
Humane Papillomaviren (HPV) können beim Sex nicht nur genital und anal, sondern auch oral übertragen werden. „Orale HPV-Infektionen werden für eine wachsende Zahl von Kopf-Hals-Tumoren – richtiger eigentlich: Mund-Rachen-Karzinomen – bei Menschen in den Industrieländern verantwortlich gemacht“, warnt Prof. Dr. Norbert Brockmeyer, Leiter des Zentrums für Sexuelle Gesundheit an der Klinik für Dermatologie, Venerologie der Ruhr- Universität Bochum und Vorsitzender der Deutschen STI-Gesellschaft, im Gespräch mit Medscape Deutschland [1].
So stieg laut einer epidemiologischen Studie der Anteil der Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren, in denen onkogene HP-Viren nachgewiesen wurden, in den USA innerhalb von 20 Jahren von 16,3% auf 71,7% [2]. „Das sieht in Deutschland sicherlich kaum anders aus, auch wenn uns offizielle Zahlen noch fehlen“, so Brockmeyer. Ob man dieser Tendenz durch Impfung etwas entgegensetzen kann, wurde in einer kürzlich publizierten klinischen Studie in Costa Rica untersucht [3].
In die doppelblinde, randomisierte, kontrollierte Studie wurden 7.466 gesunde Frauen im Alter von 18 bis 25 Jahren eingeschlossen. Sie erhielten 3 Injektionen eines bivalenten HPV-Impfstoffs gegen die onkogenen HPV-Typen 16 und 18 (Cervarix®) oder eines Hepatitis-A-Impfstoffs (Havrix®). Zu Studienbeginn sowie zum Studienende nach 4 Jahren wurden Zervixabstriche untersucht. Darüber hinaus wurden die Frauen bei Studienende gebeten, einen Fragebogen zu ihren sexuellen Erfahrungen auszufüllen. Bei den meisten konnten zusätzlich mittels Mundspülung DNA-Proben gewonnen werden, um Oralinfektionen mit HPV festzustellen.
Sexualität in der Karibik
In dem Fragebogen gaben 1.489 der jungen Frauen bei Studienende jeweils an, sie hätten bisher nur mit einem Partner vaginal Geschlechtsverkehr gehabt. 2.007 Studienteilnehmerinnen hatten mit 2 bis 3 Männern und 2.020 mit mindestens 4 Männern Vaginalverkehr. 324 der inzwischen 22- bis 30-jährigen Frauen waren nach eigenen Angaben noch mit keinem einzigen Partner (vaginal) intim gewesen.
Über oralen Geschlechtsverkehr mit jeweils nur einem Partner berichteten 2.105 Frauen, mit 2 oder mehr Partnern hatten 1.516 Frauen Oralsex. Die meisten von ihnen begannen damit im Alter von 11 bis 19 Jahren (n = 1.328) bzw. mit 20 bis 22 Jahren (n = 1.216). Nur 984 Frauen waren beim ersten Oralverkehr schon mindestens 23 Jahre alt gewesen. Analverkehr wurde von 878 Frauen (ein Partner) bzw. 177 Frauen (mindestens 2 Partner) zu Protokoll gegeben, insgesamt also nur von jeder siebten Probandin.
Orale und zervikale HPV-Infektion häufig vergesellschaftet
Zum Studienende wurden bei 5,4% der Kontrollpatientinnen, die nicht gegen HPV geimpft worden waren, orale HPV-Infektionen jeglichen Subtyps gefunden. Dabei traten zervikale und orale HPV-Infektionen oft komorbid auf: So hatten in der Kontrollgruppe 3,9% der Probandinnen mit Zervix-HPV-Befall, aber nur 1,0% derjenigen ohne Zervix-HPV-Befall eine orale HPV-Infektion.
Eine klare Assoziation zwischen oraler HPV-Infektion und selbst berichtetem Oralverkehr ließ sich dagegen nicht nachweisen. „Eine Verzerrung dieses Zusammenhangs könnte durch alternative Infektionswege über die Hände oder über Textilien zustande gekommen sein“, meint Brockmeyer auf Nachfrage von Medscape Deutschland. „Es kann aber auch eine gewisse Dunkelziffer an nicht berichtetem Oralverkehr eine Rolle spielen. In anonymen Befragungen in Deutschland räumen etwa 70% der heterosexuellen Paare oralen Verkehr und 30% analen Verkehr ein.“
Impfschutz im Mund wirksamer als an der Zervix
Die Impfung hatte offenbar den gewünschten Effekt, auch und gerade in der Mundhöhle: Zu Studienende hatten 15 Frauen der Kontrollgruppe, aber nur eine Frau der gegen HPV geimpften Gruppe, die zudem nur 2 (statt üblicherweise 3) Injektionen erhalten hatte, eine orale Infektion mit HPV-Typ 16 und/oder 18. Es wurde eine Schutzrate der Impfung von 93,3% gegen orale HPV-16/18-Infektionen errechnet. Ein signifikanter Schutz gegen andere orale HPV-Infektionen wurde nicht beobachtet.
Die Impfung schützte zudem vor 72% der zervikalen HPV-Infektionen, wenn man die Infektionsrate bei Studienende zugrunde legt: 219 Frauen der Kontrollgruppe vs. 61 Frauen mit HPV-Impfung (7,5% vs. 2,1%) hatten nach 4 Jahren einen HPV-16/18-positiven Zervikalabstrich. Dabei ist aber zu bedenken, dass zu Studienbeginn bereits 271 vs. 239 Frauen eine derartige Infektion hatten; exkludiert man ihre Daten, so steigt die Schutzrate der Impfung gegen zervikale HPV-16/18-Infektionen auf 80,4%.
Auch junge Männer impfen?
Die Studienautoren gehen davon aus, dass durch frühzeitige HPV-Impfung die Mehrzahl der onkogenen oralen HPV-Infektionen verhindert werden kann. Da infektionsbedingte Kopf-Hals-Tumoren bei Männern viermal so häufig wie bei Frauen vorkommen, könnte dies ein Grund mehr für eine HPV-Impfempfehlung für junge Männer sein [4]. „Und nicht nur das“, betont Brockmeyer: „Durch die Impfung werden insgesamt die Übertragungswege unterbrochen.
Die tetravalente HPV-Impfung kann darüber hinaus auch vor den unangenehmen und oft langwierigen Kondylomen oder Feigwarzen schützen. „Und während Deutschland bei der HPV-Impfrate der jungen Mädchen mit unter 40% international weit hinten liegt, bestehen laut Brockmeyer in Großbritannien, Dänemark und Australien, aber auch in Sachsen bereits öffentliche Empfehlungen zur HPV-Impfung männlicher Teenager.“