München – Eine neue Generation von Ärzten hält Einzug in die Kliniken. Sie drängt nicht, sie lässt sich bitten. Und sie stellt wie selbstverständlich Ansprüche, die die althergebrachten Strukturen in den Krankenhäusern durcheinanderwirbeln. Man nennt sie die „Generation Y“, für manche ist sie auch die „Spaß-Generation“.
Ihre Eltern, das waren die Baby-Boomer aus der Nachkriegszeit. Eine ernste, ehrgeizige, leistungsbereite Generation mit dem Motto: „Leben, um zu arbeiten“. Die Geburtenjahrgänge der 1960er- bis 1980er-Jahre, die Generation X, war da schon lockerer. Ihr Motto war: „Arbeiten, um zu leben“. Und das Motto der heute um die 30-Jährigen, der Generation Y, heißt: „Leben beim Arbeiten“, man könnte auch sagen: „Spaß haben beim Arbeiten“.
Die jungen Menschen, die jetzt auf den Arbeitsmarkt kommen, sind im Wohlstand aufgewachsen, umsorgt und ernst genommen von den Eltern und hervorragend ausgebildet. Internet, Laptop oder Smartphone sind ihnen seit Kindesbeinen vertraut, über die sozialen Netzwerke kommunizieren sie mit Freunden in der ganzen Welt. Sie arbeiten gerne und sie arbeiten hart.
Aber sie wollen auch Spaß und bestehen auf Freizeit und Familienleben. Geld ist ihnen wichtig, aber noch wichtiger ist ihnen ein anspruchsvoller Job mit guten Arbeitsbedingungen und einem angenehmen Umfeld. Und wenn ihnen der Arbeitsplatz nicht mehr gefällt, suchen sie sich einen neuen. Das können sie, denn die Macht der Demografie ist mit ihnen. Und in der Medizin gibt es keinen Mangel an freien Stellen.
Für viele Chefärzte der alten Schule ist die Generation Y ein Gräuel, weil sie Hierarchien ebenso wenig anerkennen wie althergebrachte Dienstpläne. Doch moderne Klinikmanager wissen: Diese selbstbewussten, technikaffinen, polyglotten und globalisierten jungen Menschen haben das Potenzial, die vielbeklagten, verkrusteten Strukturen der Krankenhäuser aufzubrechen.
Besonders die Chirurgen machen sich Gedanken, wie sie die jungen Kollegen für ihr hierarchisch strukturiertes, extrem anstrengendes und verantwortungsvolles Fach gewinnen können, das so gar nicht zum Selbstverständnis dieser Generation passt. Auf dem Chirurgenkongress in München staunten viele ältere Ärzte nicht schlecht, als man ihnen gleich in mehreren Veranstaltungen die Charakterzüge und die Ansprüche des Mediziner-Nachwuchses nahe brachte [1].
Die Klinik muss sich an den Nachwuchs anpassen

PD Dr. Stephan Kersting, Oberarzt an der Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Dresden, zeigte die Strategien auf, mit denen eine Klinik für die Generation Y attraktiv wird und mit denen man sie an das Haus binden kann [2]. Seine Forderung: Nicht der Nachwuchs muss sich an die Klinik anpassen, sondern die Klinik an den Nachwuchs!
Hierarchien akzeptierten die Jungen nur, wenn auch Kompetenz dahinter stehe. Deshalb, so Kersting, ist ein coachender Führungsstil mit fachlichen Anleitungen, Freiraum für eigene Problemlösungen, strukturierten Personalgesprächen, einem Mentoren-Programm, viel Feedback, Wertschätzung und der Übertragung von anspruchsvollen Aufgaben sehr wichtig. Die jungen Ärzte erwarteten Erklärungen. Der Satz: „Das machen wir schon immer so“, ist kein Argument mehr. Und mit nichts schrecke man sie mehr ab, als mit dem Wort „früher“.
Motiviert wird die Generation Y durch eine optimale Ausbildung mit Supervision und Feedback sowie einer strukturierten und transparenten Weiterbildung, die ihr eine zielgerichtete Perspektive bietet. „Ein klar definiertes Curriculum auf der Webseite, das dann auch wirklich umgesetzt wird, ist eine gute Attraktions- und Bindungsstrategie“, betonte Kersting. Aber auch eine wohlstrukturierte Arbeitsorganisation mit familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen sei ein gutes Instrument, den Nachwuchs an der Klinik zu halten.
Digitale Kommunikationsmedien wie elektronische Patientenakten, elektronisches Diktat etc. sind für die Jungen eine Selbstverständlichkeit. Sie kennen sich damit aus, sie erwarten sie auch und nutzen sie intuitiv. Kersting stellte klar: „Arbeitsmittel aus der Steinzeit wie ausgedruckte Röntgenbilder akzeptieren sie nicht mehr. Wenn sie eine solche Situation vorfinden, sind sie schnell wieder weg“.
Diese Generation erwartet einen digitalen Arbeitsplatz, aber sie kann auch alles aus ihm herausholen, weil sie das gesamte Potenzial dieser Technik nutzt. „Damit erreicht man eine ungeheure Prozessbeschleunigung“, so Kersting weiter, „Qualitätssicherung, Lernen, Kommunikation, die Bearbeitung der Patientendaten – alles wird schneller. Wenn der Arbeitgeber es schafft, die Technik zur Verfügung zu stellen, sind sie es, die daraus Kapital schlagen und die ganze Abteilung positiv beeinflussen.“
Drei F‘s: Nicht das Geld, die Lebenskultur ist wichtig

Dr. Katrin Welcker, Oberärztin an der Klinik für Thoraxchirurgie am Klinikum Bremen Ost, beleuchtete einen anderen Aspekt der Generation Y [3]: Sie ist vor allem weiblich! 60 bis 70% der Medizinstudenten sind Frauen. Obwohl auch ihren männlichen Kollegen die drei F’s – Familie, Freunde, Freizeit – sehr wichtig sind, so treffen diese Wünsche doch ganz besonders auf die Medizinerinnen zu.
Nach einer aktuellen Umfrage des Berufsverbandes der Chirurgen legen 93% der jüngsten Ärztegeneration – und das sind nicht nur Frauen – großen Wert auf Familienfreundlichkeit, geregelte Arbeitszeiten und Freizeitausgleich für geleistete Überstunden. „Die ganz Jungen“ staunte Welcker, „wollen tatsächlich um 16.00 Uhr das Skalpell fallen und sich während einer Operation auslösen lassen“.
Angebote zur Kinderbetreuung stehen ganz oben auf der Liste der Forderungen junger Ärzte. Dennoch sieht es damit schlecht aus. Tatsächlich bieten 80% der Unikliniken und Häuser der Maximalversorgung Kitas an. „Aber die meisten priorisieren die Kinder der Pflegekräfte. Für den Nachwuchs der ärztlichen Mitarbeiter gibt es keine Plätze“, bedauerte Welcke. Von den privaten Trägern haben gerade mal 28% eine Kinderbetreuung, doch auch bei ihnen wird der Nachwuchs von Pflegekräften bevorzugt.
„Für mehr Geld würden relativ wenige junge Mediziner den Arbeitsplatz wechseln, für attraktivere Aufgaben schon“, zog Welcker das Fazit aus der Studie des Berufsverbandes. „Halten kann man sie nur mit besserer Lebenskultur und besserer Kommunikation in der Klinik. Und die Internetgeneration informiert sich sehr genau, bevor sie sich bewirbt – auch über familienfreundliche Krankenhäuser“.