Angelina Jolie – eine von vielen: Auch bei uns steigt die Zahl prophylaktischer Mastektomien

Heike Dierbach | 14. Mai 2013

Autoren und Interessenskonflikte

Sie ist für viele immer noch die „sexiest woman alive“, nun sagt sie öffentlich in der New York Times: „Ich habe mir beide Brüste abnehmen lassen, und das beeinträchtigt in keiner Weise meine Weiblichkeit“ [1]. Die US-Schauspielerin Angelina Jolie hat jetzt bekannt gegeben, dass bei ihr eine Mutation des Gens BRCA 1 festgestellt worden ist. Ihr Risiko für Brustkrebs betrug deshalb 87%, das für Eierstockkrebs 50%: „Die Entscheidung zur Mastektomie war nicht einfach. Aber ich bin froh, dass ich sie getroffen habe.“

Deutsche Experten begrüßen die Offenheit der Schönheitsikone: „Ich denke, dass das Frauen ermutigt, sich mit dem Thema zu beschäftigen“, sagt Patricia Steiner, Assistenzärztin am Institut für Zell- und Molekularpathologie der Medizinischen Hochschule Hannover, eines der 15 Zentren des Deutschen Konsortiums für Familiären Brust- und Eierstockkrebs. „Die Mastektomie kommt in erster Linie für Frauen mit einer nachgewiesenen Mutation in einem Brustkrebs-Gen in Frage, und die Entscheidung sollte nicht vorschnell getroffen werden”, erläutert die Expertin.

BRCA-Gene erhöhen auch das Ovarialkrebsrisiko

Mutationen der Gene BRCA 1 und BRCA 2 sind für 5 bis 10% aller Brustkrebsfälle verantwortlich. Nach Daten aus den USA tragen 2,2% der Bevölkerung zwischen 40 und 49 Jahren eine solche Mutation in sich [2]. Frauen haben als Trägerinnen ein Risiko von 70 bis 80%, im Laufe ihres Lebens Brustkrebs zu entwickeln, das life-time Risiko für Eierstockskrebs wird auf 20 bis 50% geschätzt. Das stellt eine erhebliche Risikoerhöhung im Vergleich zur weiblichen Allgemeinbevölkerung dar.  

Die Mutation wird autosomal-dominant vererbt. Anamnestische Hinweise, dass man Trägerin eines solchen Gens sein könnte, sind zum Beispiel mindestens 2 erkrankte Frauen in der Familie, davon eine unter 51 Jahren, oder eine Erkrankte unter 36 Jahren [3].

In Deutschland lassen sich jährlich rund 2.000 Patienten allein in einem spezialisierten Zentrum testen, Tendenz steigend. Die Tests bei niedergelassenen Genetikern werden nicht erfasst. Bei rund 25% der Getesteten wird eine Mutation festgestellt. Viele Patientinnen lassen den Test jedoch erst dann vornehmen, wenn bereits eine Brust erkrankt ist und der behandelnde Arzt aufgrund der Familiengeschichte eine genetische Ursache vermutet.

Fällt der Test positiv für die Risikogene BRCA 1 und BRCA 2 aus, haben die Frauen 2 Möglichkeiten: Eine engmaschige Überwachung mit bildgebenden Verfahren oder eine vorsorgliche Entfernung des Brustgewebes, wie Angelina Jolie. In Holland entscheidet sich etwa die Hälfte aller Mutationsträgerinnen für diesen radikalen Schnitt, in Deutschland wird die Zahl auf etwa 10% geschätzt, nimmt aber allmählich zu. Die USA liegen im Mittelfeld, aber auch hier hat sich die Zahl der Mastektomien wegen genetischer Disposition seit 2007 verdoppelt [2].

OP verspricht dramatische Risikoreduktion

„Die Operation ist der sicherste Weg“, sagt Steiner. Das Brustkrebsrisiko sinkt dadurch auf wenige Prozent bei Patientinnen, die noch nicht erkrankt waren. „Dennoch sollte die Entscheidung sorgfältig abgewogen werden.” Sie hängt offenbar stark von den Lebensumständen ab: Ganz junge Frauen lehnen nach Steiners Erfahrung eine prophylaktische OP zunächst eher ab. “Wenn sie dann einen festen Partner und Kinder haben, können einige Frauen sich den Eingriff doch vorstellen.”

Die Zufriedenheit der operierten Patientinnen ist nach einer aktuellen Übersichtsarbeit von Dr. Flora Zagouri von der Breast Unit der Universitätsklinik in Athen relativ hoch, sie haben keine erhöhten Stresslevel [2]. In einem Review von Dr. Liz Lostumbo von der Cochrane Breast Cancer Group war die Angst vor Brustkrebs bei den Operierten signifikant geringer als bei Frauen, die sich gegen die Operation entschieden hatten [3].

Deutsche Frauen entscheiden sich deutlich seltener für eine Mastektomie

Die Alternative, für die sich in Deutschland immer noch die meisten entscheiden, ist die engmaschige Überwachung mit Tastunterschungen, Ultraschall, Mammographie und Magnetresonanztomografie, um Tumoren frühzeitig zu erkennen.  Ambitionierte Überwachungsprogramme nutzen immer öfter die Magnetresonanztomografie, die keinerlei Strahlenbelastung mit sich bringt und jüngsten Arbeiten zufolge bei BRCA1/2 Trägerinnen den Großteil der Tumoren in sehr frühen Stadien entdeckt [5].

Inwieweit Überwachung oder Mastektomie tatsächlich die Überlebensrate positiv beeinflusst, ist aber noch unklar. “Wichtig ist, dass Frauen mit einer nachgewiesenen Mutation einen Weg finden, mit dem Erkrankungsrisiko und der damit verbundenen Angst umzugehen”, sagt Steiner.

Dies bestätigt Traudl Baumgartner vom Vorstand des BRCA-Netzwerks zur Hilfe bei familiärem Brustkrebs und Eierstockkrebs [6]. „Die Angst entsteht vor allem aus Unsicherheit und Nichtwissen.” Qualifizierte Information sei der beste Weg, die Angst zu beherrschen und die richtige Entscheidung zu treffen. Auch Baumgartner begrüßt daher die Offenheit Angelina Jolies: „Das Thema zu verdrängen, macht es nur schlimmer.”

Für Jolie waren vor allem ihre Kinder der Grund, sich für eine Mastektomie zu entscheiden, sagt sie im Interview. Ihre eigene Mutter war mit 56 an Brustkrebs gestorben: „Jetzt kann ich meinen Kindern sagen, dass sie keine Angst haben müssen, mich an den Brustkrebs zu verlieren.”

Referenzen

Referenzen

  1. Jolie A: New York Times (online) 14. Mai 2013
    http://www.nytimes.com/2013/05/14/opinion/my-medical-choice.html?hp
  2. Zagouri F, et al: Am Surg. 2013;79(2):205-212
    http://www.ingentaconnect.com/content/sesc/tas/2013/00000079/00000002/art00033
  3. Uniklinik Köln, Zentrum für Familiären Brust- und Eierstockkrebs (online) 14. Mai 2013
    http://familiaerer-brust-und-eierstockkrebs.uk-koeln.de/patienten/molekulargenetische-diagnostik
  4. Lostumbo L, et al: Cochrane Database (online) 10. November 2010
    http://dx.doi.org/10.1002/14651858.CD002748.pub3  
  5. Passaperuma K: Br J Cancer 2012;107(1):24-30
    http://dx.doi.org/10.1038/bjc.2012.204
  6. http://www.brca-netzwerk.de/

Autoren und Interessenskonflikte

Heike Dierbach
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Steiner P, Baumgartner T: Es liegen keine Erklärungen zu Interessenkonflikten vor.

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