Gelassenheit ist angebracht – Keine Angst vor Arztbewertungsportalen

Ursula Armstrong | 22. Juli 2013

Autoren und Interessenkonflikte

Verbraucher nutzen zunehmend das Internet und soziale Medien, um Erfahrungen, Informationen, Meinungen bzw. Bewertungen zu vermitteln und auch zu suchen. Das gilt ebenso im Gesundheitssystem und für Patienten. Arztbewertungsportale zum Beispiel sollen die Suche nach einem geeigneten Arztes erleichtern.

Auf Plattformen wie jameda.de, sanego.de, docinsider.de, arzt.weisse-liste.de oder in Blogs wird informiert, berichtet, gelobt, gewarnt. Ärzte werden dabei mit Schulnoten, Sternen oder Punkten bewertet. Es gebe mitunter aber auch unsachliche Kritik, durch die leicht falsche Eindrücke entstehen könnten, so der Osnabrücker Rechtsanwalt Tim Oehler [1]. Auch wenn die Rechtsprechung Ärzten jüngst Wege eröffnet habe, sich gegen unfaire Bewertungen zu wehren –  das Bild in der Öffentlichkeit sei schwer zu widerlegen. Müssen Ärzte also solche Arztportale fürchten?

Echte unfaire Bewertungen sind selten

 
„Die Betreiber achten sehr streng auf Überschreitungen des zulässigen Kritikrahmens.“
Klaus-Dieter Thill
 

Nein, meint der Praxisberater Klaus-Dieter Thill vom Institut für betriebswirtschaftliche Analysen, Beratung und Strategie-Entwicklung (IFABS) in Düsseldorf, der die Szene seit Jahren genau beobachtet und Studien zur Nutzung von Arztbewertungsportalen gemacht hat. „Echte unfaire Bewertungen sind äußerst selten“, so Thill gegenüber Medscape Deutschland.

Ähnlich sieht das Dr. Sabine Schwarz vom Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) in Berlin: „Wir haben das in Clearingverfahren stichprobenartig überprüft und nur wenige Auffälligkeiten gefunden.“ Im Gegenteil, mehrere Studien hätten ergeben, dass die meisten Bewertungen sehr positiv sind. „Die Patienten stellen den Ärzten eher ein gutes Zeugnis aus.“

Bewertungsportale sind vor einigen Jahren aufgekommen und es wurden schnell immer mehr. „Das ist zwar ein Riesenhype, doch sie werden nur wenig genutzt“, so Sabine Schwarz im Gespräch mit Medscape Deutschland. Im Zuge der Versichertenbefragung 2011 der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) etwa hat sich gezeigt, dass nur jeder Zehnte der 18- bis 79-Jährigen wenigstens einmal ein solches Portal nutzte [2]. Von ihnen fanden weniger als die Hälfte die Portale bei der Arztsuche hilfreich.

Bedeutung der Portale wird zunehmen

Doch Schwarz ergänzt: „Wir gehen davon aus, dass das zunehmen wird. Vor allem für die junge Generation haben Social Media eine neue Bedeutung.“ Dieser Meinung ist auch Thill: „Die Bedeutung der Portale nimmt stetig zu. Genaue Zahlen zur Nutzung existieren bislang nicht, betrachtet man jedoch zum Beispiel die Anzahl der Aufrufe für Arztpraxen auf den einzelnen Plattformen, erahnt man das Ausmaß der Nutzung.“ In den Patientenzufriedenheits-Befragungen von IFABS  geben inzwischen knapp 35% der Neupatienten an, auch Portale für ihre Arztwahl genutzt zu haben.

Die Ärzte selbst jedoch nehmen Bewertungsportale nicht ernst und halten sie für eine vorübergehende Erscheinung, wie Umfragen ergeben haben. Zum Beispiel diejenige von IFABS, in der vor 2 Jahren je 200 Allgemeinmediziner, Medizinische Fachangestellte (MFA) und Patienten zu den Portalen befragt wurden [3]. Sie sollten die Bedeutung auf einer Skala von 0 (gar keine Bedeutung) bis 10 (sehr große Bedeutung) einschätzen.

Ärzte bewerteten die gegenwärtige Bedeutung der Portale mit 1,2 und die zukünftige mit 3,4. Ganz anders MFA (gegenwärtig 3,6, zukünftig 7,8) und Patienten (gegenwärtig 4,3, zukünftig gar 8,1). Erst 10 der befragten 200 Ärzte hatten überhaupt einmal eines der Portale zur eigenen Praxis durchsucht. „Ärzte unterschätzen diese Entwicklung vollkommen“, kommentiert Thill.

Recht auf Widerspruchs als Qualitätskriterium

Anfangs waren die verschiedenen Portale noch von heterogener Qualität. Deshalb hatten Bundesärztekammer (BÄK) und KBV im Dezember 2008 das ÄZQ beauftragt, einen Katalog mit Anforderungen für gute Arztbewertungsportale zu erarbeiten [4]. Zu diesen Qualitätsstandards gehört zum Beispiel, dass die Plattform ein Impressum enthält, das Aufschluss über die Identität des Betreibers gibt und eine E-Mail-Adresse enthält. Die Finanzierung muss offengelegt sowie Werbung und Bewertungsinhalte klar voneinander getrennt sein.

Außerdem soll sichergestellt sein, dass Einträge in Freitextfelder zu festgelegten Zeiten redaktionell geprüft werden. Wichtige Aspekte sind ferner, dass betroffenen Ärzten die Möglichkeit zur Gegendarstellung und/oder Widerspruch eingeräumt wird, und dass ein Schutz gegen Täuschungsmanöver und Schmähkritik geboten ist.

„Diese Qualitätsstandards werden ernst genommen“, ist die Erfahrung von Sabine Schwarz. Seit 2010 unterzieht das ÄZQ Arztbewertungsportale regelmäßig einem Clearingverfahren. „Dabei haben wir gemerkt, dass sich die seriösen Portale an den Kriterien orientieren und versuchen, ihr Angebot entsprechend zu verbessern.“ Inzwischen habe sich die Spreu vom Weizen getrennt.

Betreiber wollen fairen Umgang mit Ärzten

Unfaire Kritik oder gar Schmähungen seien entsprechend selten und selbst die gefürchteten Freitexte seien oft kein großes Problem, so das ÄZQ. Tatsächlich hätten mittlerweile einige Portale eine Redaktion, die über die Freitextkommentare schaue. Außerdem gebe es Wortfilter. Die meisten Betreiber seien an einem fairen Umgang mit den Ärzten interessiert, betont Schwarz.

Thill stößt in das gleiche Horn: „Die Betreiber achten sehr streng auf Überschreitungen des zulässigen Kritikrahmens.“ Er geht aber noch weiter: Die mangelnde Fairness, die Ärzte immer wieder monierten, sei „vor allem ein vorgeschobenes Argument, um sich von den Plattformen distanzieren zu können“.

Dennoch: Sollte sich ein Arzt ungerecht bewertet, geschmäht oder beleidigt fühlen, sollte er sich als erstes an den Betreiber wenden. Die Löschung werde bei berechtigtem Anliegen schnell und unbürokratisch erledigt, so Thill. Wenn das nicht hilft, sollte ein Anwalt für Medienrecht eingeschaltet werden. Wenn ein Patient einem Arzt auf einer Plattform eine Straftat vorwirft, muss die Staatsanwaltschaft aktiv werden.

Bester Schutz: aktiver Umgang mit den Plattformen

Der beste Schutz ist aber, sich mit den Portalen auseinanderzusetzen. „Patientenorientierte Praxisarbeit“ nennt Thill das. „Eine Möglichkeit ist, Patientenbefragungen auf ein Portal zu verlegen und Patienten aktiv zu bitten, ihre Beurteilungen dort abzugeben. Einige Betreiber bieten hierzu auch Hilfen an, zum Beispiel gedruckte Fragebögen. Wichtig ist auf jeden Fall – egal, ob man Portale aktiv empfiehlt oder nicht – die meist kostenlose Profildarstellung der eigenen Praxis in den Portalen mit einem Link zur Praxis-Homepage.“ Auch Sabine Schwarz empfiehlt, aktiv mit dem Thema umzugehen und wenigstens hin und wieder in die großen Plattformen zu schauen. „Eine gewisse Gelassenheit wäre angebracht.“

Referenzen

Referenzen

  1. Oehler T: DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift. 2013; 138 (25/16): 1373-1376
    https://www.thieme.de/de/presse/arztrecht-42564.htm
  2. Versichertenbefragung 2011 der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
    http://www.kbv.de/publikationen/versichertenbefragung2011.html
  3. IFABS-Umfrage zu Bewertungsportalen für niedergelassene Ärzte
    http://ifabsthill.wordpress.com/2011/07/04/bewertungsportale-fur-niedergelassene-arzte-geringe-nutzung-durch-praxisinhaber/
  4. Qualitätsanforderungen für Arztbewertungsportale
    http://www.aezq.de/mdb/edocs/pdf/info/gute-praxis-bewertungsportale.pdf

Autoren und Interessenkonflikte

Ursula Armstrong
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Thill KD, Schwarz S: Es liegen keine Erklärungen zu Interessenkonflikten vor.

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