
Vitamin-D-Mangel ist möglicherweise eine der stärksten Determinanten für eine hohe Viruslast bei Patienten mit chronischer Hepatitis B (cHBV). Ein Forscherteam um Dr. Christian Lange, Medizinische Klinik I des Universitätsklinikums Frankfurt am Main, hat jetzt gezeigt, dass ein Mangel am Steroidhormon Vitamin D3 (25-OHD3) mit der Ausbreitung des Hepatitis-B-Virus im Serum bzw. in der Leber korreliert. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin Hepatology veröffentlicht [1].
„Man wusste bereits, dass Vitamin D ein wichtiger Immunmodulator ist, der bei entzündlichen und metabolischen Lebererkrankungen einschließlich der Hepatitis C eine Rolle spielt. Der Zusammenhang zur chronischen Hepatitis B war dagegen bisher unbekannt“, schreiben Lange und Kollegen. Sie haben von Januar 2009 bis Dezember 2012 insgesamt 203 therapienaive Träger des Hepatitis B surface Antigen (HBsAg) untersucht. Ausgeschlossen waren Patienten, die auch mit HCV, HDV oder HIV infiziert waren, die exzessiv Alkohol konsumierten oder an einem hepatozellulären Karzinom (HCC) bzw. anderen malignen Tumoren litten.
Gemessen wurde die Vitamin-D-Serumkonzentration initial und im Jahresverlauf. International gelten >30 ng/ml als optimal, 20-29 ng/ml als ausreichend, bei 10-19 ng/ml spricht man von Insuffizienz, bei <10 ng/ml von Defizienz. Die Bestimmung der HBV-DNA-Viruslast (log10 IU/ml) dient bei unbehandelten Patienten zur Ermittlung des Therapiebeginns, >2.000 IU/ml zeigt als Schwellenwert die Therapiebedürftigkeit an.
Nur 19% mit ausreichendem Vitamin-D-Spiegel
Im Ergebnis wiesen 69 (34%) der Patienten einen ausgeprägten Vitamin-D-Mangel auf (<10 ng/ml), 95 (47%) einen mäßigen Mangel (10-20 ng/ml) und 39 (19%) ein normales Niveau (>20 ng/ml). Sowohl in der uni- als auch der multivariaten Analyse zeigte sich, dass die HBV-DNA-Viruslast ein starker Prädiktor für einen niedrigen 25-OHD3-Spiegel ist – und umgekehrt. Die mittlere Serumkonzentration lag bei Patienten mit einer HBV-DNA <2.000 IU/ml bei 17 ng/ml, bei Patienten mit einer HBV-DNA >2.000 IU/ml bei 11 ng/ml (p<0.00001).
Darüber hinaus hatten HBeAg(HB early Antigen)-positive Patienten niedrigere Vitamin-D-Werte als HBeAg-negative Patienten. Schließlich zeigte sich noch ein kausaler Zusammenhang durch inverse saisonale Einflüsse: Wenn die Vitamin-D-Serumkonzentration in den Sommermonaten anstieg, sank die HBV-DNA-Viruslast – und vice versa in den Wintermonaten mit geringer Sonnenexposition.
„Die Resultate legen einen kausalen Zusammenhang zwischen einem niedrigen D3-Serumspiegel und hoher HBV-Replikation bei Patienten mit chronischer Hepatitis B dar. Darin zeigt sich ein wichtiger Unterschied zur chronischen Hepatitis C, für die zahlreiche frühere Studien keine Korrelation zwischen Viruslast und Vitamin-D-Spiegel hergestellt haben“, schreiben die Autoren.
Was die neuen Erkenntnisse praktisch für Hepatitis-B-Virusträger bzw. Langzeitinfizierte bedeuten könnte, beantwortet Lange auf Nachfrage von Medscape Deutschland: „Es ist denkbar, dass eine Vitamin-D-Supplementation bei Patienten mit chronischer Hepatitis B zu einer Risikoreduktion für Zirrhose und HCC führt. Vor allem das HCC-Risiko wird durch die geringere Viruslast eindeutig determiniert. Allerdings muss dieser mögliche Nutzen durch prospektive Placebo-kontrollierte Studien belegt werden, davor ist keine definitive Aussage möglich.“
Ausgleich im Rahmen der Osteoporose-Prävention
In weitergehenden Studien untersuchen die Forscher nun, wie Vitamin D konkret zur Behandlung der cHBV eingesetzt werden kann, die als schwierig gilt und nicht kurativ ist. Lange: „Ein additiver Effekt des Vitamin D auf herkömmliche Therapien ist möglich, noch aber ungewiss.“ Dennoch empfiehlt man in Frankfurt den Patienten bereits jetzt den Ausgleich eines Vitamin-D-Mangels im Rahmen der Osteoporose-Prävention [2].
Hepatitis B
Hepatitis B gehört zu den häufigsten Infektionskrankheiten weltweit, nach Schätzungen der WHO wird von mehr als 350 Millionen Virusträgern ausgegangen. Für Deutschland bezifferte Prof. Dr. Ansgar Lohse, Direktor der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, anlässlich des Kongresses Viszeralmedizin 2012 rund 500.000 (0,5%) Personen als Träger des HBsAg – darunter gehäuft Migranten, intravenös Drogenabhängige und Homosexuelle [3].
„Die Zahl kann jedoch täuschen, denn es handelt sich um eine unterdiagnostizierte Erkrankung“, sagte Lohse seinerzeit. Mehr noch: „Eigentlich ist Hepatitis B zumindest hierzulande unnötig, weil verhinderbar. Einerseits gibt es seit Anfang der 1980er-Jahre einen hochwirksamen Impfstoff, andererseits erfolgte 1995 die Aufnahme der Impfung in die Richtlinien der Ständigen Impfkommission schon für Säuglinge und Kleinkinder.“ Da auch die Behandlung nicht leitliniengerecht erfolge, würde jeder 3. Langzeitinfizierte eine Leberzirrhose mit deutlich erhöhtem Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom entwickeln.