Madrid – Bei Gichtpatienten beschränken sich viele Ärzte darauf, akute Attacken zu behandeln – ein Fehler, denn die weitaus meisten Patienten erleiden über kurz oder lang weitere Gichtanfälle, die in eine chronische Gicht mit Uratdepots in den Weichteilen und Gelenkzerstörung münden. Nachdem die akute Gelenkentzündung beseitigt ist, sollte deshalb ein Konzept zum Langzeitmanagement entwickelt und mit dem Patienten besprochen werden.
„Nur bei der Gicht können wir die Kristalldepots effektiv auflösen und dadurch Gelenk- und Gewebeschäden vorbeugen“, betonte Prof. Dr. Thomas Bardin, Leiter der Rheumatologie am Hôpital Lariboisière, Paris, beim Jahreskongress der European League Against Rheumatism(EULAR) in Madrid [1]. In seinen Augen ist die Harnsäuresenkung die wichtigste therapeutische Maßnahme überhaupt.
Als Zielwert sollten Serumspiegel unter 6 mg/dl angepeilt werden, wobei in schweren Fällen auch eine Senkung unter 5 mg/dl erwogen werden kann. Denn Studien zeigen, dass die Schubrate bei konsequenter Harnsäuresenkung mit der Zeit auf nahe Null reduziert wird und dass sich die Harnsäuredepots in den Tophi umso schneller leeren, je tiefer der Serumspiegel gesenkt wird [2].
Gibt es zu niedrige Harnsäurespiegel?
Die Frage stellt sich natürlich: Kann man auch zu tief gehen bei der Harnsäuresenkung? Harnsäure ist immerhin ein Antioxidans, und es gibt epidemiologische Studien, die niedrige Harnsäurespiegel mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Parkinson und Alzheimer-Demenz in Verbindung bringen [3]. Eine große Kohortenstudie ergab eine U-Kurve bei der kardiovaskulären Mortalität mit ansteigenden Raten unterhalb von 3 mg/dl und oberhalb von 7 mg/dl [4].
Zu klären bleibt dabei jedoch, ob niedrige Harnsäurespiegel einen Risikofaktor oder einen Risikoindikator darstellen, also ob sie per se gefährlich sind oder eine gemeinsame Ursache das Herz- und Hirnrisiko und den Uratspiegel ansteigen lässt. „Langfristig mag es sinnvoll sein, etwa 6 mg/dl anzustreben, sobald die Gewebedepots aufgelöst sind“, meint Bardin.
Langzeittherapie schützt die Gelenke
Die Langzeittherapie ruht auf drei Säulen: Zum einen können Lebensstilmaßnahmen – sprich mehr Bewegung und Ernährungsumstellung mit Einschränkungen bei Fleisch, alkoholischen und zuckerreichen Getränken – die Uratspiegel um etwa 1 mg/dl senken. Zum anderen sollten Hyperurikämie-fördernde Medikamente, vor allem Diuretika und bestimmte Immunsuppressiva, durch alternative Wirkstoffe ersetzt werden. So sollte beispielsweise eine Hypertonie bei Gichtpatienten eher mit einem Kalziumantagonisten behandelt werden als einem Renin-Angiotensin-Hemmstoff – Ausnahme: Losartan, das selbst harnsäuresenkende Wirkung hat.
Schließlich sollte eine medikamentöse Harnsäuresenkung erwogen werden, wenn der Patient mehr als einen Gichtanfall erlitten hat oder Tophi anzeigen, dass es sich um eine chronische Gicht handelt [5]. Wichtig ist dabei, dass der Patient zugleich mit NSAR oder Colchizin vor akuten Gichtanfällen geschützt wird, die ausgelöst werden können, wenn die Harnsäure aus den Gewebedepots gelöst wird. Sonst besteht die Gefahr, dass der Patient die harnsäuresenkende Medikation als vermeintlich unwirksam wieder absetzt.
Firstline-Option bei der Harnsäuresenkung sind die Xathinoxidasehemmer Febuxostat und Allopurinol [5]. Auch nach Auflösung der Kristalldepots sollte die Behandlung auf unbestimmte Zeit fortgeführt werden, sonst drohen neue Gichtschübe.