
Washington – Rezidivraten von bis zu 80% und die häufige Entwicklung einer Platinresistenz lassen Wissenschaftler beim Ovarialkarzinom seit Jahren intensiv nach alternativen Therapiemöglichkeiten forschen. Bei der Jahrestagung der American Association for Cancer Research (AACR) im April 2013 in Washington, D.C., wurden jetzt zwei immuntherapeutische Ansätze mit erfolgversprechenden Studienergebnissen vorgestellt. Prof. Dr. Dr. Stefan Barth setzt große Hoffnungen auf die neuen Antikörper-Wirkstoff-Konjugate.
Dr. Joyce F. Liu vom Dana-Farber Cancer Institut der Harvard Medical School in Boston berichtete gemeinsam mit Kollegen über erste Ergebnisse mit dem von Genentech entwickelten konjugierten monoklonalen Antikörper DMUC5754A [1]. Dieser bindet spezifisch an das tumorassoziierte Antigen MUC16, ein Transmembranprotein, das bei einem Großteil der Ovarialkarzinome überexprimiert wird.
Der Antikörper ist mit dem hochpotenten Antimitotikum Monomethyl-Auristatin E (MMAE) über einen stabilen Linker gekoppelt. MMAE wird intrazellulär aus dem Konjugat freigesetzt und entfaltet dort seine zytotoxische Wirkung, indem es die Bildung der Mikrotubuli stört. Präklinisch hatte DMUC5754A seine antitumorale Aktivität bereits in einem Xenograft–Tumormodell unter Beweis gestellt.
Geringe Toxizität
Die Autoren setzten DMUC5754A jetzt erstmals im Rahmen einer Phase-1-Studie bei 44 Ovarialkarzinom-Patientinnen mit einem fortgeschrittenen platinrefraktären Rezidiv ein. Eine Patientin erreichte unter der Therapie in einer Dosierung von 2,4 mg/kg eine Vollremission, 4 weitere bei gleicher Dosierung eine Teilremission. Bei allen 5 Patientinnen fand sich im Tumorgewebe eine starke MUC16-Expression mit einem IHC-Score von 2+ bzw. 3+. Diese Expression fand sich ebenso bei 6 weiteren Patientinnen, die zumindest ein eingeschränktes Ansprechen oder eine Krankheitsstabilisierung zeigten. Die Objektivierung des Tumoransprechens erfolgte in allen Fällen nach den RECIST-Kriterien.
Die maximal-tolerierte Dosis des konjugierten Antikörpers betrug bei 3-wöchentlicher Gabe 3,2 mg/kg. Bei dieser Dosierung traten mit einer Grad 4-Neutropenie und einem Grad 4-Harnsäure-Anstieg zwei dosislimitierende Toxizitäten auf. Bei einer Dosis von 2,4 mg/kg zeigte der konjugierte Antikörper DMUC5754A insgesamt eine gute Verträglichkeit.
Die meisten Nebenwirkungen, die auftraten, waren Grad 1 oder 2. Die häufigste dosisunabhängige Nebenwirkung war die Fatigue (57% der Patientinnen), gefolgt von Nausea, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Diarrhoe und peripheren Neuropathien. Bei insgesamt 9% der Patientinnen fand sich eine Grad 3-Neutropenie.
„DMUC5754A ist in einer Dosis von 2,4 mg/kg nicht nur gut verträglich, sondern zeigt bei Frauen mit einem MUC16-exprimierenden Ovarialkarzinom auch eine ermutigende antitumoröse Aktivität“, so das Fazit der Autoren. Sollten sich die Ergebnisse in nachfolgenden Studien bestätigen, gäbe es künftig auch für Frauen mit einem weit fortgeschrittenen Ovarialkarzinom eine neue vielversprechende Therapieoption. Denn gerade beim platinresistenten Rezidiv seien die Behandlungsmöglichkeiten und Erfolgsaussichten bislang äußerst begrenzt, kommentierte Liu.
Antikörper als Vehikel für potente Wirkstoffe
Prof. Dr. Dr. Stefan Barth, der am Fraunhofer-Institut für Molekulare Biologie und Angewandte Ökologie die Abteilung Pharmazeutische Produktentwicklung und am Institut für Angewandte Medizintechnik der RWTH Aachen die Abteilung Experimentelle Medizin und Immuntherapie (EMI) leitet, verspricht sich ebenfalls viel von neuen Therapieansätzen, die auf konjugierten Antikörpern wie DMUC5754A basieren. Beim HER2-positiven Mammakarzinom deute sich aktuell sogar ein bedeutender Durchbruch an. Bei diesem kommt der konjugierte Antikörper T-DM1 zum Einsatz, der die biologische Aktivität des Anti-HER2-Antikörpers Trastuzumab mit dem Antimitotikum Mertansin (DM1) verbindet.
„Der Antikörper dient hierbei als krankheitsspezifisches Transportvehikel für einen hochpotenten Wirkstoff, der als Monosubstanz für den Mensch viel zu toxisch wäre“, so Barth. Die zielgerichtete intrazelluläre Freisetzung des Zytostatikums in HER2-positiven Zellen führte in einer Phase-3-Studie jüngst zu einer signifikanten Verlängerung des Gesamtüberlebens [2]. Das Wirkprinzip dieser ‚bewaffneten Antikörper‘ verfolgen Liu und Kollegen mit DMUC5754A jetzt auch beim Ovarialkarzinom.
Ein weiterer Vorteil der konjugierten Antikörper sei auch deren im Vergleich zu Standardchemotherapien vergleichbar geringe unspezifische Toxizität, so Barth. Im Falle von DMUC5754A bindet der Antikörper spezifisch an MUC 16-positive Zellen. Da gesundes Gewebe MUC 16 nur in geringem Maße exprimiert, treten schwerwiegende systemische Nebenwirkungen nur selten auf. Durch die geringe systemische Toxizität bestehe zudem eine gute Chance, dass solche Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (engl. antibody drug conjugates, ADC) relativ schnell die Marktzulassung erhalten.
Adoptive T-Zelltherapie verbessert Immunantwort
Während passive Immuntherapien mit Antikörpern in der Regel aber nur eine zeitlich limitierte Wirkung zeigen, präsentierte Prof. Lana Kandalaft, Direktorin am Ovarian Cancer Research Center an der University of Pennsylvania in Philadelphia, eine vielversprechende Strategie, die zu einer Aktivierung des patienteneigenen Immunsystems führt. Gemeinsam mit Kollegen entwickelte sie einen zweistufigen Ansatz [3].
Der erste Schritt beinhaltete die Isolation von dendritischen Zellen (DC) aus dem Blut von 31 Patientinnen mit einem rezidivierten Ovarialkarzinom. Für die Herstellung eines personalisierten Impfstoffs wurden diese Zellen mit einem aus dem Tumor der jeweiligen Patientin hergestellten Lysat getriggert.
Nach der Impfung zeigten insgesamt 19 Patientinnen eine mit einem klinischen Ansprechen einhergehende spezifische Immunreaktion. Acht dieser Patientinnen hatten am Ende der Studie keinerlei Krankheitszeichen und wurden über den Studienzeitraum hinaus in Form einer Erhaltungstherapie mit dem Impfstoff behandelt. Der längste beobachtete erkrankungsfreie Zeitraum betrug 42 Monate.
Jene 11 Patientinnen, die auf die Impfung ansprachen, aber dennoch Zeichen einer Resterkrankung aufwiesen, erhielten die zweite Stufe der Immuntherapie – eine sogenannte adoptive T-Zelltherapie. Hierzu wurden T-Zellen ebenfalls aus dem Blut der Patientinnen isoliert, ex vivo stimuliert und vermehrt, und anschließend wieder injiziert. Da die T-Zellen durch den zuvor, im ersten Schritt der Studie verabreichten Impfstoff bereits vorgeprägt waren, kam es zu einer Potenzierung der bestehenden antitumorösen Immunantwort, so das Fazit der Autoren.
Eine Patientin entwickelte eine komplette Remission, 7 weitere zeigten zumindest ein stabiles Krankheitsbild. „Es ist das erste Mal, dass ein solcher kombinierter immuntherapeutischer Ansatz bei Patienten mit einem Ovarialkarzinom zum Einsatz kam“, berichtete Kandalaft. Während die ausschließliche Impfung bei 61% der Patientinnen einen klinischen Benefit zeigte, profitierten von dem kombinierten Ansatz insgesamt sogar 75%.