Die adjuvante Therapie mit Trastuzumab ist inzwischen ein anerkanntes therapeutisches Vorgehen bei Brustkrebspatientinnen, deren Tumoren HER-2 überexprimieren (HER-2 pos.) und operabel sind. Allerdings müsse die Therapie in einem „möglichst frühen Erkrankungsstadium“ beginnen. Darauf weist Dr. Bahriye Aktas, stellvertretende Klinikdirektorin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Universitätsklinkum Essen, hin. „Fakt ist, dass man Trastuzumab so früh wie möglich geben sollte. Das war in Deutschland bisher nicht immer das Standardvorgehen“, erklärte Aktas im Gespräch mit Medscape Deutschland. „Trastuzumab wird mittlerweile schon in der neoadjuvanten Therapie verabreicht und in Studien auch schon zum Anthracyclin hinzugegeben und nicht erst gemeinsam mit der Taxanbehandlung.“
Standardmäßig wird der humanisierte monoklonale Antikörper über 12 Monate gegeben. An der Behandlungsdauer wird sich vorläufig auch nichts ändern. Auf dem Kongress der European Society of Medical Oncolgy (ESMO) im vergangenen Herbst in Wien/Österreich waren Ergebnisse aus den beiden Studien HERA und PHARE präsentiert worden. HERA untersuchte, ob eine fortdauernde Therapie über 24 Monate mit Trastuzumab im Vergleich zur Gabe über 12 Monate zu besseren Überlebensraten bei den Patientinnen führt – und konnte die Hypothese nicht bestätigen. Weder hinsichtlich des krankheitsfreien Überlebens noch in Bezug auf die Gesamtsterblichkeit erbrachte die verlängerte Trastuzumab-Behandlung einen Zugewinn [1].
Wie lange therapieren: 6, 12 oder 24 Monate?
In der PHARE-Studie war in entgegengesetzter Richtung geprüft worden. Hier sollte gezeigt werden, dass eine kürzere Therapiedauer – nur 6 Monate – im Vergleich zur 12-Monatstherapie zu ähnlich niedrigen rückfallsfreien Überlebensraten führt. Auch hier konnte die Annahme nicht zweifelsfrei bestätigt werden. Allerdings gibt die Studie letztlich keine eindeutige Antwort, besonders wenn der Blick auf bestimmte für die Studie präspezifizierte Subgruppen gerichtet wird. Die Studiendaten sind jetzt aktuell in Lancet Oncology publiziert worden [2].
„Die Ergebnisse lassen keine eindeutige Antwort zu. Wir müssen vermutlich Subgruppen genauer untersuchen, um eine Aussage treffen zu können, wer von einer 6-monatigen Behandlung profitiert und wer besser für ein Jahr behandelt werden sollte“, sagte der Erstautor der Studie, Prof. Dr. Xavier Pivot von der Université de Franche Comté/Frankreich, auf dem ESMO-Kongress 2012.
Hormonrezeptorstatus und Therapieschema
In der Studie kamen 2 therapeutische Schemata zur Anwendung: Entweder wurde Trastuzumab begleitend zur Chemotherapie oder erst nach der Chemotherapie verabreicht. Darüber hinaus wurden Subgruppen in Abhängigkeit des Hormonstatus noch einmal gesondert ausgewertet (Östrogenrezeptor(ER)-positiv oder -negativ).
Die Resultate aus diesen Subgruppen ergaben allerdings kein konsistentes Bild: Während Patientinnen mit negativem Östrogenrezeptor-Status (ER neg.) und sequenzieller, nur 6-monatiger Trastuzumab-Therapie durch dieses Regime ein signifikant schlechteres Ergebnis hatten, profitieren möglicherweise Patientinnen mit demselben Hormonstatus aber bei einer begleitenden Trastuzumab-Therapie von jenem Therapieablauf.
Für andere Subgruppen-Konstellationen führten die Erkenntnisse aus PHARE hinsichtlich einer kürzeren adjuvanten Therapie zu keinem eindeutigen Bild (z.B. ER-pos. und sequenzielle Therapie; ER-neg. und begleitende Therapie; ER-pos. und begleitende Therapie).
Filippo Montemurro und Massimo Aglietta vom Institute for Cancer Research and Treatment in Candiolo/Italien schreiben in einem Kommentar zur PHARE-Studie in Lancet Oncology, dass es aufgrund dieser Ergebnisse zur Zeit zwar keinen Anlass gebe, das aktuelle therapeutische Vorgehen – 12 Monate Trastuzumab-Therapie – bei operablen Brustkrebspatienten mit HER-2-überexprimierenden Tumoren zu verändern [3]. Dennoch müssten die Behandlungskonzepte künftig individueller auf den jeweiligen Patienten eingestellt werden.
Weitere Studien zur idealen Therapiedauer
Aktuell laufen noch weitere Studien zur Evaluation der Therapiedauer mit Trastuzumab, die auch nach den vorliegenden Daten der PHARE-Studie nicht abgebrochen würden. So prüfe die PERSEPHONE-Studie auch 6 Monate vs. 12 Monate, die SOLD- und HER-Short-Studien 3 Monate vs. 12 Monate. Somit werden noch mehr Daten erwartet.
Nur bei Brustkrebs-Patientinnen mit positivem HER-2-Testnachweis ist zur Zeit eine Therapie mit Trastuzumab indiziert. Das sei der Goldstandard, bestätigt Aktas. „Die einzige Studie aktuell, die HER-2-positive Tumorzellen im Blut in einem frühen Erkrankungsstadium untersucht, ist die TREAT-CTC-Studie (Trastuzumab versus observation in HER2-negative early breast cancer as a secondary adjuvant treatment for the elimination of circulating tumor cells expressing HER2). Dabei handelt es sich um eine internationale große Studie, in der HER-2-negative Patientinnen, also Patientinnen ohne HER-2/neu-Überexprimierung, aber mit HER-2-positiven Tumorzellen im Blut mit Trastuzumab behandelt werden.“
Wie vermittelt Trastuzumab seine Wirkung?
In die PHARE-Studie waren 3.384 Patientinnen mit operablem Mammakarzinom und HER-2-überexprimierenden Tumoren aufgenommen worden. Die Patientinnen wurden randomisiert entweder für 6 oder für 12 Monate zusätzlich zum üblichen Vorgehen mit einer adjuvanten Trastuzumab-Therapie versorgt. Zusätzlich wurden die Studienteilnehmer nach Art der Trastuzumab-Gabe – zeitgleich zur oder nach der Chemotherapie – und nach ihrem ER-Status stratifiziert.
Der humanisierte monoklonale Antikörper Trastuzumab dockt auf der Zelloberfläche der Tumorzellen am epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor HER2/neu (Humaner Epidermaler Wachstumsfaktor Rezeptor) an, was zu einer Hemmung der Tumorzellproliferation führt. Assoziiert ist die gewünschte therapeutische Wirkung allerdings mit zum Teil schwerwiegenden Nebenwirkungen. Prominenteste unerwünschte Wirkung sind Schädigungen des Myokards, die zwar in der Regel reversibel sind. Bei Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen, besonders Herzinsuffizienz, muss vor einer Therapieentscheidung dennoch eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung vorgenommen werden.
Neben dem potenziellen Risiko für Herzerkrankungen und der Toxizität sind die Therapiekosten Argumente für eine verkürzte Therapiedauer. Etwa 12 bis 15% der Brustkrebs-Patientinnen sind für diesen Therapieansatz zugänglich. Die Länge der adjuvanten Therapie mit Trastuzumab basiert allerdings bisher nur auf wenigen klinischen Daten und ist deshalb in der Debatte.