
Berlin – Die Führungskultur im Krankenhaus verändert sich. Althergebrachte Hierarchien brechen auf, autoritäre Strukturen sind nicht mehr gefragt. Die Generation Y verlangt teamorientiertes Arbeiten, innovative Arbeitszeitmodelle und ein gutes Betriebsklima. Getreu ihrem Motto „Leben beim Arbeiten“ will sie sich vor allem wohl fühlen während der Ausübung ihres Berufes. Wie schaffen es leitende Ärzte und leitende Pflegekräfte angesichts des immensen Kostendrucks und der Arbeitszeitverdichtung in Kliniken, diesen Bedürfnissen nachzukommen, um das kostbare Personal nicht an die Konkurrenz zu verlieren?
Dr. Georg Ludwig Hellmann, Inhaber der d | h | b Personalberatung in Meppen gab im Anschluss seines Vortrages beim Hauptstadtkongress für Medizin und Gesundheit, der Im Juni in Berlin stattfand, für Medscape Deutschland einige Antworten zur Personalführung in Kliniken [1].
Medscape Deutschland: Personalführung war bisher in Klinken ein eher untergeordnetes Thema. Welche Veränderungen erwarten Sie angesichts des Mangels an Ärzten und Pflegekräften für diesen Bereich?
Dr. Hellmann: Der Erfolg eines Krankenhauses im Wettbewerb entscheidet sich über die Personalführung. Er hängt im hohen Maße davon ab, wie Chefärzte und Pflegeleitungen mit ihren Mitarbeitern umgehen. Klinikmanagement ist seit Jahren ein großes Thema. Doch heute reicht es nicht mehr, nur Arzt und Manager oder nur Pfleger und Manager zu sein.
Der unternehmerische Erfolg ist das Produkt einer zielorientierten, strategischen und operativen Kooperation von ärztlichen und nichtärztlichen Mitarbeitern. In Zeiten des Personalmangels stehen wir vor einer neuen Herausforderung: Führung ist, wenn Mitarbeiter zufrieden sind. Der Erfolg der Führung ist gefährdet, wenn die Führungskraft darauf keine Rücksicht nimmt.
Medscape Deutschland: Manche Kliniken – leider noch nicht viele – bemühen sich um flexible Arbeitszeiten und Kindertagesstätten. Reicht das, um auch für jüngere Mitarbeiter attraktiv zu sein?
Dr. Hellmann: So wichtig ein familienfreundlicher Arbeitsplatz ist – er nützt wenig, wenn der Mitarbeiter nach wie vor unzufrieden ist. Die Studie „Arbeitsplatz im Krankenhaus“ [2] definiert vier Bereiche, die für die Zufriedenheit der Ärzte wichtig sind: Sie wollen vom Vorgesetzten unterstützt werden, sie wollen von Kollegen unterstützt werden, sie wollen in einem Team arbeiten, und sie wollen mit den Vorgesetzten kommunizieren können. Wer hier Führungsfehler macht, wird Unzufriedenheit verursachen.
Die Neurowissenschaft hat es längst nachgewiesen: Nur Zufriedenheit produziert Wohlfühl-Botenstoffe. Und Zufriedenheit ist die Voraussetzung für Motivation. Und nur motivierte Mitarbeiter können die Leistung erbringen, die heute im Krankenhaus und von Patienten gefordert wird.
Medscape Deutschland: Was sind die wichtigsten Parameter, die eine Führungskraft im Krankenhaus beachten muss?
Dr. Hellmann: Nach den aktuellen Studien müssen Wünsche, Werte und Wohlfühlfaktoren in die Führung integriert werden. Das erfordert eine hohe Kompetenz und emotionale Verbundenheit der Führungskraft. An Entscheidungen müssen Mitarbeiter nicht nur partizipieren, sondern tatsächlich in die Entscheidungsfindung mit einbezogen werden. Dass nicht jeder Mitarbeiter mit seinen Wünschen, Werten und Einstellungen gleichermaßen und positiv berücksichtigt werden kann, ist klar. Hier lauern besondere Gefahren für Konflikte, die das Betriebsklima zerstören können. Um Mitarbeiter also zu integrieren, darf die Führungskraft Konflikte nicht ungelöst lassen. Ansonsten steigt die Bereitschaft, den Arbeitsplatz zu verlassen.
Medscape Deutschland: In Krankenhäusern arbeiten manchmal vier Generationen zusammen mit jeweils unterschiedlichen Wünschen und Wertvorstellungen. Da wird es immer wieder zu Konflikten kommen. Lässt sich das vermeiden?
Dr. Hellmann: Konflikte gehören zu Organisationen und Organisationen sind Konflikte. Veränderungsprozesse durch den tiefgreifenden Wandel in der Kliniklandschaft, verbunden mit den Präferenzen und der veränderten Kritikfähigkeit der jüngeren Altersgruppe, erhöhen das Konfliktpotential erheblich. Doch wir müssen Konflikte neu betrachten. Und das heißt auch, ein neues Führungsbild zu entwickeln.
Konflikte sind weder schädlich noch eine Katastrophe. Sie sind eine Chance, um Defizite und Kommunikationsprobleme in der Mitarbeiterführung zu erkennen. Konflikte, die ich nicht verhindern kann, muss ich mit mediativer Führungskompetenz professionell bearbeiten.
Medscape Deutschland: Wie muss man sich Mediation zur Konfliktlösung im Krankenhaus vorstellen?
Dr. Hellmann: Ziel einer Mediation ist es, eine Win-Win-Situation zwischen den Konfliktpartnern herzustellen, die ihnen wieder eine gute Zusammenarbeit ohne Gesichtsverlust ermöglicht. Systematische Mediation ist Verbesserung der bestehenden Konfliktbehandlung durch Mediationskompetenz bei leitenden Ärzten und Pflegern, unterstützt durch organisatorische Strukturen. Speziell ausgebildete Konfliktlotsen, die mit festgelegten Verfahrensregelungen Konflikte diagnostizieren, behandeln und lösen können, werden in Zukunft Bestandteil einer neuen Führungskultur in Kliniken.
Unbearbeitete Konflikte können zur Gefahr mit schwerwiegenden Folgen werden, wie Fluktuation, Krankheit, Machtkämpfe, Rollenkonflikte, abgebrochene Projekte etc. Und sie sind teuer: Erst die Kostentransparenz macht in vielen Krankenhäusern den wirtschaftlichen Abwärtstrend durch unsachgemäß behandelte Konflikte deutlich.
Medscape Deutschland: Das heißt, die Personalentwicklung hat noch Entwicklungspotential vor sich?
Dr. Hellmann: Leider haben wir in Kliniken noch zu oft einen autoritären Führungsstil. Noch fehlt die strategische Partnerschaft zwischen leitenden Ärzten, leitenden Pflegekräften und der Personalentwicklung. Und Krankenhäuser sehen Personal immer noch als Kostenfaktor. Viele Führungskräfte hängen dem Glauben an, dass ein Lob am Tag für die Motivation der Mitarbeiter ausreichend sei. Doch das ist ein modernes Wandermärchen.