Reanimation unter Dreifach-Medikation: Besseres Überleben, weniger Hirnschäden

Julia Rommelfanger | 1. August 2013

Autoren und Interessenkonflikte

Vielversprechendes Trio: Nach einem längerem Herzstillstand kann eine Kombinationstherapie aus Vasopressin und Epinephrin (Adrenalin), ergänzt durch Kortikosteroide, während der kardiopulmonalen Reanimation (cardiopulmonary resucitation; CPR) die Überlebenschancen steigern. Und nicht nur das – außerdem ist der neurologische Zustand der Patienten, die diese Therapie erhalten haben, zum Zeitpunkt der Entlassung besser als der von Patienten, die lediglich mit Epinephrin behandelt worden sind. Dies hat eine randomisierte, placebokontrollierte Studie in 3 griechischen Kliniken ergeben, die kürzlich im Journal of the American Medical Association (JAMA) veröffentlicht worden ist [1].

 
„Aufgrund der jetzt noch gewichtigeren Evidenz werden wir in unserer Gruppe dieses Konzept aufnehmen – man kann nicht mehr länger warten.“
Prof. Dr. Josef Briegel
 

„Die Ergebnisse mit dieser Kombination von Vasopressin plus Steroide sind beeindruckend“, bemerkt Prof. Dr. Josef Briegel von der Klinik für Anästhesiologie der Universität München in einem Interview mit Medscape Deutschland. Ein Viertel bis die Hälfte aller Patienten, die einen Kreislaufstillstand überleben, tragen schwere Hirnschäden davon oder befinden sich danach sogar in einem Wachkoma.

„Diese Resultate bestätigen die stärkere Wirksamkeit der Vasopressin-Steroide-Epinephrin (VSE)-Kombination im Vergleich zu Epinephrin alleine während der kardiopulmonalen Reanimation bei einem Herzstillstand, der in der Klinik aufgetretenen ist und einen Vasopressor erforderlich machte“, schreiben die Autoren um Dr. Spyros Mentzelopoulos von der Universität Athen. Damit weist die Studiengruppe auf ähnliche Ergebnisse einer früheren Studie an ihrem Zentrum hin, die zeigte, dass die Anwendung dieser VSE-Kombination die Überlebenschance bei Herzstillstand erhöht. Jedoch konnten sie seinerzeit aufgrund der geringen Zahlen noch keine Aussagen über den neurologischen Zustand der Überlebenden hinsichtlich der VSE-Kombination machen.

Vermeiden schwerer Hirnschäden durch Ischämie

Um auch die Auswirkung des Konzepts auf neurologische Parameter zu überprüfen, hat die Gruppe von 2008 bis 2010 in 3 Zentren 268 Patienten mit Herzstillstand, die nicht nach 2 CPR-Zyklen reanimiert werden konnten, zu VSE (20 IU Vasopressin und 1mg Epinephrin/CPR-Zyklus, plus 40mg Methylprednisolon während des 1. CPR-Zyklus) oder Kochsalzlösung als Placebo plus Adrenalin randomisiert. Ein Schock, der bei etwa der Hälfte aller Herzstillstand-Patienten nach der Reanimation auftritt, wurde mit Hydrokortison oder Placebo behandelt. Vor der Entlassung wurde die Hirnfunktion der Patienten (Glasgow-Pittsburgh Cerebral Performance Category/CPC) getestet.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Blutzirkulation für mindestens 20 Minuten spontan wieder einsetzt, war in der Interventionsgruppe (83,9%) signifikant höher als in der Kontrollgruppe (65,9%; p=0,005) und ein Überleben bis zur Entlassung mit einem CPC-Wert von 1 oder 2 (1=gute Hirnfunktion, 2=moderate zerebrale Störungen) war ebenfalls nach Kombinations-Behandlung wahrscheinlicher (13,9% vs 5,1%; p=0,02). Zudem fiel Mentzelopoulos und seinen Kollegen auf, dass in der VSE-Gruppe sowohl die Hämodynamik als auch die zentrale venöse Sauerstoffsättigung bessere Werte zeigten und es weniger Organschäden gab.  

Überarbeitung der Behandlungsleitlinien?

Selten sind Studienergebnisse so überzeugend, dass sie gleich praktische Konsequenzen haben. In diesem Fall ist es so: „Aufgrund der jetzt noch gewichtigeren Evidenz werden wir in unserer Gruppe dieses Konzept aufnehmen – man kann nicht mehr länger warten“, sagt Briegel.

In seiner Klinik werden pro Jahr rund 70 Patienten wiederbelebt. „Kritisch kann es vor allem für Patienten werden, die auf der Normalstation einen Herzstillstand erleiden, der nicht sofort bemerkt wird“, erklärt der Oberarzt. Offensichtlich, sagt er, können Steroide bei solchen längeren Herzstillständen Reperfusionsschäden abmildern. Die Therapie wirke sich zudem positiv auf die neuronale Funktion aus, was am besseren neurologischen Zustand der Interventionsgruppe abzulesen sei. Daher sollte die VSE-Kombination zumindest in die Empfehlungen der Leitlinien des Deutschen Rats für Wiederbelebung einfließen, fordert Briegel.

Er weist auf einen weiteren Therapie-Baustein zur Verbesserung der neurologischen Funktion von Patienten hin, die einen längeren Herzstillstand hatten: Das Spurenelement Selen, sagt er, könne möglicherweise ein Post-Reanimationssyndrom durch seine antioxidativen Wirkungen abmildern. Eventuell wäre sogar eine Kombination von Kortison und Selen denkbar. Hierzu, sagt er, gäbe es jedoch aktuell noch keine Multicenter-Studienansätze.

Genauso sind langfristige Auswirkungen der VSE-Kombination bisher unbekannt. Aufgrund der geringen Patientenzahl der griechischen Studie sei eine verlässliche Beurteilung der Therapiefolgen nach einem Jahr nicht möglich gewesen, schreiben die Autoren.

Referenzen

Referenzen

  1. Mentzelopoulos SD, et al: JAMA 2013;310:270-279
    http://dx.doi.org/10.1001/jama.2013.7832

Autoren und Interessenkonflikte

Julia Rommelfanger
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Briegel J, Mentzelopoulos S: Es liegen keine Erklärungen zu Interessenkonflikten vor.

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