der Ultraschall eignet sich daher zur Kontrolle des Heilungsprozesses: Bei konsequenter Harnsäuresenkung verschwinden sie bereits nach etwa 7 Monaten.
PMR mit Riesenzell-Arteriitis: Biopsie nicht mehr notwendig
Sowohl große als auch mittelgroße und kleine Blutgefäße können mittels Sonographie genauer untersucht werden. Bei der Polymyalgia rheumatica (PMR) mit Arteriitis temporalis kann die Sonografie sogar invasive Maßnahmen, in dem Fall die Biopsie der Schläfenarterie, ersetzen: „Bei erfahrenen Untersuchern genügen Ultraschall und Klinik zur Bestätigung der Erkrankung. Die Biopsie ist dann nicht notwendig“, hält Hartung fest.
Die Ultraschalluntersuchung der A. temporalis sollte allerdings – wie auch die anderen Ultraschall-Detailchecks bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen – nur von sonografisch weitergebildeten Rheumatologen vorgenommen werden. Vergütet wird die Mühe bisher jedoch nicht adäquat: „Der Ultraschall ist für gesetzlich Versicherte mit einer Quartalspauschale in Höhe von derzeit 7 € bereits abgegolten“, so Hartung. „Er wird auch nicht als individuelle Gesundheitsleistung angeboten.“
Ultraschall bald Teil der Leitlinien?
Ultraschall-Untersuchungen sind zudem noch nicht Teil der deutschen und internationalen Leitlinien zur Diagnose und Verlaufskontrolle entzündlich-rheumatischer Erkrankungen. „Das könnte sich in den nächsten Jahren ändern“, hofft Hartung. Einen ersten Schritt in dieser Richtung gehen das American College of Rheumatology (ACR) und die European League Against Rheumatism (EULAR) bei der neuen Klassifizierung der PMR im vergangenen Jahr: Hier werden bestimmte Ultraschallbefunde mit Punktwerten in einen Score einbezogen, der hilft, PMR von RA abzugrenzen.
Künftige Leitlinien für die RA-Diagnose und -Therapie könnten eine quartalsweise Ultraschalluntersuchung definierter Gelenke zwischen den jährlichen Röntgenchecks beinhalten, wünscht sich Hartung. „Natürlich kann der Ultraschall auch jederzeit ohne großen Aufwand und ohne Strahlenbelastung zur Abklärung akuter Symptome eingesetzt werden“, betont er gegenüber Medscape Deutschland nochmals den Stellenwert der Sonografie.