Cholinesterase-Hemmer sind Standard bei leichter bis mittelgradiger Alzheimer-Demenz, sie können jedoch möglicherweise auch das Risiko für einen Herzinfarkt und dadurch bedingte Todesfälle senken. Diesen möglichen Zusammenhang deckte jetzt eine Beobachtungsstudie von dem schwedischen Forscherteam um Prof. Dr. Peter Nordström von der Abteilung Geriatrie des Fachbereichs für Sozialmedizin und Rehabilitation der Universität Umeå auf, die sich auf landesweite Krankheitsregister stützt [1].

Prof. Dr. Thomas Eschenhagen, Leiter des Instituts für Experimentelle Pharmakologie und Toxikologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Koordinator des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung, hält es für plausibel, dass diese kardioprotektive Wirkung über den Vagusnerv vermittelt sein könnte.
Er betont zwar, dass Beobachtungsstudien wie die hier beschriebene immer Gefahr laufen, voreilig falsche Erkenntnisse in die Welt zu setzen. „Man muss bei dieser konkreten Studie bedenken, dass viele Demenzerkrankungen auch eine kardiovaskuläre Komponente haben, und dass daher, und aufgrund des durchschnittlichen Alters der Patientenkohorte, Kandidaten für einen Herzinfarkt hier sicher im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung überrepräsentiert sind. Damit lassen sich rein statistisch auch leichter Effekte finden, die sich auf Myokardinfarkte beziehen.“
Dennoch macht für Eschenhagen insbesondere die Vagusstimulation die Effekte nachvollziehbar, und er hofft, dass dieser in entsprechend großen prospektiven Studien weiter untersucht wird.
Je höher die CHE-Dosis, desto stärker der Schutzeffekt
Die Forscher werteten die Daten von 7.073 im schwedischen Demenzregister geführten Patienten aus, die im Mittel 79 Jahre alt waren und seit 2007 die Diagnose Alzheimer-Demenz oder gemischte Alzheimer-Demenz erhalten hatten. Anhand weiterer Krankheitsregister setzten die Autoren die Cholinesterase-Hemmer-Einnahme dieser Patienten in Beziehung zu Herzinfarkten und Todesfällen in derselben Patientenkohorte.
Sie fanden heraus, dass für diesen zusammengesetzten Endpunkt jene Patienten, die Cholinesterase(CHE)-Hemmer einnahmen, ein um 34% geringeres Risiko hatten (Hazard Ratio (HR): 0,66, 95%-KI 0,56-0,78). Die Nachbeobachtungszeit betrug dabei im Mittel 503 Tage (Spannbreite 0 bis 2009 Tage). Darüber hinaus konnte die Gruppe feststellen, dass der Effekt noch ausgeprägter war, wenn jeweils die höchste Dosis des betrachteten CHE-Hemmers eingenommen wurde (10 mg für Donepezil, > 6 mg für Rivastigmin bzw. 24 mg für Galantamin).
Da es sich lediglich um eine Beobachtungsstudie handelt, erheben die Autoren nicht den Anspruch, hier einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Gebrauch von CHE-Hemmern und der Reduktion des Herzinfarktrisikos nachgewiesen zu haben – dazu wären große, randomisierte und kontrollierte klinische Studien nötig.
Über die Wirkweise wird spekuliert
Sie beschreiben jedoch 2 aus der Literatur bekannte Mechanismen, die eine solche (Neben-) Wirkung der Substanzklasse möglich erscheinen lässt. CHE-Hemmer verlängern die Wirkung des körpereigenen Neurobotenstoffs Acetylcholin, da sie das für den Abbau zuständige Enzym Cholinesterase blockieren. Einerseits weisen CHE-Hemmer aufgrund des geminderten Acetylcholinabbaus antientzündliche Eigenschaften auf. Da vielen Herzinfarkten eine Arteriosklerose zugrunde liegt, die als auch entzündliche Erkrankung interpretiert wird, könnten sich CHE-Hemmer günstig auf die Stabilität atherosklerotischer Plaque auswirken, indem sie die dort die Freisetzung von Zytokinen unterbinden – so die Autoren.
Als wahrscheinlicher gilt der Gruppe um Nordström jedoch, dass es die vagusstimulierende Wirkung der CHE-Hemmer ist, die sich günstig auf das Herzinfarktrisiko auswirkt.
Das hält auch Eschenhagen für wahrscheinlich: „Im Bereich der Herzinsuffizienztherapie laufen derzeit klinische Studien zur elektrischen Stimulation des Vagusnervs durch kleine Implantate. Denen liegt dieselbe Beobachtung zugrunde: Sowohl beim Herzinfarkt als auch bei der Herzinsuffizienz ist die Sympathikusaktivität erhöht, die Parasympathikusaktivität gemindert. Eine Stimulation des Vagusnervs könnte diesem Ungleichgewicht entgegenwirken und günstig für das Herz sein.“
Andere aktuelle Studien zur gezielten Untersuchung der kardioprotektiven Wirkung von CHE-Hemmern sind Eschenhagen nicht bekannt. Er verweist auch darauf, dass die Substanzen oft mit gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Durchfällen verbunden sind, was bei älteren, zur Konstipation neigenden Patienten möglicherweise nicht als problematisch anzusehen ist, jedoch im Auge behalten werden sollte.
Weitere mögliche Nebenwirkungen seien Bradykardie, AV-Block und Synkopen. Angesichts der großen gesellschaftlichen Relevanz kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität hält Eschenhagen den Ansatz der Vagusstimulation zur Herztherapie, ob pharmakologisch oder elektrisch, jedoch für vielversprechend und beachtenswert.