„Anhaltspunkte für einen beträchtlichen Zusatznutzen“ hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) jetzt Abirateron für Männer mit metastasiertem, durch eine Hormonblockade nicht beeinflussbaren Prostatakrebs attestiert, die noch keine oder nur leichte Beschwerden haben und bei denen noch keine Chemotherapie angezeigt ist. Eine solche Bewertung ist von Experten erwartet worden.
Das Steroid Abirateron (Handelsname Zytiga®, Janssen-Cilag) ist seit Dezember 2012 für die genannte Patientengruppe zugelassen. Das IQWiG hatte jetzt untersucht, ob Abirateron gegenüber dem bisherigen Standard einen Zusatznutzen bietet. Im Vergleich zu einem abwartenden Vorgehen kann der Wirkstoff das Gesamtüberleben verlängern und das Auftreten schwerer Schmerzen verzögern, teilt das IQWiG mit [1].
Die Einstufung des IQWiG überrasche ihn nicht, bestätigt PD Dr. Carsten Ohlmann, leitender Oberarzt der Universitäts-Klinik für Urologie und Kinderurologie in Homburg/Saar gegenüber Medscape Deutschland: „Es war zu erwarten, dass die Ergebnisse so gut ausfallen. Schließlich war die vom G-BA als zweckmäßig eingestufte Vergleichsgruppe definiertes Abwarten.“
Abirateron blockt die Testosteron-Produktion im Tumor
Medikamente, die im Rahmen der Hormontherapie bei Prostatakrebs eingesetzt werden (LHRH-Agonisten), blockieren die Testosteronproduktion in den Hoden. Abirateron ist ein selektiver Inhibitor des Enzyms CYP17A1. Dieses Enzym katalysiert sowohl die Testosteron- als auch die Östrogen-Produktion im Körper, ist also ein steroidaler Androgenbiosynthese-Hemmer. Wird CYP17A1 nun blockiert, fällt die Testosteronkonzentration ab.
Das Besondere an Abirateron sei, dass es nicht nur die Testosteron-Produktion im männlichen Hoden und in den Nebennieren blockiert, „sondern auch das Testosteron, dass in den Krebszellen selbst gebildet wird“, erklärt Ohlmann, der am Homburger Uniklinikum die medikamentöse Tumortherapie leitet. Abirateron sei das erste Mittel, das direkt im Tumor die Testosteron-Produktion blockiere.
Grundlage der IQWiG-Bewertung ist eine direkt vergleichende, randomisierte kontrollierte Studie (RCT), nämlich die Zulassungsstudie für diese Indikation (COU-AA-302) [2]. Hier erhielten die Patienten entweder Abirateron und Prednison oder ein Placebo und Prednison. Fast alle Patienten (94%) in beiden Studienarmen bekamen zusätzlich ein Medikament zur Hormonblockade.
In beiden Studienarmen wurde die Behandlung so lange beibehalten, bis eine Progression auftrat. In der Abirateron-Gruppe war das im Median nach 13,8 Monaten, in der Placebo-Gruppe nach 8,3 Monaten der Fall. Abirateron hatte Vorteile beim Endpunkt Gesamtüberleben (etwa 5 Monate), und schwere Schmerzen traten später auf: In der Abirateron-Gruppe dauerte es 3 Monate länger, bis ein Viertel der Patienten ein Opiat benötigte. Bei beiden Endpunkten erkannte das IQWiG einen Zusatznutzen. Im Fall der Mortalität mit dem Ausmaß gering, bei der Morbidität mit dem Ausmaß beträchtlich.
Und die Nebenwirkungen?
Als „nicht angemessen ausgewertet und deshalb nicht verwertbar“ bezeichnete das IQWiG einen Großteil der Daten, die der pharmazeutische Unternehmer zu den Nebenwirkungen geliefert habe. Das gelte für die Gesamtrate der unerwünschten Ereignisse und für schwere unerwünschte Ereignisse ebenso wie für spezifische unerwünschte Ereignisse wie Frakturen und Flüssigkeitsretentionen/Ödeme. „Nicht verwertbar sind diese Daten vor allem deshalb, weil die unterschiedliche Behandlungsdauer in den beiden Studienarmen (13,8 vs 8,3 Monate) vom Hersteller in den Auswertungen nicht angemessen berücksichtigt wurde.“
Verwertbar sei aber eine Auswertung aus den Zulassungsunterlagen zu schweren unerwünschten Ereignissen innerhalb der ersten 3 Monate der Behandlung. In diesem Zeitraum zeigten sich keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Behandlungsarmen. Somit sei ein größerer oder geringerer Schaden von Abirateron nicht belegt, aber auch nicht sicher auszuschließen.
Ohlmann präzisiert: „Aus der Phase-3-Studie sind die Nebenwirkungen bekannt: Ödemneigung, Kaliummangel, Hypertonie und Veränderungen der Leberwerte. Bei 5% der Probanden traten schwerwiegende Veränderungen der Leberwerte auf.“ In der Placebogruppe sei das bei 1% der Fall gewesen. Ödembildung und Kaliummangel waren in ihrer Ausprägung mit der Placebogruppe vergleichbar, das Hypertonierisiko jedoch leicht erhöht (3,9% vs 3,0%). Kontraindiziert für die Abirateron-Gabe sind dementsprechend schwere Leberstörungen.
Gute Ansprechrate im Direktvergleich
Die Ansprechrate war gut, bestätigt Ohlmann. „Bei 62% der Patienten zeigte sich ein Ansprechen des PSA-Wertes, eine Verkleinerung der Metastasen war bei 36% zu beobachten“. In der Vergleichsgruppe (abwartendes Vorgehen) sank bei 24% der Patienten der PSA-Wert, bei 16% verkleinerten sich die Metastasen. Schon jetzt wird Abirateron häufig eingesetzt: „Von den Patienten mit Metastasen, die im Indikationsbereich liegen, werden 90% mit Abirateron behandelt“, erklärt Ohlmann. „Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Es ist gut verträglich, vor allem im Vergleich zu einer Chemotherapie, das Monitoring ist einfach zu handhaben und jeder niedergelassene Mediziner kann es verschreiben.“