PSA-Screening: So selten wie möglich – so oft wie nötig

Inge Brinkmann | 24. April 2013

Autoren und Interessenskonflikte

Der Nutzen ist nach wie vor umstritten, trotzdem setzen viele Urologen und Patienten bei der Früherkennung von Prostatakarzinomen auf die PSA-Testung, die Bestimmung des Prostata-spezifischen Antigens in einer Blutprobe. Das Ziel dieser Untersuchung ist es, Prostatatumore möglichst frühzeitig zu erkennen, da eine kurative Behandlung des Karzinoms nur im organbegrenzten Stadium möglich ist. Ein neuer Algorithmus könnte helfen, Risikogruppen zu erkennen.

Studien haben mittlerweile gezeigt, dass die PSA-Screenings dazu beitragen können, die prostataspezifische Mortalität deutlich zu senken. Auch Prof. Dr. Michael Stöckle, Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie der saarländischen Uniklinik in Homburg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Urologie, betonte im Gespräch mit Medscape Deutschland: „Während frühere Studien noch keine eindeutigen Aussagen zuließen, machen die bislang publik gewordenen Teile der 13-Jahresergebnisse der europäischen Screeningstudie Hoffnung, dass durch PSA-Screenings die Sterblichkeit um mindestens 40% reduziert werden kann.“

Stöckle bezieht sich dabei auf die Ergebnisse der European Randomized Study of Screening for Prostate Cancer (ERSPC) [1]. Es handelt sich um die Auswertung von separaten Studien aus 8 europäischen Ländern.

Größter Kritikpunkt der PSA-Testung ist jedoch nach wie vor, dass durch Tests auch Karzinome entdeckt werden, die ohne die Untersuchung nie symptomatisch geworden wären. Die Folge: psychische und körperliche Belastungen sowie unnötige Behandlungen.

Eine Autorengruppe um Dr. Andrew J. Vickers vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York hat nun mit Hilfe einer umfangreichen Fall-Kontroll-Studie einen einfachen Algorithmus erstellt, mit dessen Hilfe unnötige Screenings minimiert werden könnten; die Ergebnisse wurden jetzt im BMJ veröffentlicht [2].

 
Männer mit einer normalen Lebenserwartung sollten den PSA-Test erstmals zwischen Mitte und Ende 40 durchführen lassen.
 

Zur Erstellung ihres Test-Schemas untersuchten die Autoren die konservierten Blutproben von 21.277 Männern, die zwischen 1974 und 1986 am Malmö Preventive Project (MPP), einem langfristig angelegten Projekt zur Bestimmung der Mortalität und kardiovaskulären Morbidität in der schwedischen Bevölkerung, teilgenommen hatten. 4.922 dieser Männer hatten überdies nach 6 Jahren noch eine zweite Blutprobe abgegeben.

Mit 40 ist der Test noch zu früh – mit 50 oft zu spät

Die erste Frage, die Vickers Team klären wollte, war, in welchem Alter Männer den PSA-Wert erstmals testen lassen sollten – bereits im Alter von rund 40 Jahren (37,5 bis 42,5 Jahre), etwas später zwischen 45 und 49 Jahren oder erst nach Überschreitung des 50. Lebensjahres (51 bis 55 Jahre)?

Es zeigte sich, dass selbst 40-jährige Männer mit einem PSA-Wert im höchsten Zehntel ihrer Vergleichsgruppe (= 1,3µg/l) nur ein sehr geringes Risiko von 0,6% aufwiesen, innerhalb der nächsten 15 Jahre an einem metastasierenden Prostatakarzinom zu erkranken. „Deshalb ist es schwierig, ohne Vorliegen anderer Risikofaktoren, einen ersten Test bereits im Alter von 40 Jahren zu rechtfertigen“, schlossen die Autoren.

Bei den 45 bis 49 Jahre alten Männern mit vergleichbar hohen PSA-Werten erhöhte sich das Risiko, innerhalb von 15 Jahren einen metastasierenden Tumor zu entwickeln, dagegen um das Dreifache (1,6%), bei den Männern zwischen 51 und 55 Jahren sogar um das Zehnfache (5,2%). „Würden die ersten Tests erst im Alter von 51 bis 55 Jahren durchgeführt“, erklärten die Autoren in der Studie weiter, „bliebe eine beträchtliche Anzahl Männer mit einem erhöhten Krebs-Risiko unberücksichtigt.“

So selten wie möglich – so häufig wie nötig

Vickers Gruppe konzentrierte sich als nächstes auf die optimale Frequenz der PSA-Screenings. Sie fanden heraus, dass bei Männern in den Altersgruppen 45 bis 49 bzw. 51 bis 55 Jahre mit einem PSA-Wert von =1,0 µg/l nur sehr geringes Metastasierungs-Risiko von 0,4% innerhalb von 15 Jahren bestand.

Da solch niedrige PSA-Werte zudem bei der überwiegenden Zahl der untersuchten Männer gefunden wurden, ist bei diesen niedrigen Konzentrationen nach Ansicht der Autoren ein Screening-Intervall von mehr als 5 Jahren möglich.

Bei den Männern, die in ihrer jeweiligen Altersgruppe PSA-Werte im höchsten Zehntel aufwiesen (45 bis 49 Jahre: =1,6 µg/l; 51 bis 55 Jahre: = 2,4 µg/l), zählten Vickers und seine Kollegen allerdings jeweils etwa 44% der Todesfälle. Sie schreiben: „Dies bedeutet, dass fast die Hälfte aller zum Tode führender Prostatakarzinome bei sorgfältiger Überwachung einer kleinen Risikogruppe entdeckt werden könnten.“

Meist reicht ein Minimalprogramm

Stöckle zeigt sich von den Ergebnissen überzeugt: „Die Autoren haben nicht nur zeigen können, dass sich der PSA-Test zur Früherkennung eignet. Sie haben außerdem noch Risikogruppen identifizieren können.“

Die Empfehlungen der Autorengruppe lauten dementsprechend:

  • Männer mit einer normalen Lebenserwartung sollten den PSA-Test erstmals zwischen Mitte und Ende 40 vornehmen lassen. Bei einer PSA-Konzentration von weniger als 1 µg/l sollten die Tests mit Anfang 50 und im Alter von 60 Jahren wiederholt werden.
  • Männer mit PSA-Werten von =1 µg/l sollten den Test häufiger wiederholen, Literaturangaben entsprechend etwa alle 2 bis 4 Jahre.
  • Besondere Aufmerksamkeit sollte zudem Männern zwischen 45 und 55 Jahren mit PSA-Konzentrationen im obersten Zehntel ihrer Altersgruppen zukommen, da sie knapp 50% der Todesfälle bei den Männern unter 70 bis 75 Jahren ausmachen.
  • Sollte der Wert dagegen selbst im Alter von 60 Jahren noch dem Median entsprechen oder darunter liegen, könne auf weitere Screenings verzichtet werden.

„Für die Niedrig-Risiko-Gruppe erlaubt dies die Durchführung eines Minimalprogramms, das sich in den meisten Fällen auf drei Untersuchungen beschränkt und im Alter von 60 Jahren schon wieder endet“, erklärte Stöckle. „Gleichzeitig können wir uns auf das Screening der Risikogruppen konzentrieren.“

Referenzen

Referenzen

  1. European Randomized Study of Screening for Prostate Cancer:
    http://www.erspc-media.org
  2. Vickers AJ et al: BMJ. 2013; 346: f2023
    http://dx.doi.org/10.1136/bmj.f2023

Autoren und Interessenskonflikte

Inge Brinkmann
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Vickers AJ: Erklärungen zu Interessenkonflikten finden sich in der Originalpublikation.

Stöckle M: Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

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