Ist die Apnoe ein Fall fürs Schlaflabor? Nicht unbedingt – meinen jedenfalls Dr. Ching Li Chai-Coetzer vom Adelaide Institute for Sleep Health am Repatriation General Hospital in Daw Park, Süd-Australien, und Kollegen. Im Journal of the American Medical Association verglich die Arbeitsgruppe die klinische Effizienz und die Kosten eines vereinfachten Diagnose- und Behandlungsmodells bei Hausärzten mit dem Vorgehen in spezialisierten Schlafzentren [1]. Deutsche Experten betonen jedoch, dass eine differenzierte Betrachtung der Studie notwendig sei, da z.B. nicht alle wichtigen Parameter gemessen worden seien.
Die randomisiert-kontrollierte Studie umfasste 155 Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe, von denen 81 von Hausärzten in Adelaide selbst oder in 3 ländlichen Regionen Südaustraliens und 74 Patienten im Schlafzentrum des Universitätsklinikums von Adelaide behandelt wurden. Der Versuch lief von September 2008 bis Juni 2010. Sowohl die Schlafmediziner als auch die Hausärzte wandten CPAP-Beatmung (continuous positive airway pressure), Protrusionsschienen, aber auch konservative Maßnahmen an.
Ist damit der Gang zum Spezialisten passé?
Primärer Endpunkt war die Änderung nach 6 Monaten auf der Epworth Sleepiness Scale (ESS; 0 = keine Tagesschläfrigkeit, 24 = hohe Tagesschläfrigkeit). Sekundäre Endpunkte waren krankheitsspezifische und allgemeine Lebensqualitätsmessungen, Symptome der obstruktiven Schlafapnoe, Abhängigkeit von der CPAP-Beatmung, Patientenzufriedenheit und Behandlungskosten.
In beiden Gruppen besserten sich die Durchschnittswerte des Epworth Sleepiness Score signifikant: In der Hausarztgruppe von 12,8 auf 7,0 (p<0,001) und in der Schlaflabor-Gruppe von 12,5 auf 7,0 (p<0,001). Die mittlere Verbesserung lag bei 5,8 vs. 5,4. Auch bei den sekundären Endpunkten gab es keine Unterschiede.
„Bei Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe erzielt die Behandlung durch den Hausarzt keine schlechteren Ergebnisse als die durch Spezialisten“, schreiben die Autoren. Hausärzte, so ihr Fazit, könnten mit entsprechendem Training und vereinfachten Management-Tools Diagnose und Therapie der Apnoe ebenso meistern wie die spezialisierten Zentren. Ist also der Gang zum Spezialisten passé?
Stark vorselektiertes Patientenkollektiv
Ganz so einfach ist es nicht. Prof. Dr. Winfried Randerath, Chefarzt und Ärztlicher Direktor des Krankenhauses Bethanien in Solingen, stellt klar: „Man muss die Studie sehr differenziert betrachten.“ Die ESS sei zwar ein wichtiger Parameter, doch nicht der einzig wichtige. „Im Verlauf der Studie wurde beispielsweise der AHI (Apnoe-Hypopnoe-Index) nicht gemessen, das ist kritisch.“
Randerath kritisiert, dass es sich um ein stark vorselektiertes Patientenkollektiv handelte – übergewichtige Patienten, Patienten mit kardialen Problemen und mit hohem Blutdruck waren ausgeschlossen. So verblieb von ursprünglich 450 avisierten Patienten nur jeder Dritte für die Studie. Zwar haben die Autoren klargestellt, dass sich ihre Erkenntnisse nur auf die ausgewählte Gruppe beziehen.
Randerath, Mitglied des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) und Apnoe-Experte, fürchtet aber, dass dieses wichtige Detail übersehen wird und zu falschen Schlüssen führt. „Dann lesen Kostenträger die Studie flüchtig und sagen, die Apnoe-Diagnostik ist ja viel einfacher zu haben.“ Für die in der Studie vorselektierte Gruppe – aber eben nur für solche Patienten – reiche eine knappere Diagnostik aus.
„In der deutschen Schlafmedizin wurde lange Zeit eine komplette Diagnostik durchgeführt. Das war sinnvoll, um das Krankheitsbild zu studieren. Jetzt kommt man mehr und mehr zu dem Schluss, dass bei einer bestimmten Klientel – Patienten ohne andere Grunderkrankungen – auch einfachere Methoden ausreichen.“ Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass ganz genau geschaut werden muss, wer für welche Diagnostik in Frage kommt.
Sind die Ergebnisse übertragbar?
„In den ländlichen Regionen Australiens sind Spezialisten weit entfernt, da lag es nahe, nach Alternativen zu suchen“, so Randerath. Grundsätzlich hält der Experte ambulante, von speziell ausgebildeten Krankenschwestern geführte Zentren für eine gute Idee, etwa in Regionen wie der Eifel oder in Ostdeutschland, wo die Ärztedichte abnehmen werde. In Kooperation mit ärztlichen Zentren könnten in solchen Einrichtungen dann Patienten mit unkomplizierter obstruktiver Apnoe betreut werden. „Wir sollten uns solchen Ansätzen öffnen“, meint Randerath. Komplexere Fälle mit zugrundeliegenden Erkrankungen hingegen gehörten ins Schlaflabor.
Zu hohe Kosten als Gegenargument für spezialisierte Zentren greifen hierzulande eher nicht: „Eine komplette Diagnostik über 2 bis 3 Nächte im Schlaflabor mit Polysomnografie kostet in Deutschland rund 700 Euro.“ In der australischen Studie liegen schon die Minimalkosten für die ambulante Diagnostik beim Hausarzt bei 1200 australischen Dollar, was ca. 960 Euro entspricht.
Reines Verschreiben von CPAP-Geräten befürchtet
Betrachte man die Studie ohne diese Einschränkungen und ohne zu differenzieren, berge das Gefahren, warnt Randerath. Etwa die, dass bei Apnoe zu schnell ein CPAP-Gerät verschrieben werde. Schon in der Studie zeigte sich, dass Hausärzte mehr solcher Geräte verordnen als die Spezialisten (90% vs. 70%), dass die Spezialisten auch zu konservativen Maßnahmen (je nach Ursache z.B. Gewichtsreduktion, Verzicht auf Alkohol und Nikotin, Behandlung von Atemwegsbehinderungen) und Protrusionsschienen greifen (24%), während das von den Hausärzten kaum praktiziert wird (3%). Die Gefahr bestehe, dass die Verschreibung eines CPAP-Gerätes als schnelle Universallösung für eine in Wirklichkeit viel komplexere Problematik betrachtet werde.
So gebe es bei den Krankenkassen schon jetzt Ausschreibungen für Atemgeräte: „20 Euro im Monat für das Gerät und die Masken, das ist ein Dumping-System und wird massive Qualitätsverluste nach sich ziehen“, so Randerath, der fürchtet, dass dann Masse Vorrang vor Qualität und seriöser und nachhaltiger Therapie haben wird. „Es ist zu befürchten, dass Ärzte, die sich mit dem Krankheitsbild Apnoe nicht wirklich auskennen, eher dazu neigen, ihren Patienten Atemgeräte zu verschreiben.“ Dabei lässt die Langfristigkeit dieser scheinbar so naheliegenden Lösung womöglich zu wünschen übrig: 21% der Patienten brachen in der Hausarztgruppe die Behandlung frühzeitig ab, in der Spezialistengruppe waren es 8%.