Das Risiko-Bewertungskomitee (Pharmakovigilance Risk Assessment Committee, PRAC) der europäischen Arzneimittelbehörde hat am 17. Mai 2013 das Ergebnis ihrer Prüfung von Diane-35 (Cyproteronacetat 2 mg, Ethinylestradiol 35 Mikrogramm) und deren Generika bekannt gegeben. Kurz gefasst lautet das Urteil der Arzneiwächter: Die Vorteile der Präparate überwiegen deren Risiken – dies allerdings nur bei bestimmungsgemäßem Gebrauch.
Es sollten, so die Einschränkung, „einige Maßnahmen“ ergriffen werden, um das Risiko für Thromboembolien bei den behandelten Frauen zu minimieren. So gilt als einzige Indikation für die Anwendung die moderate bis schwere Akne in Verbindung mit einer Androgen-Sensitivität und/oder Hirsutismus bei Frauen im reproduktiven Alter. Auch soll Diane-35 zur Behandlung der Akne nur dann eingesetzt werden, wenn andere Therapiealternativen, etwa topische Anwendungen oder eine orale Antibiotikabehandlung versagt haben.
Auf versehentliche doppelte hormonale Kontrazeption achten!
Wichtig sei auch, lautet eine weitere Empfehlung, darauf zu achten, dass junge Frauen, die das hormonale Kontrazeptivum Diane-35 wegen ihrer Akne erhalten, nicht noch zusätzlich – aus Unkenntnis – ein weiteres orales Kontrazeptivum einnehmen. Denn durch die erhöhte Estrogen-Exposition bei einer solch kombinierten Einnahme steigt auch das Thromboembolie-Risiko. Ein entsprechender Warnhinweis sollte in die Fachinformation aufgenommen werden.
Insgesamt, so betont das PRAC, ist die Gefährdung durch Thromboembolien bei Einnahme dieser Wirkstoffe aber niedrig und auch lange bekannt. Warnhinweise für Patienten und Verordner finden sich bereits in den Produktinformationen. Doch sollen die Fachinformationen noch weiter entsprechend angepasst werden.
Französische Nutzen-/Risikobewertung mit anderem Ergebnis
Die europaweite Bewertung der EMA geht zurück auf einen Antrag der französischen Arzneimittelwächter der ASNM (Agence Nationale de Securité du Médicament). Sie hatten – wie berichtet – Anfang des Jahres angekündigt, Diane-35 und deren Generika innerhalb der nächsten 3 Monate aus dem Markt zu nehmen. Dies als Konsequenz einer nationalen Nutzen-/Risiko-Bewertung des Produkts. 4 Todesfälle aufgrund von Thromboembolien waren mit dem Präparat in Verbindung gebracht worden. Und: Es hatte sich gezeigt, dass das Produkt sehr häufig „off label“ – einfach nur als orales Kontrazeptivum verordnet worden war.
Mit der aktuellen Entscheidung rückt die europäische Behörde die Indikation für das Mittel wieder in das Einsatzgebiet, für das es eigentlich einmal vorgesehen war: als anti-androgene Therapieoption für Frauen mit starken Haut- und anderen Androgenisierungserscheinungen.
Das PRAC empfiehlt zudem neue Kontraindikationen und Warnhinweise für Patienten und Verordner. Auch sollten die Bemühungen intensiviert werden, das öffentliche Bewusstsein für die Gefahren und Anzeichen von Thromboembolien zu schärfen, so dass eventuelle Gefäßverschlüsse früh- und rechtzeitig erkannt werden können – bevor es etwa zur Lungenembolie kommt. Schulungsmaterialen sowie Checklisten für die Verordner werden als Möglichkeiten genannt.
Das Komitee empfiehlt auch weitere Überwachungsmaßnahmen, etwa prospektive Studien zur bestimmungsgemäßen Verordnung des Präparates und Studien, um die Effektivität der Risiko-Minimierungsmaßnahmen zu prüfen. Diane-35 ist in vielen europäischen Ländern auf dem Markt, wird aber unterschiedlich verordnet – und auch die zugelassenen Indikationen variieren zwischen den Ländern.
1,5- bis 2-fach höheres Thromboserisiko als mit Levonorgestrel
Für seine Bewertung hat das PRAC alle verfügbaren Daten zu Diane-35 und den entsprechenden Generika ausgewertet, basierend auf Postmarketing-Daten in Europa und der publizierten Literatur. Alle beteiligten Interessengruppen – Ärzte und andere Beteiligte aus Gesundheitsberufen, Patientenorganisationen und die Öffentlichkeit – waren aufgerufen, relevante Daten beizutragen, die in die Beurteilung eingingen.
Das Ergebnis der Prüfung: Das Risiko für venöse Thromboembolien ist mit Diane-35 und deren Generika etwa 1,5- bis 2-fach höher als bei Levonorgestrel-haltigen oralen Kontrazeptiva. Es liegt aber in etwa auf dem gleichen Niveau wie bei Kontrazeptiva, die Gestoden, Desogestrel oder Drospirenon enthalten. Dieser Gefährdung sei die bewiesene Wirksamkeit der Cyproteronacetat/Ethinylestradiol-Kombination in der Behandlung der androgen-abhängigen moderaten bis schweren Akne gegenüberzustellen – wobei nach Ansicht des PRAC der Benefit überwiegt.
Beim Einsatz der gleichen Kombination zur Behandlung der Alopezie kamen die Arzneiwächter jedoch zu einem anderen Ergebnis: Hier wiege der Nutzen die Risiken nicht auf, meinen sie. So kam es zu der Einschränkung der Indikation auf die Behandlung der moderaten bis schweren Akne – und dies nur, falls andere Therapien wirkungslos sind.
Die PRAC-Empfehlung wird nun von der Koordinierungsgruppe für gegenseitige Anerkennung und dezentrale Verfahren (Mutual Recognition and Decentralised Procedures - human, CMDh) geprüft. Diese Regulierungsbehörde für alle EU-Mitgliedsstaaten wird bei ihrem nächsten Treffen Ende Mai über die Maßnahmen und die Marktzulassung von Produkten mit der entsprechenden Hormonkombination entscheiden. Ein Brief mit detaillierten Informationen für Ärzte in allen Ländern, in denen Diane-35 und dessen Generika auf dem Markt sind, wird nach dieser Entscheidung folgen.