Leipzig – Ob Diabetiker oder nicht – ein zentrales Problem vieler Erwachsener ist Übergewicht oder gar Adipositas. Etliche sind bereit, durch Ernährungsumstellung etwas dagegen zu unternehmen. Doch welche Ernährung können Ärzte welchen Patienten empfehlen? Dies wurde bei einer Sitzung auf dem Jahreskongress der Deutschen Diabetes Gesellschaft diskutiert [1].
Ein Trend, der dabei deutlich wurde, ist die Abkehr von der Empfehlung einer kohlenhydratreichen Kost für Diabetiker: „Eine Ernährung mit mehr als 50% Kohlenhydratanteil ist für Diabetiker eher ungünstig: Sie erhöht postprandiale Glukose, Insulin und Triglyzeride und senkt das HDL-Cholesterin.“ Mit diesen Worten verwies Prof. Dr. Andreas F. H. Pfeiffer, Leiter der Abteilung Klinische Ernährung am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke, auf eine Metaanalyse von 19 Studien mit insgesamt allerdings nur 306 Patienten [2].
Was aber kann man als Alternative für die Kohlenhydrate (KH) empfehlen? In den Studien der Metaanalyse war die HighCarb-LowFat-Diät (58% KH / 24% Fette) randomisiert mit einer LowCarb-HighFat-Diät (40% / 40%) verglichen worden [2]. „Eine Hochfettdiät enthält aber meist auch viele gesättigte Fettsäuren, fördert die Adipozyten-Differenzierung, lässt in der Regel die freien Fettsäuren ansteigen und kann daher ebenfalls ungünstig sein“, gab Pfeiffer zu bedenken.
Individuelle Cholesterin-Antwort auf Hochfettdiät
Eine allgemeingültige Empfehlung gibt es demnach nicht: „Auch die Ernährungsratschläge müssen wir individualisieren“, fordert Pfeiffer. Dies bestätigt eine von ihm kürzlich abgeschlossene Studie an 46 Zwillingspaaren [3]. Allerdings handelte es sich nicht um Diabetiker, sondern 92 schlanke und stoffwechselgesunde junge Menschen. Sie mussten sich zuerst 6 Wochen lang kohlenhydratreich (55% der Gesamtenergieaufnahme als KH), dann 6 Wochen lang fettreich (45% als Fett, überwiegend in Form gesättigter Fette) und schließlich noch 6 Wochen lang proteinreich (30% der Gesamtenergie als Eiweiß, dabei fettarm) ernähren. Die Diäten waren jeweils isokalorisch angelegt, eine Gewichtszunahme – aufgrund der hohen Energiedichte das größte Problem jeder fettreichen Diät – sollte so vermieden werden.
Ein wichtiges Ergebnis der Studie: Die fettreiche Ernährung muss sich nicht unbedingt negativ auf die Blutfette auswirken. „Die Cholesterin-Antwort auf die Ernährung ist gerade für das HDL-Cholesterin überwiegend genetisch festgelegt“, so Pfeiffer. Insgesamt könne die Veränderung der Cholesterinwerte unter fettreicher Diät sehr unterschiedlich aussehen, betonte er. So fanden sich in seiner Studie immerhin 15 Probanden, die von der Hochfettdiät doppelt profitierten: mit einem Anstieg der Lipoproteine hoher Dichte(High Density Lipoprotein, HDL) bei gleichzeitigem Abfall der Lipoproteine niedriger Dichte (Low Density Lipoprotein, LDL). Fast ebenso viele verschlechterten sich aber in beiden Parametern. Bei einigen wenigen (n = 6) fielen beide Werte ab, bei den meisten stiegen beide an.
Erstaunlicherweise wurden die freien Fettsäuren – zumindest im Durchschnitt – ausgerechnet unter der Hochfettdiät gesenkt. Frühere Studien hatten gegenteilige Ergebnisse erbracht. „Das passt nicht zu den bisherigen Beobachtungen, und das könnte daran liegen, dass fettreiche Diäten in vielen Studien zugleich hyperkalorisch sind und nicht auf die Energiebilanz geachtet wird“, erklärt Pfeiffer.
Hohe Varianz auch bei der Inflammation
Als ein Nachteil der HighFat-Diät erwies sich in Pfeiffers Studie allerdings der Anstieg von inflammatorischen Botenstoffen im Fettgewebe, so etwa Interleukin-6 (IL-6), Interleukin-1beta (IL-1ß), Chemokin-(CC-motif)-Ligand 5 (CCL-5) und Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-a). Der Anstieg dieser Entzündungsmarker war schon bei der Zwischenauswertung nach einer Woche sichtbar und nach 6 Wochen noch ausgeprägter.
„Das bedeutet aber nicht, dass die Inflammationsmarker gleichermaßen auch im Serum angestiegen wären“, relativiert Pfeiffer. „Zudem fielen auch die Zytokinantworten im Serum in der Studie ganz unterschiedlich aus.“ So reagierten beispielsweise gut die Hälfte der Probanden mit einem Anstieg und knapp die Hälfte mit einem Abfall von Monozyten-Chemoattraktur-Protein-1 (MCP-1) auf die Hochfettdiät. Pfeiffer gab zu bedenken: „Hier gibt es eine ganz klar individuell definierte Komponente, die wir bis heute in unseren Empfehlungen überhaupt nicht berücksichtigen.“
Die Rolle der Fett-Auswahl steht dabei noch auf einem ganz anderen Blatt. Häufig wird empfohlen bei der Hochfett-Diät vor allem ungesättigte Fette zu bevorzugen. Doch: „Auch einfach ungesättigte Fettsäuren bringen nicht nur Vorteile“, bewertet Pfeiffer diesen Rat und verweist auf eine weitere Metaanalyse mit Diabetikern. „Am ehesten bringen sie einen Benefit hinsichtlich Körpergewicht und HDL“, fasst er zusammen und betont nochmals: „Das gilt aber immer nur, wenn die Diät isokalorisch ist“ [4].
Tipps für die Diät-Empfehlung
Auf die Frage, welchem Diabetiker er welche Diät empfehlen würde, antwortet Pfeiffer im Gespräch mit Medscape Deutschland: „Das richtet sich zum einen nach der Nierenfunktion: Bei eingeschränkter Nierenleistung sollte keine proteinreiche Diät versucht werden. Zum anderen spielen weitere Komorbiditäten und die Medikation eine Rolle.“ Besonders geeignet sei die HighFat“-Diät – vorzugsweise mit ungesättigten Fetten – für Patienten mit ausgeprägter Insulinresistenz:
„Im Gegensatz zur HighCarb- scheint die HighFat-Diät per se die Insulinresistenz nicht weiter zu verschlechtern“, so Pfeiffer. Zudem könne statinbehandelten Patienten eher eine HighFat-Diät empfohlen werden, da bei ihnen eine LDL-Erhöhung medikamentös abgefedert werde. „Patienten mit HighFat-Diät sollten aber therapieadhärent und nicht allzu adipös sein und unter dieser Ernährung nicht weiter zunehmen“, schränkt Pfeiffer ein. Auch der Blutdruck sollte kontrolliert werden. Patienten, die bereits hohe Werte von Entzündungsmarkern aufweisen, sei eher von einer HighFat-Diät abzuraten.