Methotrexat (MTX) ist erwiesenermaßen teratogen. Deshalb ist er eigentlich erstaunlich, dass Frauen, die damit ihre Rheumatoider Arthritis (RA) therapieren, seltener einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen als diejenigen rheumakranken Frauen, die das Medikament nicht einnehmen. So lautet jedenfalls das Ergebnis einer Kohortenstudie an der kanadischen McGill Universität [1].
„Dafür gibt es viele mögliche Gründe, einer davon ist die Anwendung effektiver Verhütungsmittel“, erklären Dr. Éveline Vinet, McGill University Health Center, Montreal, Kanada, und ihre Kollegen in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift Arthritis Care & Research.
Rund 120.000 Schwangerschaftsabbrüche werden jährlich in Deutschland vorgenommen, davon 3% nach medizinischer Indikation. Methotrexat gilt als Medikament der Wahl bei Rheumatoider Arthritis; in Deutschland nehmen es etwa 60% der Frauen ein, die an RA leiden. Unter Methotrexat wäre in circa 8% der Schwangerschaften mit embryonalen Fehlbildungen zu rechnen. Bei Frauen, denen das Medikament nicht verabreicht wird, sind es hingegen nur etwa 3%, erklärt Dr. Rebecca Fischer-Betz, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, und Expertin für Rheumatologie und Schwangerschaft der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, gegenüber Medscape Deutschland.
Das Risiko für eine Embryopathie bei MTX-Einnahme der werdenden Mutter ist dosisabhängig. „Die meisten Frauen, die an rheumatoider Arthritis erkranken, sind über 30 Jahre alt. Eine Schwangerschaft ist dann zwar meist aufgrund der Krankheit unerwartet, doch eher erwünscht als ungewollt. Auch das erklärt die niedrigere Unterbrechungsrate“, sagt Fischer-Betz. Aufgrund des hohen Fehlbildungsrisikos gingen die kanadischen Forscher zu Studienbeginn von einer höheren Abtreibungsrate bei MTX-Patientinnen aus, die ungewollt schwanger werden.
Aber: Unter TNF-alpha-Blockern gibt es mehr induzierte Abbrüche
Zur Bestimmung des Anteils induzierter Schwangerschaftsabbrüche bei Frauen mit RA, die Methotrexat einnehmen, haben die Autoren eine Fall-Kontroll-Studie unter Frauen durchgeführt, die in der Verwaltungsdatenbank der kanadischen Provinz Quebec geführt wurden. 112 Frauen (Alter: 15 bis 45 Jahre) mit RA und induziertem Schwangerschaftsabbruch wurden 5.855 passende Kontrollpersonen mit RA gegenübergestellt. MTX nahmen 10,7% der Frauen mit induzierter Abtreibung und 21,7% der Frauen in der Kontrollgruppe ein. Die Abbruchrate fiel bei Frauen, die MTX nahmen, niedriger aus als bei denjenigen, die dieses Medikament nicht einnahmen.
Dagegen ließ die Studie auch erkennen, dass Frauen, die anti-TNF-alpha-Präparate einnahmen, tendenziell eher eine Schwangerschaft unterbrechen lassen, „wahrscheinlich aufgrund ungewollter Schwangerschaften“, vermuten die Autoren. Bei der Einnahme dieser Medikamente gebe es bisher keine Empfehlungen hinsichtlich Verhütung und fetaler Risiken.
„Frauen, die anti-TNF-Wirkstoffe einnehmen, könnten falsch informiert sein über die fetalen Risiken, die mit der Einnahme während der Empfängnis oder frühen Schwangerschaft in Zusammenhang stehen und die Schwangerschaft beenden, weil sie von einem übermäßig großen Risiko ausgehen“, schreibt das Team um Vinet. Zudem vermuten sie bei vielen Frauen, die anti-TNF-Therapeutika einnehmen, eine schwerere Erkrankung, was ihre Entscheidung für oder gegen eine Geburt beeinflussen könnte.
Die kanadische Forschergruppe fordert aufgrund der vermutlich hohen Anzahl ungewollter Schwangerschaften in dieser Patientengruppe „weitere Untersuchungen zur Beratung, zur Anwendung von Verhütungsmitteln und zu ungeplanten Schwangerschaften bei diesen Frauen.“
Ersatzmedikamente gibt es kaum – Beratung ist entscheidend
Fischer-Betz weist darauf hin, dass bei Studien mit Daten aus Gesundheitsdatenbanken nie alle Faktoren berücksichtigt werden können. „Daher kann man hinsichtlich der Gründe für das erhöhte Risiko bei TNF-alpha-Blockern nur Vermutungen anstellen. Frauen die an rheumatoider Arthritis erkrankt sind, werden von uns umfassend zu Verhütung und Schwangerschaft beraten“, erklärt die Expertin. „Die aktuelle Studie und deren Ergebnisse haben die Wichtigkeit dieser Gespräche nochmals unterstrichen.“
Die niedrigere Rate induzierter Abbrüche mit MTX führt Fischer-Betz auch darauf zurück, dass Frauen, die Methotrexat einnehmen, über das Fehlbildungsrisiko aufgeklärt sind und daher sicher verhüten. „Ersatzmedikamente für die Zeit bis zur Empfängnis und während Schwangerschaft gibt es nicht wirklich“, sagt die Expertin. Jedoch verbessere sich bei Schwangeren die Krankheit aufgrund der hormonellen Veränderungen; daher kämen viele ohne Medikation aus. „Kortison ist eine Alternative bei schweren Schüben in der Schwangerschaft“, sagt Fischer-Betz.
MTX sollte mindestens 12 Wochen vor Empfängnis abgesetzt werden. „Dieses Zeitfenster ist in vielen Fällen wenig realitätsbezogen, weil man oft nicht weiß, wann es mit der Schwangerschaft tatsächlich klappt“, kommentiert die Expertin. „Sulfasalazin und TNF-alpha-Blocker scheinen bis zur Konzeption sicherer zu sein.”