Die globale Erwärmung wird bei uns zu milderen Wintern und früherem Frühlingsbeginn führen. Dadurch wird auch die Pollensaison früher anfangen und länger dauern. Doch Allergiker müssen auch noch mit anderen Einflüssen durch den Klimawandel rechnen.
Auch wenn es sich nach einem langen, kalten Winter nicht so anfühlt: Der Klimawandel kommt. Die globale Erwärmung ist nicht mehr aufzuhalten, so die UNO [1]. Während des 20. Jahrhunderts hat sich die durchschnittliche Lufttemperatur in Bodennähe global um 0,74 Grad erhöht. 11 der vergangenen 12 Jahre gehören zu den wärmsten innerhalb der letzten 5 Dekaden. Selbst wenn es gelänge, den CO2-Ausstoß auf 550 ppm zu stabilisieren, rechnet die UNO mit einer Klimaerwärmung um durchschnittlich 2 bis 4,5 Grad, am wahrscheinlichsten um 3 Grad.
Infolge dieser Erwärmung wird es in Europa zu wärmeren, milderen Wintern und einem früheren Frühlingsbeginn kommen. Das wiederum wird deutlichen Einfluss auf den Pollenflug und damit die Situation der Allergiker haben. Viele Pflanzen werden bessere Wachstumsbedingungen haben und sich weiter nach Norden ausbreiten. Die Pollensaison wird früher beginnen, länger dauern, und teilweise werden mehr Pollen in der Luft sein als bisher üblich.
Zahl der Pollen hat in ganz Europa zugenommen
Von Island bis Spanien, von Großbritannien bis Griechenland – in einer paneuropäischen Studie haben Wissenschaftler um Prof. Dr. Annette Menzel, Extraordinaria für Ökoklimatologie der Technischen Universität München, langjährige Pollentrends aus 13 europäischen Staaten ausgewertet [2]. Ziel war herauszufinden, ob und wie stark die Pollenbelastung europaweit angestiegen ist. Für 1.221 Pollen-Zeitreihen über 10 bis 28 Jahre wurden einheitliche jährliche Pollenindizes für 23 Pflanzenarten berechnet und jeweils mit den Normwerten verglichen.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Zahl der Pollen überall zugenommen hat. 9 Pflanzengruppen mit allergenen Pollen zeigten einen signifikanten Anstieg, darunter etwa Zypressen, die bei uns als Zierpflanzen immer beliebter werden. Nur bei 2 Pflanzengruppen ging die Pollenzahl zurück. Darunter war der Beifuß. Die Forscher führen das auf intensivere Unkrautbekämpfung zurück. „Es gibt in Europa einen Trend zu höheren Konzentrationen an luftgetragenen Pollen, einschließlich einiger allergener Arten“, ist die Schlussfolgerung von Prof. Dr.med. Karl-Christan Bergmann vom Allergie-Centrum der Charité in Berlin, Vorstand der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst, der ebenfalls an der europäischen Studie mitgearbeitet hat.
Anstieg der Pollen in Städten viel höher als auf dem Land
Auffallend war der Unterschied zwischen Stadt und Land. „Wir haben gesehen, dass der Anstieg der Pollen mit der Zeit in Städten höher ist“, sagt Menzel im Gespräch mit Medscape Deutschland. In ländlichen Gebieten lag der Anstieg bei einem Prozent, in der Stadt dagegen um 3%. Menzel rückt die Ergebnisse aber etwas zurecht. Das seien nur relative Veränderungen. „Das ist nicht gleichzusetzen mit der absoluten Belastung. Wer auf dem Land in einem Birkenwald steht, hat eine hohe Pollenbelastung.“
Woran liegt es, dass die Pollenzahlen vor allem in den Städten zunehmen? Das Klima in Städten ist bekanntermaßen generell wärmer als das auf dem Land. Städte sind „Hitze-Inseln“. Es konnte in der Studie jedoch kein eindeutiger Zusammenhang mit der Temperaturerhöhung gefunden werden. Deutlich war nur eine negative, wenn auch schwache Korrelation: Mit zunehmenden Temperaturen produzieren Birken und Hainbuchen weniger Pollen. Das ist nicht verwunderlich, diese Bäume bevorzugen Regionen in mittleren bis hohen Längengraden mit eher niedrigen Temperaturen.
Hoher CO2-Ausstoß korreliert mit hoher Pollenproduktion
Nun heizt sich in Städten nicht nur das Klima stärker auf als auf dem Land. Hier gibt es vor allem eine höhere Luftverschmutzung durch Abgase von Autos und Industrie. Und hier wurde ein deutlicher Zusammenhang gefunden: Ein hoher CO2-Ausstoß korreliert mit einer hohen Pollenproduktion. „Ein weiterer Anstieg von CO2 könnte zu einer weiteren Zunahme der Konzentration einiger Pollenarten in Europa führen“, so Bergmann im Gespräch mit Medscape Deutschland. „Vermutlich ist aus allergologischer Sicht weniger die einfache Zahl an Pollen in der Luft entscheidend, sondern die Kombination mit Feinstaub, Dieselpartikeln, Wiederaufwirbelung an den Straßen und anderen Komponenten.“
Menzel und ihr Team haben den Stadt-Land-Unterschied weiter untersucht. Dabei haben sie doch einen Zusammenhang mit dem Klimawandel festgestellt. So ist damit zu rechnen, dass mit zunehmender Erwärmung die Gräserpollensaison immer früher beginnt und wohl auch länger dauert [3]. Je nach Wind können dann auch höhere Bergregionen betroffen sein als bisher. Das kann deutliche unangenehme Konsequenzen für Allergiker haben.
„Gewitter-Asthma“ wird häufiger werden
Bergmann sieht ein weiteres Problem in Zusammenhang mit dem Klimawandel: eine Zunahme von „Gewitter-Asthma“. Seit den 1980er Jahren werde beobachtet, dass es weltweit während Gewitterperioden vermehrt zu Asthma-Exazerbationen kommt. Diese Asthma-Anfälle während oder nach Gewittern werden als Folge einer Streuung von mehr luftgetragenen Allergenen aus Pollen erklärt. Die UNO geht von einer Zunahme von Intensität und Frequenz von schweren Niederschlägen und Gewittern in den nächsten Jahrzehnten aus. Bergmann vermutet, dass damit auch in Deutschland diese speziellen Asthma-Episoden sowie deren Symptomstärke bei Erwachsenen und Kindern zunehmen können.
Nicht nur die Zahl der Pollen wird durch die globale Erwärmung beeinflusst. Schimmelpilze mögen das vorhergesagte wärmere, feuchtere Klima. So wird auch ihr Wachstum durch die Kombination von erhöhtem CO2-Ausstoß, dem früheren Einsetzen des Frühlings, wärmeren Wintern und regional höheren Niederschlägen gefördert. Das bedeutet: Es werden mehr hochallergene Schimmelpilzsporen in der Luft sein. Bergmann geht davon aus, dass ein derart erhöhtes Sporenaufkommen zu verstärkten Asthmabeschwerden führen kann, wie es bereits in Studien dokumentiert ist. Und auch die Hausstaubmilben könnten von milderen, feuchteren Wintern profitieren.
Apfelbäume statt Birken pflanzen!
Der Klimawandel ist nicht mehr aufzuhalten. Gibt es dennoch Möglichkeiten, dass die Zukunft für Pollenallergiker nicht ganz so schwarz aussieht? Ja, sagt Bergmann. Er mahnt, mit der Baumbepflanzung in den Städten, wo die Pollenzahl ja am stärksten zunimmt, Rücksicht auf Allergiker zu nehmen [4]. Bäume und Sträucher, die im öffentlichen Raum gepflanzt werden, sollten nach ihrem Allergiepotenzial eingestuft werden. Als Alleebäume sollten dann nicht etwa die zwar sehr attraktiven, aber hochallergenen Birken ausgewählt werden, sondern zum Beispiel für Allergiker ungefährliche Bäume wie Ahorn, Weißdorn, Rotdorn oder Apfelbäume.