Fäkaltransplantation auch bei Insulinresistenz und Adipositas?

Simone Reisdorf | 21. Mai 2013

Autoren und Interessenkonflikte

 

Prof. Dr. Helmut Schatz
 

Leipzig – Erste Erfolge mit Fäkaltransplantationen bei Clostridium difficile-Infektionen wurden bereits vermeldet, jetzt wird diese doch eher ungewöhnliche Therapie auch bei Patienten mit Adipositas bzw. Diabetes untersucht. Prof. Dr. Helmut Schatz, Bochum, bestätigt im Gespräch mit Medscape Deutschland, dass Stuhltransplantationen einen Einfluss auf die Darmmikrobiota und möglicherweise auf das Metabolische Syndrom haben können.

Der menschliche Darm enthält bis zu 1014 (100 Billionen) Bakterien, etwa 1,5 kg. Die Aufgaben der Keime sind vielfältig, unter anderem bilden sie eine natürliche Barriere und Konkurrenz für pathogene Erreger. „Etwa 65% der Darmbakterien gehören zu den Firmicutes und 25% zu den Bacteroidetes“, erklärte Prof. Dr. Herbert Tilg, Gastroenterologe und Endokrinologe an der Medizinischen Universität Innsbruck, Österreich, beim Diabeteskongress in Leipzig [1]. Auch Actinobacteria, Proteobacteria, Fusobacteria und Verrucomicrobia kommen häufig vor. Alle diese Bakterien zusammen haben etwa eine Million Gene und damit deutlich mehr als ihr menschlicher Wirt.

Ist Insulinresistenz ansteckend?

Es wird angenommen, dass diese Darmmikrobiota bei Fettleber, Adipositas, Reizdarm, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, dem Kolonkarzinom und sogar bei kardiovaskulären und neurologischen Erkrankungen eine Rolle spielt. In Studien mit zunächst keimfreien Mäusen zeigte sich ein Einfluss der Keimbesiedlung auf die Insulinsensitivität. Die Insulinresistenz konnte sogar von Maus zu Maus oder von Mensch zu Maus übertragen werden [2].

„In einer aufwändigen klinischen Studie mit metagenomweiter Sequenzierung von 345 Testpersonen in China zeigten sich Unterschiede in der Darmmikrobiota von Nichtdiabetikern vs. Diabetikern“, so Tilg. So waren bei den Stoffwechselgesunden mehr bestimmte Spezies der Firmicutes vermehrt, und bei Diabetikern inflammatorisch wirksame Bacteroidetes [3].

Prä- und Probiotika gegen Insulinresistenz: noch in den Kinderschuhen

Diplom-Oecotrophologin Marie-Christine Simon vom Universitätsklinikum Düsseldorf beschrieb anhand präklinischer Studien die Zufuhr von Prä-, Pro- und Synbiotika als einen möglichen Weg, künftig metabolische Erkrankungen zu behandeln. Ihre Arbeitsgruppe hat eine klinische Studie dazu unternommen: Jeweils 10 adipöse bzw. schlanke Testpersonen ohne Diabetes wurden 4 Wochen lang mit dem Probiotikum Lactobacillus reuteri oder mit Placebo behandelt. Zum Studienende waren die postprandialen Insulin-, Inkretin- und C-Peptid-Spiegel unter L. reuteri günstiger. Weitere Studien sollen folgen. 

Gesunde Darmflora weitergeben

 
„Die Fäkaltransplantation bietet neue Erkenntnisse und könnte ein Schlüssel zur Heilung des Diabetes sein.“
Dr. Peter P. de Groot
 

Einen anderen Ansatz, nämlich die therapeutische Stuhltransplantation, bevorzugen niederländische Forscher um Dr. Anne Vrieze: Dr. Peter P. de Groot aus Vriezes Arbeitsgruppe erklärte die Prozedur: „Der Patient wird durch eine Darmspülung vorbereitet. 50 – 200 g frische, gründlich untersuchte Spenderfaeces werden in Kochsalzlösung eingebracht, filtriert und die Suspension dann mittels Nasopharyngeal- oder auch Duodenalsonde verabreicht.“

In der Pilotstudie FATLOSE behandelten Vrieze und Kollegen 9 Männer mit Adipositas und metabolischem Syndrom mit Stuhl von schlanken männlichen Spendern, 9 weitere erhielten stattdessen ihren eigenen Stuhl. Ergebnis: Sechs Wochen nach der allogenen Stuhltransplantation war die periphere Insulinsensitivität im Durchschnitt signifikant verbessert – bei großer Streubreite, wohl abhängig vom Spender. Nach autologer Stuhltransplantation sah man dagegen keine Besserung [4].

Noch in der Phase der Rekrutierung befindet sich die von de Groot geleitete randomisierte, kontrollierte DIMID-1-Studie. Sie soll zeigen, ob (gepoolte) Faeces von gesunden Spendern die Betazellzerstörung bei Typ 1-Diabetikern hemmen können. Die Studienergebnisse werden 2014 bis 2015 erwartet. „Die Mikrobiota könnte eine Brücke zwischen Typ 1- und Typ 2-Diabetes darstellen“, so de Groots Fazit. „Die Fäkaltransplantation bietet neue Erkenntnisse und könnte ein Schlüssel zur Heilung des Diabetes sein.“

Prof. emer. Dr. Dr. Helmut Schatz, niedergelassener Internist mit dem Schwerpunkt Endokrinologie und Diabetologie und Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie, sagt dazu im Gespräch mit Medscape Deutschland: „Mikrobenverpflanzung war in der Veterinärmedizin eine jahrhundertelang insbesondere bei Pferden praktizierte Methode Auch in der Humanmedizin wurde Stuhlverpflanzung bereits 1958 bei schwersten Durchfallerkrankungen erfolgreich angewandt. Sie hat mittlerweile eine Bedeutung bei Rezidiven einer pseudomembranösen Kolitis.”

Inwieweit die ersten Befunde einer Stuhlverpflanzung zur Beeinflussung der Insulinresistenz und der Adipositas und damit auch für den Typ-2-Diabetes klinisch bedeutsam werden, bleibt abzuwarten, so Schatz. „Die Ernährung hat offenbar einen Einfluss auf die Zusammensetzung der Darmbakterien. Beim Europäischen Adipositaskongress in Lyon 2012 wurde berichtet, dass adipöse gegenüber normalgewichtigen Kindern vermehrt Bakterien der Gruppe Firmicutes im Vergleich zu Bakteriodetes aufweisen”, berichtet er. „Erscheint die Bedeutung einer Mikrobiom-Beeinflussung somit für den Typ-2-Diabetes in greifbare Nähe zu rücken, so bleibt deren Einsatz beim Typ-1-Diabetes noch spekulativ. Mit großem Interesse darf man die Ergebnisse der DIMID-1-Studie abwarten. “

Referenzen

Referenzen

  1. 48. Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) vom 8. bis 10. Mai 2013, Leipzig
    Symposium “Darm und Diabetes”
    www.diabeteskongress.de
  2. Koren O et al: Cell. 2012; 150:470-480
    http://dx.doi.org/10.1016/j.cell.2012.07.008
  3. Qin J et al: Nature. 2012; 490:55-60
    http://dx.doi.org/10.1038/nature11450
  4. Vrieze A et al: Gastroenterology. 2012; 143:913-916 e917
    http://dx.doi.org/10.1053/j.gastro.2012.06.031

Autoren und Interessenkonflikte

Simone Reisdorf
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Tilg H, Simon MC, de Groot PP, Schatz H: Es liegen keine Erklärungen zu Interessenkonflikten vor.

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