
Philaldelphia – In einer klinischen Phase-2-Studie hat der gegen den Interleukin-4-Rezeptor gerichtete monoklonale Antikörper Dupilumab bei Patienten mit einem persistierenden mittelschweren bis schweren Asthma bronchiale im Plazebovergleich die Exazerbationsrate um 87% Prozent signifikant gesenkt. Erstmals vorgestellt wurden die von Prof. Dr. Tobias Welte, Direktor der Klinik für Pneumologie der Medizinischen Hochschule in Hannover, als „sensationell“ eingestuften Studienergebnisse nun bei der Jahrestagung der American Thoracic Society (ATS) in Philadelphia [1]. Für diese Studie waren ausschließlich solche Patienten selektiert worden, welche in Blut oder Sputum eine erhöhte Zahl eosinophiler Granulozyten aufwiesen.
Nach wie vor gelingt es mit den derzeit verfügbaren Antiasthmatika nicht, bei jedem Asthmatiker die angestrebte Krankheitskontrolle zu erreichen. Bei der Suche nach neuen therapeutischen Optionen hat eine amerikanische Arbeitsgruppe um Dr. Sally Wenzel von der University of Pittsburgh Schools of the Health Sciences mit dem gegen die alpha-Untereinheit des Interleukin-4-Rezeptor gerichteten humanen monoklonalen Antikörper Dupilumab nun einen neuen Weg aufgezeigt.
Im Rahmen der von Wenzel präsentierten und unmittelbar darauf im New England Journal of Medicine online publizierten randomisierten Doppelblindstudie waren 104 unter Standardmedikation (langwirksame Beta2-Sympathomimetika, inhalative Steroide) unzureichend kontrollierte Asthmatiker über 12 Wochen mit Dupilumab (einmal wöchentliche subkutane Injektionen à 300 mg) beziehungsweise Plazebo behandelt worden [2]. In die Studie aufgenommen wurden ausnahmslos Patienten mit einer erhöhten Zahl eosinophiler Graulozyten in Blut (> 300 Zellen pro Mikroliter) oder Sputum (> 3 Prozent Eosinophile). Primärer Studienendpunkt war die Exazerbationsrate unter der jeweiligen Medikation. Nach 4 Wochen sollten die Patienten zudem die Medikation mit den lang wirksamen Beta-Agonisten abbrechen und in Woche 6 bis 9 sollte auch die Steroidtherapie nach Möglichkeit bis auf Null heruntergefahren werden.
Im 12-wöchigen Interventionszeitraum kam es Angaben Wenzels zufolge zu insgesamt 26 Exazerbationen – davon 3 in der Verumgruppe und 23 in der Plazebogruppe. Daraus errechnet sich eine hochsignifikante Reduktion der Exazerbationsrate um 87% (p<0,001). Signifikante Effekte fanden sich auch im Hinblick auf sekundäre Endpunkte (Parameter der Lungenfunktion, Asthmakontrolle). Zudem konnte in der mit dem Antikörper behandelten Patientengruppe eine Abnahme solcher Biomarker demonstriert werden, die mit dem Th2-Helferzell-getriggerten Entzündungsgeschehen assoziiert sind.
Zumeist unspezifische und reversible Nebenwirkungen wurden in beiden Studienarmen gleichermaßen häufig berichtet – bei 77% der Plazebo- und bei 81% der Verumpatienten. Zu einem Studienabbruch kam es bei je 3 Patienten – in der Dupilumab-Gruppe u.a. aufgrund eines Angiödems, welches unter symptomatischer Prednisonbehandlung binnen einer Woche verschwunden war.
Allergene und mangelnde Adhärenz schmälern Therapierfolg
„Diese sensationellen Phase-2-Daten haben Experten aus aller Welt überrascht“, berichtet Welte im Gespräch mit Medscape Deutschland. Den Bedarf für neue Antiasthmatika stuft der Pneumologe als hoch ein, gelingt doch bei einem Teil der Patienten (zwischen 5 und 20%) mit herkömmlichen Medikamenten nicht die angestrebte Symptomkontrolle. Bei diesen Patienten sollten stets auch mangelnde Therapieadhärenz und schlechte Allergenkarenz ins therapeutische Kalkul gezogen werden. „Zusätzlich kann man die Kombinationstherapie um das langwirkende Anticholinergikum Tiotropium ergänzen. Auch der Leukotrienrezeptor-Antagonist Montelukast ist einen Versuch wert“, erklärt Welte. „Ist der Spiegel an Immunglobulin E (IgE) hoch, kann der Patient von einem Anti-IgE-Präparat wie Omalizumab profitieren. Hilft das alles nichts, bleibt zurzeit nur der Einsatz von oralen Steroiden.“
Große Hoffnung liegt deshalb auf neuen monoklonalen Antikörpern. Die meisten von ihnen wirken auf Interleukine, die an der Wanderung von Eosinophilen in die Lunge und deren Aktivierung beteiligt sind (Interleukin-5, Interleukin-13). Der Interleukin-5-Hemmer Mepolizumab hat die Phase 3 bereits erfolgreich abgeschlossen und wird bald zur Zulassung eingereicht, auch der Interleukin-13-Hemmer Lebrikizumab befindet sich bereits in der Phase-3-Studie.
„Warten wir erst einmal die Phase 3 ab“
„Doch wenn sich die Phase-2-Daten zu Dupilumab bestätigen, dann würde das die anderen Substanzen komplett kannibalisieren“, sagt Welte. „Doch warten wir erst einmal die Phase-3-Studie ab, es wäre nicht das erste Medikament, das in Phase 3 plötzlich nicht mehr entsprechend funktioniert.“
Besonders skeptisch sieht der Pneumologe, dass in Sally Wenzels Studie nur Asthma-Patienten mit Eosinophilie aufgenommen wurden – obwohl Dupilumab den Interleukin-4-Rezeptor hemmt. Interleukin-4 habe keinen Einfluss auf die Eosinophilen-Wanderung in die Lunge.
Weshalb die Studienautoren sich zu dieser pathophysiologisch schlecht zu begründenden Vorgehensweise entschieden haben, bleibt auch dem Experten rätselhaft. Beim Kongress darauf angesprochen, sei Sally Wenzel der Frage ausgewichen, berichtet Welte. „Man freut sich natürlich über solche Daten, aber so ein bisschen Ungläubigkeit bleibt im Hinterkopf.“
In einem der Studie gewidmeten Editorial warnt Dr. Michael E. Wechsler vom Department of Medicine, National Jewish Health, Denver/USA,davor, die Studie über zu interpretieren und nennt dabei die auch eine Welte ausgemachte Schwachstelle [3]: „Die Wirksamkeit ist nur in einer limitierten Subpopulation von Asthmatikern gezeigt.“ Zudem bemängelt Wechsler den in mancherlei Hinsicht geringen Praxisbezug. Vor allem entspreche es nicht der Praxis, bei schwer kranken Patienten die Standardmedikation abzusetzen, um Exazerbationen zu induzieren.
Zudem könne auch die Frage nach additiven Effekten nicht beantwortet werden. „Tatsächlich fanden sich in der ersten Studienphase, während der alle Patienten noch mit inhalativen Steroiden und lang wirksamen Beta2-Sympathomimetika behandelt wurden, keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Exazerbationsrate.“ Das wesentliche Verdienst der Studie sieht Wechsler vor allem in einem „proof of concept“.
Künftiger Stellenwert von Dupilumab nicht geklärt

Allzu optimistischen Interpretationen der Studienergebnisse, welche im Falle einer Bestätigung in nachfolgenden Phase III-Studien bereits das Ende der herkömmlichen Antiasthmatika am Horizont auftauchen sehen, hat auch Prof. Dr. J. Christian Virchow, Direktor der Abteilung Pneumologie & internistische Intensivmedizin der Universität Rostock, im Gespräch mit Medscape Deutschland eine klare Absage erteilt. „Es handelt sich hier um eine Studie mit experimentellem Design, die in einer selektierten Patientengruppe einstweilen nur den Nachweis einer Wirksamkeit vor allem im Hinblick auf die Exazerbationsrate unter Beweis gestellt hat – erstaunlich genug, wenn man bedenkt, dass den Patienten die bisherige Standardmedikation mit lang wirksamen Beta2-Sympathomimetika und inhalativen Steroiden nach und nach entzogen wurde.“ Ein derartiges Vorgehen dürfte jedoch kaum als Vorbild für die tägliche Praxis taugen.
„Eine entscheidende Frage wird sein, wie sich der monoklonale Antikörper als add on-Therapie in Kombination mit der bisherigen Standardmedikation bewährt. Solche Studien wird man wohl machen müssen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man hier zusätzliche Effekte sieht, halte ich aber durchaus nicht für gering.“ Wo exakt der neue Hoffnungsträger im Kreise der Antiasthmatika therapeutisch einzuordnen ist, diese Frage nach dem künftigen Stellenwert von Dupilumab ist nach den Worten Virchows zum gegenwärtigen Zeitpunkt „hinten und vorne nicht geklärt.“
Dass der gegen IL-4 gerichtete Antikörper tatsächlich alsbald die „Ära von Viani® und Co.“ beenden könnte, hält der Rostocker Pneumologe unabhängig vom Ausgang weiterer Studien schon allein angesichts des zu erwartenden Preises einer derartigen Innovation für sehr unwahrscheinlich.