Mannheim – Was die renale Denervierung angeht, ist der „Rest der Welt“ sozusagen ein Kontrollkollektiv für Deutschland. Weltweit stellt Deutschland etwa die Hälfte aller Patienten mit therapie-resistentem Bluthochdruck, die eine Katheterintervention zur renalen Denervierung erhalten. Erst 2009 eingeführt, boomte das Verfahren hierzulande rasch, inzwischen verfügen mehr als 200 Zentren über diese Therapiemöglichkeit – was von Beobachtern aus anderen Ländern zum Teil mit Erstaunen zur Kenntnis genommen wird.
Der Boom wurde geschürt, weil sich die Protagonisten anfangs überzeugt zeigten, eine kausale Therapie für den hohen Blutdruck gefunden zu haben. Dass die Hypertonie gleichwohl noch immer nicht heilbar ist, zeigt schon ein Blick auf die mageren Studiendaten: Im Schnitt ist mit einer Blutdrucksenkung von 11 mmHg systolisch nach 6 Monaten bei 84% der Patienten zu rechnen.

Infolgedessen ist in vielen Fällen trotz Denervierung weiterhin eine medikamentöse Blutdrucksenkung nötig. Grund genug, auf dem diesjährigen Kardiologen-Kongress in Mannheim nach dem Stellenwert dieser Therapie zu fragen. Wie einer der Verfechter des Verfahrens, Dr. Felix Mahfoud vom Universitätsklinikum Homburg/Saar, bei der 79. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim berichtet, führt das katheterbasierte Verfahren via Hochfrequenzablation mit 8 Watt während 2 Minuten (bei Erhitzung der Adventitia auf 50 – 70 Grad Celsius) zu einer Ausschaltung der Aktivität des Sympathikus [1,2].
Gründe für den eher mäßigen Erfolg liegen entweder im Design der bisher dazu vorgenommenen Wirksamkeitsstudien oder der Technik selbst: Während der Prozedur kann zum Beispiel derzeit noch nicht geprüft werden, ob alle Nierennerven tatsächlich ausgeschaltet worden sind. Und: Bei manchen Patienten dominieren andere Mechanismen, die den Blutdruck erhöhen, heterogene Kollektive könnten daher die Studienergebnisse verzerren. Darüber hinaus ist noch überhaupt nicht geklärt, welche Langzeiteffekte das Verfahren hat und in welchem Ausmaß unerwünschte Effekte auf die vaskuläre und renale Gesundheit in Kauf genommen werden müssen [3].
Trotz solcher Unklarheiten arbeiten Forscher derzeit schon fieberhaft daran, das Spektrum der Indikationen zu erweitern. Hoffnungsvolle Erstresultate gibt es immerhin. Zu den Erkrankungen, die symptomatisch durch eine Nierennervenablation gelindert oder gar geheilt werden könnten, sollen so unterschiedliche Krankheitsentitäten wie die Insulinresistenz, die Schlafapnoe, Nierenerkrankungen, Vorhofflimmern oder die Herzinsuffizienz zählen.
Für wen sind überhaupt Vorteile zu erwarten?
Unklar ist, welche Prädiktoren auf Seiten der Patienten für einen Erfolg des Verfahrens sprechen und welche eher nicht.
Derzeit wird empfohlen,
- dass der in der Praxis gemessene Blutdruck größer gleich 160mmHg (Diabetiker 150mmHg) betragen soll,
- dass der Patient bereits mit mindestens 3 Antihypertensiva und bei guter Compliance vorbehandelt sein, ohne dass der Blutdruck auf dem Zielwert ist,
- dass sekundäre Ursachen ausgeschlossen wurden,
- dass die Nierenfunktion normal oder nur geringfügig beeinträchtigt ist (GFR größer gleich 45 ml/min/1.73 m2) und schließlich,
- dass keine vorangegangenen Interventionen, keine Stenosen oder Anomalien der Nierenarterien vorliegen.
Jedes dieser Kriterien muss erfüllt sein.
Ein GREAT-Register für offene Fragen
Wegen der unbefriedigenden Datenlage wurde das Register GREAT (German Renal Denervierung Registry) in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe „Herz und Niere“ der DGK und der Deutschen Herzstiftung ins Leben gerufen. Die Ergebnisse von etwa 40 Zentren in Deutschland werden darin zusammengetragen – was nur einen kleinen Teil der 200 Anbieter des Verfahrens ausmacht. Hauptsponsor des Registers ist die Firma Medtronic. Die Biostatistik ist beim Institut für Herzinfarktforschung (IHF) in Ludwigshafen angesiedelt, wo man mit einem US-amerikanischen Register zusammenarbeitet, das die weltweit erfassten Daten beisteuert.
„Es werden diejenigen Patienten in das Register aufgenommen, die aufgrund einer gesteigerten Sympathikusaktivität einer renalen Denervierung unterzogen werden können“, erläutert Mahfoud in Mannheim. Der Begriff „Hypertonie“ fehle inzwischen bei den Einschlusskriterien zum Register, um einen möglichst großen Kreis von Patienten in das Register aufnehmen zu können: „Die Ein- und Ausschlusskriterien wurden sehr breit gefasst. Das Mindestalter beträgt 18 Jahre. Weitere Ausschlusskriterien gibt es nicht“, so der Experte.
Primäre Endpunkte des Registers betreffen Sicherheitsfragen wie die peri-prozedurale Sicherheit, sowie die vaskuläre, renale und hämodynamische Langzeit-Sicherheit. Sekundäre Endpunkte sind Patientencharakteristika, Dauer und Höhe der Blutdrucksenkung, sowie Effekte auf klinische Endpunkte wie Tod, Schlaganfall oder Myokardinfarkt.

Auch die Änderung der antihypertensiven Medikation vor und nach der Intervention soll in dem Register erfasst werden. Wie Prof. Dr. Michael Böhm, ebenfalls von der Universitätsklinik Homburg/Saar, auf Anfrage von Medscape Deutschland mitgeteilt hat, werden die klinischen Ein-Jahres-Daten von GREAT zur Wirksamkeit und Sicherheit beim Kongress EURO PCR Ende Mai in Paris vorgestellt werden. Auch ein Vergleich der GREAT-Daten mit den Resultaten aus aller Welt ist geplant. Nicht ohne Grund, da Deutschland allein so viele Patientendaten liefert wie die übrigen Länder zusammen genommen. Erhoben werden im ersten Jahr die 3-, 6- und 12-Monatsdaten mit einem Follow-up bis 5 Jahre.
Basisdaten der im Register aufgenommenen Patienten
Die bisherigen Basisdaten aus dem Register (n=772) haben zu Tage gebracht, dass die Patienten im Schnitt 60,4 Jahre alt sind, zu 99,3% eine Hypertonie haben, zu 41,3% einen Diabetes mellitus und zu 28,8% eine chronische Nierenerkrankung (Mehrfachnennung waren möglich). 62,2% der Patienten im GREAT-Register sind Männer, wie Mahfoud in Mannheim ausführte.
Beim Vergleich der Patienten aus Deutschland mit denen aus aller Welt fällt auf, dass hierzulande das Durchschnittsalter über den internationalen Zahlen liegt (59,2 Jahre). Auch haben in Deutschland mehr Patienten eine Schlafapnoe im Vergleich zum Rest der Welt (18,0% vs. 13,4%). Ferner haben deutsche GREAT-Patienten häufiger eine chronische Nierenerkrankung (33,2% vs. 24,3%). Die deutschen Patienten weisen zudem mehr Komorbiditäten auf, 3 und mehr Begleitkrankheiten liegen bei einem deutlich höheren Prozentsatz vor (33,9% vs. 25,5%).
Tab. 1: Die Praxis-Blutdruckwerte der Patienten bei Aufnahme ins Register waren:
Systolischer Blutdruck |
Alle Patienten |
Nur GREAT-Patienten |
Rest der Welt |
Durchschnitt |
164,3 mmHg |
160,8 mmHg |
168,3 mmHg |
Kleiner 140 mmHg |
13,3% |
18,2% |
08,2% |
140-159 mmHg |
27,3% |
31,7% |
22,8% |
160-179 mmHg |
34,6% |
28,0% |
42,5% |
Größer 180 mmHg |
24,8% |
22,2% |
27,5% |
Eine Diskussion um die renale Denervierung hält unvermindert an
Die Nachfragen aus dem Publikum in Mannheim bezeugten, wie kontrovers die renale Denervierung derzeit diskutiert wird. Eine Leserbriefdiskussion als Reaktion auf eine einschlägige Publikation von Mafoud, Böhm und anderen im Deutschen Ärzteblatt hatte dies schon vor einem Jahr deutlich gemacht [2,3].
Kritisiert wurde dabei einerseits die kurze Beobachtungsdauer der kontrollieren Simplicity-Studien, sowie eine unzureichende Methodik, was die nur relativ geringfügige Blutdrucksenkung von im Schnitt 11 mmHg systolisch erkläre, so Prof. Dr. Johannes Mann vom Städtischen Klinikum München-Schwabing. Auch die nötige Kontrastmittelapplikation stelle ein erhebliches Hindernis bei Patienten ab CKD (Chronic Kidney Disease) 3 dar.
PD Dr. Joachim Beige aus Leipzig weist in seinem Leserbrief auf ein anderes, instrumentelles Verfahren, die Baroreflexstimulation, hin. Die Barorezeptorstimulation erreiche wahrscheinlich eine höhere Blutdrucksenkung als die renale Denervierung, erfordere aber nur einen kleinen operativen Eingriff, dem Aggregatwechsel bei kardialen Pacern vergleichbar. Prof. Dr. Manfred Anlauf aus Bremerhaven erinnerte in seinem Leserbrief daran, dass auch nach renaler Denervierung in den meisten Fällen eine medikamentöse Blutdrucksenkung erforderlich ist.