Neue WHO-Empfehlung hat erstmals neben Kochsalz auch die Kaliumzufuhr im Visier

Andrea S. Klahre | 15. April 2013

Autoren und Interessenskonflikte

Für kaum eine andere Diagnose ist es so überzeugend nachgewiesen wie für den Hypertonus, dass ein gesunder Lebensstil die Entwicklung kardiovaskulärer Risiken mit ihren fatalen Endpunkten Herzinfarkt und Schlaganfall verhindern kann. Ein kleines, aber kapitales Rädchen in diesem Getriebe sind alimentäre Änderungen beim Salzkonsum: In ihren neuen Richtlinien hat die WHO das globale Ziel formuliert, bis zum Jahr 2025 die Zufuhr von Natriumchlorid um 30% auf täglich maximal 5 g zu begrenzen [1]. Das entspricht in etwa einem Teelöffel.

Mehr noch: Die WHO hat erstmals Empfehlungen für eine Erhöhung der Kaliumzufuhr über die Nahrung auf mindestens 3,5 g täglich ausgesprochen [2]. Eine Hypokaliämie kann – insbesondere im Zusammenhang mit Magnesiummangel – gutartige wie bedrohliche Arrhythmien auslösen oder verstärken. Gleiches gilt zwar auch für eine Hyperkaliämie, das Risiko besteht jedoch nur bei eingeschränkter Nierenfunktion. Eine gesunde Niere ist in der Lage, den Kaliumspiegel im Serum zu regulieren.

„Kalium ist wichtig zur elektrischen Stabilisierung der Herzzellen“, erläutert Prof. Dr. Andreas Götte, Chef der Kardiologie und Internistischen Intensivmedizin am St. Vincenz-Krankenhaus Paderborn, in einem Sonderband zum Thema Herzrhythmusstörungen der Deutschen Herzstiftung [3]. „Es ist für die Bildung von elektrischen Impulsen ... von entscheidender Bedeutung und damit für die rhythmische Aktivierung des Herzens.“ Stabilisierend wirkt der essenzielle Mineralstoff nur, wenn die Konzentration im Normbereich zwischen 3,6 und 4,8 mmol/l liegt.

Schon von klein auf

Laut Dr. Francesco Branca, Direktor des Genfer WHO-Department of Nutrition for Health and Development, gelten die Guidelines ab einem Alter von 2 Jahren. Anlässlich deren Vorstellung in Genf betonte Branca, dass die Weichen in frühester Kindheit gestellt würden, „denn aus Kindern mit Bluthochdruck werden oft Erwachsene mit Bluthochdruck.“

Für die aktuellen Empfehlungen hat die WHO 2 von 3 jetzt zeitgleich im British Medical Journal veröffentlichte Metaanalysen ausgewertet.

Im ersten Review ohne WHO-Beteilung haben Forscher der Londoner Queen Mary University 34 Studien mit 3.230 Teilnehmern zwischen 22 und 73 Jahren und mit einem durchschnittlichen Blutdruck von 141/86 mmHg analysiert [4]. Es hat sich gezeigt, dass eine langsame tägliche Salzrestriktion von 7-12 auf 2-7 g im Verlauf von 4 Wochen bis zu 3 Jahren enorme Effekte sowohl auf hyper- als auch normotensive Teilnehmer hatte, und das unabhängig von Geschlecht und Ethnie.

Daran gekoppelt waren geringgradige Erhöhungen der hormonellen Parameter Aldosteron, Noradrenalin sowie der Plasma-Renin-Aktivität (PRA), einem prognostischer Marker für das Mortalitätsrisiko bei Patienten mit Herzinsuffizienz. Keine signifikanten Veränderungen gab es bei den Lipiden.

Kaum Salz + reichlich Kalium = niedriger Blutdruck

„Wir haben einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Natriumreduktion im 24-Stunden-Urin und dem Abfall des systolischen Blutdrucks festgestellt“, schreiben die Autoren. Daraus folgt: Je geringer der Salzkonsum, umso deutlicher der Abfall des systolischen Blutdrucks. Den Autoren genügt die langfristige WHO-Zielgröße von 5-6 g/Tag deshalb nicht, 3 g/Tag hätten prospektiv deutlichen Mehrwert. Das britische National Institute of Health and Care Excellence (NICE) hat sich der Einschätzung inzwischen angeschlossen.

Nancy J. Aburto vom WHO-Department of Nutrition for Health and Development in Genf hat mit ihren Kollegen Ähnliches ermittelt [5]. Sie haben insgesamt 56 Studien analysiert, darunter 37 randomisiert-kontrollierte Studiendie sich mit der Messung des Blutdrucks, der Nierenfunktion, der Blutfette und der Katecholamine bei Erwachsenen beschäftigt hatten, und 10 Studien mit Hypertonie im Kindesalter.

Bei Erwachsenen ging mit reduzierter Kochsalzzufuhr eine Senkung des systolischen Drucks um 3,39 mmHg (95% KI: 2,46-4,31) einher, beim diastolischen Druck in Ruhe um 1,54 mmHg (95% KI: 0,98-2,11). Bei weniger als 2 g Salzaufnahme/Tag fiel der systolische Druck um 3,47 mmHg (0,76-6,18), der diastolische um 1,81 mmHg (0,54-3,08). Es wurden keine negativen Auswirkungen auf Lipide, Hormonspiegel oder renale Funktion registriert (p>0,05). Beim kindlichen Blutdruck korrelierte weniger Fastfood mit einer Drucksenkung systolisch um 0,84 mmHg (0,25-1,43), diastolisch um 0,87 mmHg (0,14-1,60).

„Alles deutet darauf hin, dass die Herz-Kreislauf-Gesundheit der meisten Menschen davon profitiert, wenn sie ihren Salzkonsum auf ein Minimum beschränken”, schlussfolgern die Autoren. Entsprechende Kampagnen der nationalen Gesundheitsministerien sollten Teil der öffentlichen Bemühungen werden. Je schneller, desto besser.

Antagonistische Wirkung

Im dritten Review haben Aburto und ihre Kollegen sich 33 Studien mit über 128.000 Teilnehmern vorgenommen. Bekannt sei, dass ein niedriges Infarktrisiko mit geringem Natriumchlorid- und hohem Kaliumkonsum assoziiert ist, heißt es. Ein Grund dafür liegt in der antagonistischen Wirkweise: Während der extrazelluläre Elektrolyt Natrium den Blutdruck erhöht, senkt der Mineralstoff Kalium diesen und entspannt die Gefäße. Ebenfalls bekannt seien die ungünstigen Auswirkungen eines Kaliummangels auf die Herz-Kreislaufrisiken.

„Allerdings ist die Datenlage nicht konsistent. Deshalb wollen wir mit dieser systematischen Literaturrecherche hochrangiger Studien erstmals beweisen, dass hohe Kaliumspiegel nicht nur blutdrucksenkend wirken und eine inverse Beziehung zum Schlaganfall besteht, sondern dass darüber hinaus keine potenziell negativen Effekte für Nieren, Blutfette und Katecholamin-Konzentrationen bei scheinbar gesunden Erwachsenen und Kindern bestehen“, so die Autoren.

Der Nachweis scheint in nahezu jeder Hinsicht gelungen. Eine erhöhte Kaliumzufuhr hat eine mittlere Blutdrucksenkung systolisch um 3,49 mmHg und diastolisch um 1,96 mmHg gezeigt. Eine Erhöhung der Dosis auf 90-120 mmol/Tag drückte den systolischen Druck um beachtliche 7,16 mmHg, allerdings war die Wirkung war auf Hypertoniker beschränkt.

24% weniger Schlaganfälle

Für die Gesamtzahl der kardiovaskulären Erkrankungen einschließlich Herzinfarkte wurde kein signifikanter protektiver Trend gefunden, während die Zahl der Schlaganfälle um 24% zurückging. Damit kann sich das definierte Ziel der WHO – eine Zufuhr von mehr als 3,5 g Kalium pro Tag – wenigstens auf diesen harten Endpunkt stützen. Dagegen reicht die Datenlage zur blutdrucksenkenden Wirkung bei Kindern noch nicht aus.

Was die Umsetzung betrifft, so dürfte diese allgemein ein heroisches Maß an Disziplin bedeuten: Der ungebrochene Trend zur Fertignahrung hat bekanntermaßen zuviel von allem, was adipös und atopisch macht, während die Kaliumlieferanten frisches Obst und Gemüse, Nüsse, Trocken- und Hülsenfrüchte – insbesondere Bananen, Datteln, Aprikosen, Kartoffeln, Trauben, Fenchel oder Spinat – selten bis gar nicht zu den Ernährungsgewohnheiten zählen.

Hinzu kommt laut Götte, dass eine Hypokaliämie nur ausgeglichen werden kann, wenn die Magnesiumwerte im Normbereich liegen. Magnesiummangel verstärkt die Symptome eines Kaliummangels. Und doch wären die Ziele nicht nur der WHO aller Mühen wert. Jährlich könnten mit einfachen präventiven Maßnahmen weltweit Millionen zusätzliche Todesfälle durch Herz-Kreislauferkrankungen verhindert und zugleich die Kosten für die Gesundheitssysteme gesenkt werden.

Referenzen

Referenzen

  1. WHO: Sodium intake for adults and children.
    http://www.who.int/nutrition/publications/guidelines/sodium_intake/en/index.html
  2. WHO: Potassium intake for adults and children.
    http://www.who.int/nutrition/publications/guidelines/potassium_intake/en/index.html
  3. Deutsche Herzstiftung: Sonderband Herzrhythmusstörungen heute. 2010, 132 S.
    http://www.herzstiftung.de/Herzrhythmusstoerungen-Sonderband.html?PHPSESSID=0icjj85jip7pvqq7jldi9ejeh1
  4. Feng JH, et al: BMJ 2013 (online) 4. April 2013.
    http://dx.doi.org/10.1136/bmj.f1325
  5. Aburto NJ, et al: BMJ 2013 (online) 4. April 2013.
    http://dx.doi.org/10.1136/bmj.f1326
  6. Aburto NJ, et al: BMJ 2013 (online) 4. April 2013.
    http://dx.doi.org/10.1136/bmj.f1378

Autoren und Interessenskonflikte

Andrea S. Klahre
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