Den Knochen stärken: Alendronat für Kinder mit Mukoviszidose

Petra Plaum | 28. Juni 2013

Autoren und Interessenkonflikte

Ein Bisphosphonat bei Mukoviszidose? Tatsächlich neigen viele Mukoviszidose-Patienten von früher Jugend an zur Osteoporose. Eine gerade veröffentlichte, randomisierte Multicenter-Studie aus Italien – die erste ihrer Art – belegt, dass Alendronat die Lebensqualität junger Mukoviszidose-Patienten mit Osteoporose verbessern kann [1]. Nach einem Jahr Therapie mit dem Bisphosphonat verfügten vor allem Kinder und Jugendliche, in geringerem Maße auch junge Erwachsene, über eine gesteigerte Knochenmineraldichte (Bone Mineral Apparent Density, BMAD).

 

Dr. Maria Luisa Bianchi
 

„Bisphosphonate können umsichtig bei jungen Patienten angewandt werden, wenn andere, simplere Maßnahmen wie die Gabe von Kalzium oder Vitamin D nicht geholfen haben”, meint Dr. Maria Luisa Bianchi aus dem Istituto Auxologico Italiano IRCCS in Mailand, die mit ihrem Team die Studie designt und durchgeführt hat.

„Bei Bisphosphonaten in der Therapie so junger CF-Patienten sind die Italiener Vorreiter“, betont Mirjam Stahl vom Mukoviszidose-Zentrum am Universitätsklinikum Heidelberg gegenüber Medscape Deutschland. Auch hierzulande erforscht man, wie Kinder und Jugendliche, die Mukoviszidose haben und zusätzlich von Osteopenie oder Osteoporose betroffen sind, geholfen werden kann. Die Ergebnisse einer Heidelberger Studie hierzu werden demnächst veröffentlicht. Stahl befürwortet grundsätzlich Studien zu diesem Thema  – „sonst erfährt man nie mehr über die Wirkung dieser Medikamente bei jungen Patienten.“ 

In die aktuelle italienische Untersuchung wurden 171 Patienten zwischen 5 und 30 Jahren mit Mukoviszidose und niedriger Knochendichte aufgenommen. Sie wurden in einem von 10 regionalen Zentren in Italien behandelt, die sich auf die Mukoviszidose (auch zystische Fibrose oder CF genannt) spezialisiert haben. „CF-Patienten haben jetzt eine immer höhere Lebenserwartung, wir behandeln schon Patienten, die über 50 Jahre alt sind“, betont Bianchi gegenüber Medscape Deutschland.

Die Knochensubstanz der Patienten ist anfällig für Osteoporose, weil z.B. Nährstoffe vermindert absorbiert werden. Hinzu kommen mitunter der Mangel an Vitamin D und K sowie eine Behandlung mit Glucocorticoiden. Während Bisphosphonate wie Alendronat sich bei Erwachsenen in aller Welt bewährt haben, gab es bislang nur wenige kleine Untersuchungen zur Behandlung von Kindern oder Heranwachsenden mit den Substanzen [2]. Bianchi und ihr Team fingen 2002 mit ihrer Studie an, von 540 zunächst anvisierten Patienten waren 171 geeignet, stimmten zu und schlossen die Studie auch ab.

Viel zusätzliche Knochenmineraldichte – wenig Nebenwirkungen

In Phase 1 wurde die Ernährung der Patienten so gestaltet, dass sie mehr Kalzium zu sich nahmen. Alle bekamen zusätzlich Calcidiol als Vorstufe von Vitamin D3. Ein Kriterium war die Veränderung der BMAD in der Lendenwirbelsäule (gemessen mit Dual-Röntgen-Absorptiometrie). Zusätzlich wurden in Serum und Urin Veränderungen der Knochenmarker gemessen – zu Beginn der Studie und danach alle 3 bis 6 Monate.

12 Monate Therapie mit zusätzlichem Kalzium und Calcidiol erwiesen sich für 43 Patienten als ausreichend; ihre Knochendichte nahm um mindestens 5% zu. Für sie war die Studie zu Ende. Die anderen 128 Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen begannen Phase 2. Randomisiert wurden 65 ausgewählt, um täglich Alendronat einzunehmen, 63 bekamen ein Placebo. Beide Gruppen behielten die kalziumreiche Diät und die Calcidiol-Einnahme bei.

57 Teilnehmer der Alendronat-Gruppe sowie 56 der Placebo-Gruppe waren bei Beginn der Phase 2 jünger als 19. „19 von ihnen, das heißt 33,3% der Kinder und Heranwachsenden, die Alendronat erhielten, erreichten in der Tat eine BMAD und einen Z-Score, die dem Alter entsprechend normal waren”, berichtet Bianchi, „verglichen mit nur 7 oder 12,5%, derer, die Placebos nahmen“. Zudem: „Wir haben keine ernsten Nebenwirkungen erfasst."

Es gab einen Fall von Fieber in der Alendronat-Gruppe, verglichen mit keinem in der Placebo-Gruppe. In jeder Gruppe hatte je ein Teilnehmer Kopfschmerzen, 2 pro Gruppe berichteten von Muskel- oder Knochenschmerzen, und während 7 aus der Placebo-Gruppe über gastrointestinale Beschwerden klagten, kamen solche Beschwerden bei 5 aus der Alendronat-Gruppe vor. Die Mediziner fanden „keine relevanten biochemischen oder hämatologischen Anomalien. Alendronat hat das Wachstum, die Pubertät und den Monatszyklus nicht beeinflusst.“

Die Studie zeigte zudem, dass diejenigen Patienten, die das Tanner-Stadium 5 erreichten (bei Jungs) oder ihre erste Regelblutung hatten (Mädchen), während sie in Behandlung waren, besonders gut auf Alendronat ansprachen. Hier stieg der BMAD-Mittelwert deutlich mehr an als bei der Placebo-Gruppe (+ 19,8%, Standardabweichung SD 9,7% vs. + 8,9%, SD 4,3%).

Alendronat ist zum einen ein Resorptionshemmer, in dem es die Knochen-abbauenden Osteoklasten blockiert. Es ruft zum anderen jedoch auch eine Teilblockade der Osteoblasten hervor. Daher gab es die Befürchtung, beim noch wachsenden Patienten könnte der Entwicklungsprozess zum Stillstand kommen. Das war nicht der Fall: Das Medikament hatte keinen negativen Einfluss auf die normale Knochenbildung derjenigen Studienteilnehmer, die sich noch im Wachstum befanden.

Alles in allem nahmen sowohl BMAD als auch Z-Score in beiden Gruppen in den 2 Jahren der Behandlungen und Kontrollen zu. Das belegt auch, welche Bedeutung eine angemessene Ernährung und Vitamin-D-Gabe für CF-Patienten haben. Zu Beginn der Studie zeigte sich ein BMAD-Mittelwert von 195,0 mg/cm3 (SD 31,0) und ein durchschnittlicher Z-Score von –2.5 (SD 0,6; zwischen –2.0 und –5,1). Nach 24 Monaten wies die Placebo-Gruppe eine mittlere BMAD von 205,6 mg/cm3 (SD 33,1) und einen durchschnittlichen Z-Score von  -2,1 auf (SD 0,4;  -1 bis -4). Bei den Studienteilnehmern, die Alendronat einnahmen, wurde abschließend eine mittlere BMAD von 233,9 mg/cm3(SD 28,2) und ein durchschnittlicher Z-Score von -1,7 gemessen (SD: 0,8; +0,5 bis -3,3).

Langzeitfolgen bedenken

Ob Alendronat Knochenbrüchen vorbeugen kann, müssen weitere Studien klären, betont Bianchi. Im Rahmen ihrer Studie gab es sie selten; vor Studienbeginn berichteten 33 Patienten bzw. ihre Eltern von insgesamt 36 Frakturen. Während der einjährigen Beobachtungsphase kam es zu 6 Brüchen, in der zweiten Phase zu 5 weiteren. Hiervon ereignete sich eine Fraktur in der Alendronat-Gruppe. 

Ein Fünftel aller Patienten in beiden Gruppen von Phase 2 musste Glucocorticoide einnehmen, so überprüften Bianchi und ihr Team, ob dies die Wirkung von Alendronat mindern könnte. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass „Alendronat die BMAD verbesserte, unabhängig von Dauer, Kumulation oder aktueller Dosis der Glucocorticoidgabe.“

 

Dr. Jutta Bend
 

Stahl gibt zu bedenken, dass „die Langzeitfolgen dieser Therapie bei Kindern und Jugendlichen bisher unbekannt sind.“ Sie und ihre Kollegen setzen bei den jüngsten Mukoviszidose-Patienten darum vorrangig darauf, „mit Vitamin D, einer ausreichenden Calciumzufuhr über die Nahrung und Bewegung dafür zu sorgen, die Knochendichte zu verbessern.“

Die Studie aus Italien bezeichnet Stahl als „von Design und Durchführung her sehr überzeugend, da sie sich a) vom therapeutischen Vorgehen her an der sinnvollen klinischen Abfolge orientiert – erst Vitamin D und Calcium optimieren, dann ggf. Bisphosphonate, b) die verschiedenen Parameter und Einflussfaktoren des Knochenstoffwechsels berücksichtigt und c) eine große Anzahl Patienten untersucht. Hierzu kann man den Autoren nur gratulieren.“

Die hohe Qualität der Studie lobt auch Dr. Jutta Bend, zuständig für klinische Studien bei Mukoviszidose e. V./Mukoviszidose Institut. „Die Studienergebnisse legen nahe, dass Alendronat bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit CF, die nicht auf Vitamin D und Kalzium ansprechen, aber eine niedrige Knochendichte haben, eine weitere Therapieoption ist“, erklärt sie gegenüber Medscape Deutschland. Zudem: „Dies ist insbesondere im Zusammenspiel mit der jetzt in Deutschland zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen durchführbaren Knochendichtemessung von Bedeutung“. Der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Kostenübernahme von Osteoporose-Knochendichtemessungen bei chronisch erkrankten Patienten, also auch CF-Patienten, trat am 10. Mai 2013 in Kraft.

Da Alendronat in Deutschland nicht für Kinder zugelassen ist, ist laut Bend abzuwarten, „ob es im Einzelfall off-label verordnet werden kann.“ Sie ist gespannt darauf, ob „die Daten dieser einen Studie die spezialisierten Ärzte schon überzeugen, Alendronat bei Kindern mit CF zu geben. Weitere Studien zum Thema wären sicherlich wünschenswert, aber auch schwer durchführbar. Da es gerade bei Kindern auch maßgeblich auf die richtige Dosierung ankommt, ist es m.E. auch sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass bei einer Verordnung auf jeden Fall Experten für pädiatrische Knochenerkrankungen involviert werden müssen, um die Patienten nicht zu gefährden.“

Auf jeden Fall dürfe die Osteoporose bei Mukoviszidose nicht unterschätzt werden: „Die zahlreichen osteoporose-bedingten Knochenbrüche führen zu einer zunehmenden Immobilität der Patienten, was zu einem Teufelskreis und entsprechender Verschlechterung des Krankheitsverlaufs führt.“

Referenzen

Referenzen

  1. Bianchi ML et al.: Lancet (online) 2. Juni 2013
    http://www.thelancet.com/journals/lanres/article/PIIS2213-2600(13)70064-X/abstract
  2. Bachrach LK, Ward LM: J Clin Endocrinol Metab 2009;94(2):400-409
    http://dx.doi.org/10.1210/jc.2008-1531

Autoren und Interessenkonflikte

Petra Plaum
Es liegen keine Interessenskonflikte vor.

Bianchi ML, Stahl M, Bend J: Es liegen keine Interessenskonflikte vor.

Studie wurde von der Telethon Foundation Italy finanziert.

Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.