Je mehr Paprika, desto weniger Parkinson – liegt es am Nikotin?

Michael Simm | 29. Mai 2013

Autoren und Interessenkonflikte

Dass Raucher ein erheblich reduziertes Risiko haben, an Parkinson zu erkranken, ist seit nunmehr 30 Jahren bekannt. Erstmals haben jetzt aber Wissenschaftler in einer größeren Studie Hinweise gefunden, dass der Genuss Nikotin-haltiger Nahrungsmittel – insbesondere Gemüse – ebenfalls mit einer verringerten Wahrscheinlichkeit für das Nervenleiden korreliert ist.

„Der Genuss von Paprika mindestens zweimal pro Woche ging mit einem um wenigstens 30 Prozent verringerten Risiko einher, an Parkinson zu erkranken”, fasste die Erstautorin der Studie, Dr. Susan Searles Nielsen vom Department of Environmental and Occupational Health Sciences der University of Washington School of Public Health, das Resultat zusammen. Wie Nielsen und ihre Kollegen in den Annals of Neurology berichten, entstammt dieses Ergebnis einem Vergleich der Ernährungsgewohnheiten von 490 neu diagnostizierten Patienten mit 644 Kontrollpersonen ohne neurologische Auffälligkeiten.
Was eine mögliche Erklärung angeht, so hält Dr. Jost-Julian Rumpf von der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universität Leipzig eine protektive Wirkung des in diesen Gemüsen enthaltenen Nikotins für durchaus wahrscheinlich. Aktuell prüft der Assistenzarzt in einer klinischen Studie den Effekt eines Nikotinpflasters auf das Fortschreiten einer neu diagnostizierten, bislang unbehandelten Parkinson-Erkrankung.

In der US-Studie fragten die Wissenschaftler nach 71 verschiedenen Nahrungsmitteln und Getränken. Von besonderem Interesse waren dabei Nachtschattengewächse (Solanaceae), denn zu dieser rund 2.700 Arten umfassenden Familie zählen nicht nur der Tabak, sondern auch essbare Pflanzen mit einem vergleichsweise hohen Gehalt an Nikotin, wie Paprika, Tomaten und Kartoffeln.

Nachdem die Forscher die Ergebnisse für den Genuss anderer Gemüsearten, Alter, Geschlecht, Ethnie, Tabakkonsum und Koffein adjustiert hatten, fanden sie für den Genuss aller essbaren Nachtschattengewächse ein Relatives Risiko von 0,81, was demzufolge für eine Erniedrigung des Parkinsonrisikos spricht. Das Relative Risiko bei Konsum aller anderen Gemüsearten lag bei 1,00, war also unverändert. Hochsignifikant wurde der Trend zu einem geringeren Risiko, als die Forscher die essbaren Nachtschattengewächse nach dem Nikotingehalt gewichteten, und als sie in ihrer Auswertung Paprika als besonders nikotinreiches Gemüse separat betrachteten.

Je mehr Paprika, desto weniger Parkinson

 
„Der Genuss von Paprika mindestens zweimal pro Woche ging mit einem um wenigstens 30 Prozent verringerten Risiko einher, an Parkinson zu erkranken.“
Dr. Susan Searles Nielsen
 

Vornehmlich bei Studienteilnehmern, die zuvor wenig oder gar nicht geraucht hatten fanden Nielsen und Kollegen zudem eine Dosis-Wirkungsbeziehung zwischen Paprikakonsum und einem verringerten Parkinsonrisiko. Diese Befunde müssten allerdings in weiteren Studien bestätigt werden, forderte Nielsen. In der Diskussion merken die Forscher an, dass Vorsicht auch deshalb geboten sei, weil die Konzentrationen des Nikotins in den Nahrungsmitteln im Vergleich zum Zigarettenrauch sehr gering seien und die Exposition wahrscheinlich sogar geringer als beim Passivrauchen.

Schließlich halten die Wissenschaftler es auch für möglich, dass eine noch nicht identifizierte Substanz für den Effekt verantwortlich ist, die sowohl in Tabak als auch in Paprika enthalten ist, und die stärker protektiv sein könnte als Nikotin. Ein möglicher Kandidat wäre das Alkaloid Anatabin, das antiinflammatorische Eigenschaften besitzt und das wegen seiner längeren Halbwertszeit und vielleicht geringeren Toxizität und Suchtpotenzial womöglich eher als Neuroprotektivum in Frage käme, schreiben sie.

In der Tat ist auch nicht eindeutig geklärt, ob Raucher deswegen seltener an Parkinson erkranken, weil Nikotin oder andere Substanzen im Tabak protektiv wirken, oder ob möglicherweise Unterschiede im Hirnstoffwechsel bei zukünftigen Parkinson-Patienten dazu führen, dass diese weniger Tabak konsumieren. Rumpf wertet die Studie der Kollegen als einen weiteren Hinweis auf die protektive Wirkung des Nikotins, „mehr aber auch nicht“.

Dass Nikotin nicht unbedingt aus Tabak kommen muss, sondern dass dafür auch bestimmte Nahrungspflanzen in Betracht kommen, sei eine interessante Beobachtung. „Dennoch würde ich meinen Patienten zum jetzigen Zeitpunkt die vermehrte Einnahme von Paprika noch nicht empfehlen.

Es sei zwar sicherlich nicht schädlich. Ob diese Maßnahme nach Ausbruch der Erkrankung noch einen therapeutischen Nutzen hat, ist jedoch fraglich.“ Nikotin als Therapeutikum beim Parkinson zu erforschen mache auf jeden Fall Sinn, „aber bitte nicht in Form von Zigaretten“, mahnt Rumpf.

Referenzen

Referenzen

  1. Nielsen SS, et al: Ann Neurol (online) 9. Mai 2013
    http://dx.doi.org/10.1002/ana.23884      

Autoren und Interessenkonflikte

Michael Simm
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Nielsen SS und andere Studienautoren: Forschungsgelder/Stipendien von den National Institutes of Health (NIH) / Details s. Orginalpublikation.

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