Chicago – Der Vitamin-D-Bedarf wird in Deutschland oft nicht gedeckt: Nur wenige Menschen nehmen über Lebensmittel die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlenen 20 µg/d (800 IU) zu sich, denn dazu müssten sie täglich z.B. etwa 75 g Hering oder 125 g Lachs essen. Auch der Aufenthalt in der Sonne gerät oft zu kurz; ausreichend wären ohne orale Vitamin-D-Zufuhr etwa 15 Minuten im Sommer oder 25 Minuten im Frühjahr und Herbst – jeden Tag, über Mittag, mit unbedecktem Gesicht und unbedeckten Unterarmen. Für Menschen mit dunkler Hautfarbe und/oder Adipositas genügt auch das noch nicht.
Dr. Heather Herson Burris, Ärztin für Perinatalmedizin und Neonatologie im Boston Children’s Hospital, betonte auf dem Kongress der American Diabetes Association (ADA) in Chicago, dass Vitamin-D-Mangel nicht nur für die Knochen folgenschwer sein kann: „Vitamin-D-Rezeptoren gibt es überall im Körper“, erinnerte sie [1}. Während Studien zu Vitamin D im Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs bisher uneinheitliche Ergebnisse gebracht haben, fokussierte sich Burris nun auf den Vitamin-D-Mangel in der Schwangerschaft. Sie präsentierte 2 aktuelle Studien, die einen Zusammenhang von Vitamin-D-Mangel und Gestationsdiabetes (GDM) nahelegen.
Gestationsdiabetes verdreifacht bei schwerem Vitamin-D-Mangel
Allgemein gilt: Liegt der Serumspiegel von 25-OH-Vitamin-D unter 50 nmol/l bzw. unter 20 ng/ml, so besteht eine Vitamin-D-Defizienz, bei unter 25 nmol/l bzw. unter 10 ng/ml sogar eine schwere Vitamin-D-Defizienz. Mit 42 nmol/l bei Kindern und Jugendlichen, 46 nmol/l bei Erwachsenen und 40 nmol/l bei Senioren – nach Erhebungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) – liegt der Median der deutschen Bevölkerung also in allen Altersklassen im Mangelbereich. Schwangere machen hier sicherlich keine Ausnahme.
In Chicago präsentierte Burris „Project Viva“, eine Geburtskohortenstudie in den USA, in deren Rahmen 1.314 Schwangere am Ende des zweiten Trimenons (26.-28. SSW) erfasst wurden [2]. Bei ihnen wurde neben dem üblichen 50g-Glukose-Suchtest auf GDM auch eine Messung des 25-OH-Vitamin-D-Spiegels vorgenommen.
Die Frauen waren im Durchschnitt 32 Jahre alt, hatten vor der Schwangerschaft einen Body-Mass-Index (BMI) von 24,7 kg/m² und seither 6 kg zugenommen. Der Mittelwert ihrer Vitamin-D-Spiegel lag bei 59 nmol/l. 62 der Frauen hatten Werte unter 25 nmol/l. Wie von Burris und Kollegen angenommen, war bei ihnen die GDM-Rate deutlich erhöht: „Ein Schwangerschaftsdiabetes kam bei ihnen 3,6-mal so häufig vor wie bei Frauen mit Werten >25 nmol/l“, so Burris. Die GDM-Rate betrug 15% in der Gruppe mit schwerem Vitamin-D-Mangel und nur 5% in der Gesamtkohorte. Nach Adjustierung auf zahlreiche Einflussfaktoren war das GDM-Risiko bei Frauen mit schwerer Vitamin-D-Defizienz noch immer um den Faktor 2,2 erhöht.
Höchstdosen Vitamin D verringern Insulinresistenz
Eine aktuelle iranische Studie untermauert diese Erkenntnisse [3]. Hier wurden 113 Frauen im ersten Trimester eingeschlossen, die vor der Schwangerschaft keine Diabetikerinnen waren. Sie wurden mit täglich 200 IU (5 µg), monatlich 50.000 IU (täglich etwa 45 µg) oder zweiwöchentlich 50.000 (täglich etwa 90 µg) Vitamin D supplementiert. Der durchschnittliche Vitamin-D-Spiegel lag vor der Intervention in den 3 Gruppen bei 8,3 ng/ml, 7,3 ng/ml und 7,3 ng/ml; er stieg auf 17,7 nmol/l, 27,2 nmol/l bzw. 34,1 nmol/l an. „Sowohl der Insulinspiegel als auch die Insulinresistenz laut HOMA-IR war bei den Frauen mit der höchsten Dosis Vitamin D signifikant besser als bei denen mit der niedrigsten Dosis“, berichtete Burris (p=0,01 bzw. 0,02). Letztere Dosis war allerdings für hiesige Verhältnisse ungewöhnlich niedrig.
Eine konkrete Empfehlung für eine Änderung der empfohlenen Vitamin-D-Supplementierung oder einen bestimmten Vitamin-D-Zielwert für Schwangere wollte Burris aus den von ihr vorgestellten Studien allerdings nicht ableiten. Hier sind wohl noch weitere Untersuchungen erforderlich.