
Mannheim – Aortenklappenchirurgie oder katheterbasierte Aortenklappenimplantation (TAVI)? Das weltweit größte Register zu dieser Fragestellung ist das deutsche Aortenklappenregister GARY (German Aortic Valve Registry). Erste Ein-Jahres-Daten aus GARY hat Prof. Dr. Christian W. Hamm, Direktor der Medizinischen Klinik I der Universität Gießen und des Kerckhoff-Herzzentrums Bad Nauheim, jetzt beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in Mannheim vorgestellt [1].
„Es handelt sich um das erste große Register, in dem beide Vorgehensweisen bei Aortenklappen-Patienten verglichen werden", erläuterte Hamm vor der Presse. Studienleiter von herzchirurgischer Seite ist Prof. Dr. Friedrich W. Mohr, Direktor der Klinik für Herzchirurgie am Herzzentrum Leipzig. Er hat die Daten kürzlich beim Kongress des American College of Cardiology (ACC) in San Francisco präsentiert. Diese bestätigen, dass offenbar kein Grund besteht, das TAVI-Verfahren grundsätzlich in Frage zu stellen. Beide Studienleiter sind inzwischen zur Zulassungsbehörde FDA in die USA eingeladen worden, um dort bei einem Hearing mit ihrer Expertise zum US-amerikanischen Zulassungsprozess beizutragen, wie Hamm anmerkte.
Die Hauptresultate von GARY
Die Hauptresultate von GARY: Ganz generell liefert der chirurgische Klappenersatz bessere Ergebnisse als TAVI. Vergleicht man aber die Hoch-Risiko-Patienten mit einem Risiko-Euro-Score von mehr als 20%, so sind die Ergebnisse mit TAVI ebenso gut wie die der herzchirurgischen Therapie. Inoperablen Patienten kann damit eine lebensverlängernde Therapie angeboten werden, die bisher nicht zur Verfügung stand. Insgesamt erbrachte das Register eine hohe Zufriedenheit der Patienten mit dem TAVI-Verfahren.
Im Einzelnen erfasst wurden in GARY sowohl der chirurgische Aortenklappenersatz bzw. die Aortenklappenrekonstruktion (AVR), die katheterbasierte transfemorale/transvaskuläre TAVI (TV-TAVI) und die katheterbasierte transapikale TAVI (TA-TAVI). Das Register ist prospektiv, kontrolliert und multizentrisch. Beteiligt haben sich 88 aktive Zentren, 7 Zentren sind noch inaktiv, 1 Zentrum hat sich noch nicht beteiligt. Einziges Ausschlusskriterium war fehlende Zustimmung des Patienten.
Die Nachkontrollen erfolgten an Tag 30 und nach einem Jahr. Weitere Kontrollen sollen nach 3 und 5 Jahren stattfinden. Aufgenommen wurden in die Studie zwischen Januar und Dezember 2011 insgesamt 13.860 Patienten, wobei ein Ein-Jahres-Follow-up (n=13.595) bei 98,1% gelang. Zum Vergleich: Gemäß Leistungsstatistik der Herzchirurgen wurden im Jahr 2012 in Deutschland insgesamt 18.258 Aortenklappenprothesen vorgenommen, davon 35,5% kathetergeführt (n= 6479).
Was ergaben die Daten zur Sterblichkeit?
Vergleicht man die einzelnen Prozeduren im Hinblick auf die Sterblichkeit, so ergab sich eine Ein-Jahres-Sterblichkeit von 6,7 % beim chirurgischen Vorgehen per AVR, von 11,0% bei der Kombination von AVR und Bypass-OP (CABG), von 20,7% bei der TV-TAVI und von 28,0% bei transapikaler TAVI. Die Resultate für TA-TAVI und TV-TAVI waren damit sogar besser als in der Zulassungsstudie PARTNER-A. Bei der Schlaganfall-Häufigkeit ergaben sich nach einem Jahr keine signifikanten Unterschiede zwischen den Verfahren. Bei getrennter Betrachtung von kleineren und größeren Schlaganfällen betrugen die Raten bei der AVR ohne Bypass 1,3% bzw. 1,7%, bei AVR mit Bypass 2,1% bzw. 2,3%, bei der TV-TAVI 2,8% und 2,0% sowie für die TA-TAVI 1,8% und 1,6%.
Jeweils rund 60% der Patienten gaben – unabhängig vom Verfahren – nach einem Jahr an, dass es ihnen nun besser gehe als vor dem Eingriff.
Falschinformationen in den Publikumsmedien
Hamm kritisierte die Berichterstattung über das TAVI-Verfahren in den Publikumsmedien. Dabei sei häufig der falsche Eindruck erweckt worden, die Kardiologen hätten sich nun ein weiteres Gebiet erobert, und den Herzchirurgen drohe bei dieser Indikation die Arbeitslosigkeit – anstatt herauszustellen, dass es sich um eine neue lebensverlängernde Therapiemöglichkeit für inoperable Patienten handle. Insgesamt hätten die Patientenzahlen zugenommen, doch dies vor allem, weil früher „für viele Hochrisikopatienten keine Therapiemöglichkeit bestand", so Hamm.

Auch die monetäre Frage wurde in Mannheim während der Pressekonferenz diskutiert. Zwar klingt der Betrag von 33.000 Euro für eine TAVI gemäß Fallpauschalensystem sehr hoch. Doch zwei Drittel dieses Betrages (mehr als 20.000 Euro) werden für Sachmittel benötigt, so dass die Krankenhäuser weniger von einer solchen Fallpauschale haben als zunächst vermutet, erläuterte Prof. Dr. Holger Reinecke von der Abteilung für Kardiologie und Angiologie am Zentrum für Innere Medizin in Münster. Ob es bei dieser Fallpauschale längerfristig bleiben wird, ist noch nicht klar. Die Höhe wird anhand der Ausgaben von Referenzkrankenhäusern ermittelt.
Auf Nachfrage von Medscape Deutschland erläuterte ein Sprecher des Klappenherstellers Medtronic, dass die Klappen nicht einzeln an Krankenhäuser abgegeben werden. Die Minimum-Abnahme liege derzeit bei 10 TAVI-Klappen. Damit verbunden sei die Verpflichtung einer intensiven Schulung sämtlicher ärztlicher Beteiligter an der Implantation. Die Hersteller fürchten, dass bei falscher Indikation oder unsachgemäßer Anwendung des TAVI-Verfahrens die neue Methode in Misskredit geraten könnte.
Bedeutung der „Real-World-Daten“
Prof. Dr. Evangelos Giannitsis aus Heidelberg erläuterte im Gespräch mit Medscape Deutschland, dass erst die „Real-World-Daten" aus einem solchen Register eine sichere Antwort auf die Frage liefern, ob das neue Verfahren für die Praxis insgesamt geeignet ist. Nach den bisherigen Daten scheint dies der Fall zu sein.
Gesponsert wird das GARY-Register von den Klappenherstellern Edwards, Medtronic, Jena Valve, Symetis, St. Jude und Sorin, ferner von den deutschen Fachgesellschaften der Kardiologen (DGK) und Herzchirurgen (DGTHG), sowie der Deutschen Herzstiftung.