Diarrhöen auch bei Urlaub auf Balkonien – Protozoen nicht nur ein „Reisesouvenir“

Nadine Eckert | 1. August 2013

Autoren und Interessenkonflikte

Bei chronischem Durchfall denkt der Arzt am ehesten an Protozoen als Krankheitserreger, wenn ein Patient nach einer Fernreise über solche Beschwerden klagt. „Aber auch bei Diarrhoe-Patienten ohne einschlägige Reiseanamnese sollte an eine Infektion mit den einzelligen Parasiten gedacht werden“, sagt Prof. Dr. Thomas Weinke gegenüber Medscape Deutschland.

 
„Auch bei Diarrhoe-Patienten ohne einschlägige Reiseanamnese sollte an eine Infektion mit den einzelligen Parasiten gedacht werden.“
Prof. Dr. Thomas Weinke
 

Insbesondere bei kleinen Kindern und Immunsupprimierten können diese Infektionen zu schweren Verläufen führen, warnt der Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie und Infektiologie am Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam.

Die häufigsten Protozoen-Infektionen hierzulande sind die Giardiasis (Lambliasis) und die Kryptosporidiose, berichtet Weinke aktuell in einem Artikel in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift. Nach einer Studie des Robert Koch-Instituts werden knapp die Hälfte der Giardiasis-Fälle autochthon in Deutschland erworben [1].

Infektionen durch kontaminiertes Wasser, Essen und ungeschützten Sex

Die wichtigsten Risikofaktoren für die Infektion mit Protozoen sind der Verzehr von kontaminiertem Wasser und Nahrungsmitteln. Auch der Kontakt mit Reiserückkehrern kann zur Ansteckung führen. Die Übertragung ist über Oral- oder Analsex möglich. „Und manche Protozoen, wie die Lamblien, sind in Europa auch heimisch“, erklärt Weinke. Infektionen mit dem Geißeltierchen Giardia intestinalis  führen zu schwerer wässriger Diarrhoe mit Malabsorption. Zusätzlich zur Diarrhoe treten Symptome wie Oberbauchschmerzen, Völlegefühl und Meteorismus auf. Manchmal verläuft die Erkrankung aber auch leicht oder gar asymptomatisch.

 
„Kryptosporidien werden durch die Standard-Stuhldiagnostik auf Parasiten nicht erfasst.“
Prof. Dr. Thomas Weinke
 

Die Diagnose einer Lamblien-Infektion ist durch eine mikroskopische Untersuchung von Stuhl oder Duodenalsekret oder über Antigentests möglich. In Zukunft dürften sich zudem PCR-Tests etablieren, die bisher noch nicht überall verfügbar sind, prophezeit Weinke. Die Lambliasis ist mit Metronidazol oder Tinidazol gut behandelbar, so der Gastroenterologe. Weitere Optionen sind Albendazol, Paromomycin oder Nitazoxanid. Bei refraktären Verläufen können möglicherweise organische Goldverbindungen einen Therapieerfolg bringen.

Die Kryptosporidiose wird bei Menschen durch die Protozoen Cryptosporidium hominis und C. parvum hervorgerufen. Die Betroffenen leiden unter wässrigen Durchfällen in Verbindung mit Bauchschmerzen und leichtem Fieber. „Bei Immunkompetenten ist die Diarrhoe selbstlimitierend und heilt nach einigen Tagen von selbst“, erklärte Weinke. Bei Säuglingen und Immungeschwächten, zum Beispiel HIV-Patienten, sind die Verläufe dagegen länger und komplizierter. Bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem können zur Therapie Paromomycin oder Nitazoxanid eingesetzt werden.

Bei Immungeschwächten sollte eine umfangreiche parasitäre Differenzialdiagnostik inklusive Spezialfärbungen durchgeführt werden. Bei der Diagnostik ist zu beachten: „Kryptosporidien werden durch die Standard-Stuhldiagnostik auf Parasiten nicht erfasst“, warnt der Experte. Es müssen säurefeste Färbungen durchgeführt werden, um den Parasiten zu entdecken. Alternativ werden auch Antigen-Nachweistests eingesetzt.

Lästige Reiseandenken: Amöben und Cyclosporiasis

Im Gegensatz zu Giardiasis und Kryptosporidiose werden Amöben tatsächlich meist von Fernreisenden aus den Tropen oder Subtropen importiert. Eine Untersuchung von gut 5.000 Tropenrückkehrern zeigte, dass etwa 2% von ihnen mit einer Amöbiasis heimkommen. Übertragen wird die Amöbiasis (Amöbenruhr) durch das Protozoon Entamoeba histolytica. Es verursacht  blutigen und schleimigen – den typischerweise „himbeergeleeartigen" – Stuhl verbunden mit DurchfallBauchschmerzen, teilweise hohem Fieber und Krämpfen

Eine positive Amöbenserologie kann zudem immer als ein Hinweis gewertet werden, dass es auch Kontakt zu invasiven E. histolytica gegeben hat. In Mittel-Europa ist eine positive Amöbenserologie bei fehlendem regelmäßigem Kontakt zu Amöben meist ein Beleg für eine akute Amöbiasis, so Weinke.

Therapiert wird die Amöbenruhr mit Metronidazol oder anderen Nitroimidazolderivaten. Bevorzugt bei erwachsenen Männern kann es zu einem Amöbenleberabszess kommen. Die Metronidazol-Dosis sollte in diesem Fall deutlich höher liegen und mindestens 3 mal 750 mg/pro Tag (für 3 bis 5 Tage, bei schwerwiegendem Verlauf auch länger) betragen. Da Metronidazol nicht die Zysten des Einzellers beseitigt, muss nachfolgend ein intraluminales Amöbizid wie Paromomycin oder Furamid eingesetzt werden, um Rückfälle zu verhindern.

Abklärung oft nur mit Spezialfärbungen möglich

Auch an den Parasiten Cyclospora cayetanensis sollte bei Fernreisenden gedacht werden. Die Infektion ruft wässrige Diarrhoe, Meteorismus, Übelkeit und abdominelle Schmerzen hervor.  Bei chronischer Diarrhoe und gleichzeitig bestehender HIV-Infektion sollte unbedingt nach Cyclospora gesucht werden. Dafür sind säurefeste Spezialfärbungen erforderlich. Die Therapie erfolgt mit Cotrimoxazol. Die Therapiedauer richtet sich nach dem individuellen Immunstatus und dem Ansprechen. Bei Unverträglichkeit kann alternativ das schwächer wirksame Ciprofloxacin verabreicht werden.

Weitere Protozoen, an die bei der Differenzialdiagnose der chronischen Diarrhoe bei Immunsupprimierten gedacht werden sollte, sind Mikrosporidien und Isospora. Das Mikrosporidium Encephalitozoon intestinalis wird mit Albendazol behandelt, bei Enterocytozoon bieneusi sollte Fumagillin gegeben werden. Bei einer Infektion mit Isospora belli ist Cotrimoxazol das Mittel der Wahl.

Referenzen

Referenzen

  1. Weinke T, et al: Dtsch Med Wochenschr 2013;138: 709-711
    http://dx.doi.org/10.1055/s-0032-1333001

Autoren und Interessenkonflikte

Nadine Eckert
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Weinke T: Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.