„Der außerordentliche Erfolg des nationalen HPV-Impfprogramms in Australien ist es wert, gefeiert zu werden.“ – So enthusiastisch äußern sich der klinische Direktor Dr. Simon Barton vom Department of Sexual Health and HIV des Chelsea and Westminster Foundation Trust in London und der Berater für sexuelle Gesundheit und HIV, Dr. Colm O. Mahony vom Countess of Chester Hospital NHS Trust in Chester zu einer neuen Studie aus Australien [1].
Der Grund für den Enthusiasmus: Im Jahr 2011 wurden nur noch bei 0,85% aller untersuchten Australierinnen unter 21 Jahren Genitalwarzen (Condylomata accuminata) festgestellt – 2007 war es noch bei 11,5% gewesen [2]. Für rund 90% aller Kondylome sind Humane Papillomaviren (HPV) der Typen 6 und 11 verantwortlich; damit infizieren sich Jugendliche meistens beim Geschlechtsverkehr. Die Impfung mit dem tetravalenten HPV-Impfstoff, der als Gardasil® (Sanofi Pasteur MSD) im Handel ist, schützt sowohl vor einer Infektion mit den Typen 6 und 11 als auch vor jener mit den karzinogenen HPV-Typen 16 und 18.
2007 begann in Australien das staatliche Impfprogramm – wie seit 2006 in Deutschland ist die Impfung auch für die jungen Mädchen in Australien kostenlos. In Deutschland steht auch der Zweifachimpfstoff, der unter dem Handelsnamen Cervarix® (GlaxoSmithKline) vertrieben wird und allein gegen die karzinogenen HPV-Typen 16 und 18 gerichtet ist, zur Wahl. In Australien kommt ausschließlich der Vierfachimpfstoff Gardasil® zum Einsatz.
Geimpft wird dort in Schulen. So erreichen die Mediziner die Mehrzahl der 12- bis 13-Jährigen: 2010 ließen sich 83% aller Schülerinnen die erste Dosis verabreichen, 80% auch die zweite, zur dritten und letzten notwendigen Impfung erschienen noch 73% [3].
Dagegen fallen die Durchimpfungsraten in Deutschland massiv ab. „Hierzulande werden nur 30% aller Mädchen geimpft, die Akzeptanz ist eine Katastrophe“, beklagt Prof. Dr. Klaus Friese, Direktor der Universitätsfrauenkliniken der LMU München und im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, gegenüber Medscape Deutschland. In Deutschland erhalten interessierte junge Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren die Impfung beim Haus-, Kinder- oder Frauenarzt.
„Mehr Offenheit für die HPV-Impfung“ wünscht sich auch der niedergelassene Frauenarzt Dr. Joachim Haag aus Karlsruhe. Er hat dabei auch die Genitalwarzen im Blich. Kondylome seien zwar nicht karzinogen, aber: „Sie belasten die Betroffenen sehr.“ Wenn die Impfung sie verhindere, sei das ein Gewinn.
Genitalwarzen massiv auf dem Rückzug
Für Australien ist nun immerhin überzeugend belegt, dass die Vierfachimpfung der Infektion mit den HPV-Typen 6 und 11 zuverlässig vorbeugt – und das sogar bei Mädchen bzw. Frauen, die nur eine oder 2 Dosen des Impfstoffs bekamen.
Für ihre Studie analysierten Dr. Hammad Ali und sein Team die Unterlagen aus 8 australischen Gesundheitszentren, an denen u. a. sexuell übertragbare Krankheiten diagnostiziert und behandelt werden. Für die Jahre 2004 bis 2011 konnten sie Daten von 85.770 in Australien geborenen Männern und Frauen sicherstellen, die das erste Mal einen Sexual Health Service besucht hatten.
Insgesamt 7.686 und damit 9% dieser Patienten wiesen Genitalwarzen auf. Auffallend: Vor Beginn des Impfprogramms, von 2004 bis 2007, hatten die Warzen zugenommen – der Anteil Betroffener unter allen untersuchten Frauen war von 8,9% auf 9,6% gestiegen. Ab 2007 kehrte der Trend sich um: 2011 konnten die Mediziner nur noch bei 2,7 % aller Frauen Kondylome nachweisen. Bei den Männern fiel der Anteil der von Kondylomen Betroffenen von 12,8 % im Jahr 2004 auf 7,4 % im Jahr 2011, am deutlichsten war der Trend bei Heterosexuellen unter 21 Jahren.
Bei den jüngsten Studienteilnehmerinnen, den unter 21-Jährigen, die flächendeckend Zugang zu kostenlosen HPV-Impfungen gehabt hatten, fanden sich 2011 kaum noch Kondylome. Nur 13 Fälle unter 1.525 untersuchten Frauen vermeldeten die Gesundheitszentren. Die beiden größten Zentren in Sydney und Melbourne fanden im Jahr 2011 bei 235 Frauen unter 21, die zur Erstuntersuchung kamen und gegen HPV geimpft waren, keinen einzigen Fall von Genitalwarzen mehr.
Schwächer zeigte sich dieser Trend auch bei ungeimpften jungen Frauen. 2006 noch hatten sich bei 10,5% von ihnen Genitalwarzen gefunden, 2011 waren es 7,3%. Das erklären die Forscher mit der Wirkung der Herdenimmunität – der Rückgang der Infektionen bei den Geimpften bewirkt, dass weniger Viren kursieren und sich so auch nicht Geimpfte seltener infizieren. Von den untersuchten Frauen zwischen 21 und 30 Jahren war ein Teil geimpft, hier sank der Anteil jener, die unter Kondylomen litt, von 12,5% im Jahr 2004 auf 3,1% im Jahr 2011.
Wie erwartet, war bei den Frauen über 30 Jahre, für die es keine Gratis-Impfungen gegeben hatte, keine Verringerung bei den Neuinfektionen zu beobachten. Von diesen Studienteilnehmerinnen wiesen im Jahr 2004 insgesamt 3,8% Kondylome auf, im Jahr 2011 sogar 4,4%.
Auch Männer profitieren erkennbar
Auch für junge Männer sei die HPV-Impfung vorteilhaft, betonen die australischen Wissenschaftler: Männer können die Viren nicht nur übertragen, sondern aufgrund der Hochrisikotypen 16 und 18 zudem selbst an Krebs erkranken – Penis, Anus oder Mund-Rachen-Raum sind Infektions- und Erkrankungslokalisationen. Diese Krebsarten sind allerdings sehr selten; in Europa und den USA machen z. B. Erkrankungen an Peniskrebs nur 0,4 bis 0,6% aller Krebserkrankungen aus [4].
Kondylome belasten indes Männer deutlich ebenso wie Frauen. 2004 noch diagnostizierten die australischen Ärzte bei 7,2% der untersuchten heterosexuellen Männer unter 21 Jahren Kondylome, 2007 bei sogar 12,1%. Bis 2011 war der Anteil der Betroffenen auf 2,2% gesunken. Bei den Männern zwischen 21 und 30 Jahren sanken die Neuinfektionen von 18,2% im Jahr 2007 auf 8,9% in 2011. Ein Grund mehr für die Entscheidung der australischen Regierung, noch dieses Jahr das staatlich finanzierte Impfprogramm auf Jungen auszuweiten.
Und in Deutschland? Haag bedauert, dass nach Einführung der HPV-Impfung mit viel Werbung und Medienberichterstattung „der Trend sich umgekehrt hat“. In seiner Praxis werde das Angebot „gut angenommen“, auch habe es keine ernsten Nebenwirkungen gegeben. „Meine Tochter würde ich impfen“, betont er gegenüber Medscape Deutschland und auch, dass er den Vierfachimpfstoff favorisiert: „Wenn man sieht, wie die angeblich harmlosen Warzen die Betroffenen belasten und was für Therapien sie auf sich nehmen, um sie loszuwerden, dann weiß man, warum die Impfung hiergegen Sinn macht.“
Die Wahl des Impfstoffes, die hierzulande möglich ist, bedeutet für manche jedoch auch ein Dilemma. Der Zweifachimpfstoff Cervarix® beugt zwar nicht Kondylomen vor, denn er wirkt nur gegen die karzinogenen HPV-Typen 16 und 18, hat aber andere Vorteile. Friese erklärt: „Studienergebnisse sprechen dafür, dass der Schutz länger vorhält als nach einer Impfung mit dem tetravalenten Impfstoff. Nach acht bis zehn Jahren hatten die Teilnehmerinnen noch einen hohen Antikörpertiter.“
Aber egal, ob mit Zwei- oder Vierfachimpfstoff: Friese attestiert der HPV-Impfung eine „gute Verträglichkeit“ und sagt: „Ich empfehle sie!" Denn die Folgen der Nicht-Impfung hat er täglich vor Augen: „Gestern, heute – fast täglich operieren wir Frauen mit Zervixkarzinom."