HPV-Impfung: Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Dr. med. Sylvia Bochum | 4. April 2013

Autoren und Interessenskonflikte

Um den maximalen Impfschutz zu erzielen, sollten Mädchen möglichst früh gegen humane Papillomviren (HPV) geimpft werden. Zu diesem Ergebnis kam jetzt eine schwedische Kohortenstudie, die kürzlich im Journal of the National Cancer Institute veröffentlicht wurde [1]. Analysiert wurde der Rückgang von Genitalwarzen (Condylomata acuminata). Die Forschergruppe um Dr. Amy Leval vom Karolinska Institut in Stockholm zeigte außerdem, dass Mädchen und junge Frauen mit mindestens einem akademisch ausgebildeten Elternteil deutlich häufiger gegen HPV geimpft waren als Töchter von Eltern ohne Hochschulreife.

Diese Erkenntnis sei wichtig für die Weiterentwicklung bestehender und zukünftiger HPV-Impfstrategien. „Denn ob die HPV-Impfung in einer Population einen hohen Nutzen erzielt, hängt letztlich auch vom Erreichen einer hohen Impfquote ab“, erklärt Prof. Dr. Rafael Mikolajczyk, stellvertretender Leiter der Abteilung für Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Bei der Festlegung des idealen Impfalters müsse zudem die Dauer des Impfschutzes berücksichtigt werden.

Auftreten von Genitalwarzen frühes Maß für Wirksamkeit einer HPV-Impfung

Die Entstehung von Gebärmutterhalskrebs ist eng mit vorangegangenen HPV-Infektionen verbunden. Von den etwa 100 bekannten HPV-Typen scheinen die Typen 16 und 18 für 70% aller Fälle von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich zu sein. Die Impfung mit den bislang zugelassenen Vakzinen verhindert die Infektion gegen diese beiden im Impfstoff enthaltenen HPV-Typen zu nahezu 100%, weshalb ihnen eine wichtige Rolle bei der Prävention von Gebärmutterhalskrebs und anderen HPV-assoziierten Krebserkrankungen zugeschrieben wird. Ein seit 2006 verfügbarer tetravalenter Impfstoff (qHPV) schützt zusätzlich gegen die nicht-onkogenen Niedrigrisiko-HPV-Typen 6 und 11, die wiederum mehr als 90% aller Genitalwarzen verursachen.

Die schwedischen Autoren untersuchten jetzt eine Kohorte von mehr als 2 Millionen Frauen im Alter von 10 bis 44 Jahren, die zwischen 2006 und 2010 in Schweden lebten. Circa 124.000 dieser Mädchen und Frauen waren gegen HPV geimpft. Die höchste Impfrate fand sich bei den 18- bis 19-Jährigen (31,9%) und den 13- bis 17-Jährigen (24,7%). Die Daten dazu stammten unter anderem vom seit 2006 bestehenden nationalen schwedischen Impfregister (SVEVAC).

Die Autoren verglichen die Inzidenzraten für Genitalwarzen von Frauen, die mit der qHPV-Vakzine geimpft waren, mit jenen, die nicht geimpft waren. Die Zeit zwischen einer HPV-Infektion und dem Auftreten von Genitalwarzen ist relativ kurz und somit das früheste Maß, mit dem die Wirksamkeit einer HPV-Impfung beurteilt werden kann.

Der Nutzen hinsichtlich der Verhinderung von Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs bzw. Gebärmutterhalskrebs kann hingegen erst nach langer Beobachtung festgestellt werden. Die Schlußfolgerungen aus der Betrachtung von Genitalwarzen sind möglicherweise auf die Prävention von Gebärmutterhalskrebs nicht gänzlich übertragbar, liefern aber wichtige Hinweise.

Impfung bei den jüngsten Mädchen am wirksamsten

Bei Frauen, die ihre erste Impfung vor dem 20. Lebensjahr erhielten, betrug die Wirksamkeit der Impfung bei vollständiger Impfserie 76% (95%-Konfidenzintervall [KI] 73 bis 79%). Die Wirksamkeit war bei Mädchen, die vor dem 14. Lebensjahr geimpft wurden, mit 93% (KI 73 bis 98%) am höchsten. In der Altersgruppe der 14- bis 16-Jährigen betrug die Wirksamkeit 80% (KI 75 bis 83%) und in der Gruppe der 17- bis 19-Jährigen 71% (KI 65 bis 76%). Bei den 20- bis 22-jährigen Frauen sank die Wirksamkeit der HPV-Impfung auf 48% (KI 22 bis 65%) und bei den 23- bis 26-Jährigen auf 21% (KI 0 bis 53%).

Bei der Interpretation dieser Zahlen sei zu bedenken, so Mikolajczyk, dass die Gruppe der Frauen, die mit weniger als 14 Jahren geimpft wurden, klein und – wie den überlappenden Konfidenzintervallen zu entnehmen – der Unterschied in der Wirksamkeit zur nächsten Altersgruppe (14 bis 16 Jahre) nicht signifikant war. Erst die weiteren Altersgruppen unterschieden sich signifikant.

Damit habe man erstmals auch bei der Betrachtung der Population eines ganzen Landes zeigen können, dass die HPV-Impfung bei den unter 20-Jährigen bezüglich des Auftretens von Genitalwarzen einen hohen Impfschutz vermittle, so die Autoren. Zusätzlich habe man bei dieser Altersgruppe eine starke Altersabhängigkeit der Wirksamkeit nachweisen können.

 
„Wenn man einen Impfschutz von 10 Jahren, der dann über weitere 10 Jahre schrittweise zurückgeht, zugrunde legt, liegt das optimale Alter für die HPV-Impfung bei 14 Jahren.“
Prof. Dr. Rafael Mikolajczyk
 

Kein Nutzen fand sich hingegen bei Frauen, die älter als 22 Jahre waren. Die Autoren geben aber zu bedenken, dass das Ergebnis für diese Altersgruppe dadurch verfälscht sein kann, dass Frauen mit einem höheren Risiko sich impfen ließen. Damit sind die Zahlen zur Wirksamkeit auf der Populationsebene schwer zu interpretieren – ein individueller Nutzen der Impfung kann trotzdem bestehen. Insgesamt sei der Rückgang der Wirksamkeit kongruent mit der Beobachtung, dass die Impfung gegen HPV bei bereits HPV-infizierten Frauen deutlich schlechter wirke als bei nicht HPV-Infizierten, so die Autoren.

Die Autoren konnten zudem zeigen, dass Frauen, bei denen zumindest ein Elternteil einen akademischen Abschluss hatte, mit einer 15-fach höheren Wahrscheinlichkeit gegen HPV geimpft waren als Töchter von Eltern ohne Hochschulreife (relative Risk Ratio 15,45, 95%-KI: 14,65 bis 16,3). Das mütterliche Bildungsniveau war dabei stärker mit dem Impfstatus der Tochter assoziiert als das väterliche.

Die Autoren schließen daraus, dass die Ausbildung der Eltern die Entscheidung für oder gegen eine Impfung offensichtlich sehr stark beeinflusst, vor allem dann, wenn – wie im Beobachtungszeitraum der Studie der Fall – ein Teil der Kosten für die Impfung selbst getragen werden muss.

Hohe Impfquote bei Frauen entscheidend für den Erfolg

In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) momentan eine Impfung gegen HPV für alle 12 bis 17 Jahre alten Mädchen. Es hat sich allerdings gezeigt, dass sich die meisten Mädchen erst gegen Ende dieses Zeitfensters impfen lassen und damit möglicherweise ein Teil des protektiven Effektes der Impfung verloren geht.

Zur Bestimmung des idealen Impfalters müsse die Dauer des Impfschutzes berücksichtigt werden, gibt Mikolajczyk zu bedenken. Die Impfung sei allerdings noch nicht lange genug verfügbar, um zu wissen, was nach 15 oder 20 Jahren passiert. „Wenn man einen Impfschutz von 10 Jahren, der dann über weitere 10 Jahre schrittweise zurückgeht, zugrunde legt, liegt das optimale Alter für die HPV-Impfung bei 14 Jahren“, so das Ergebnis eines kürzlich von ihm gemeinsam mit Kollegen in Vaccine publizierten mathematischen Modells zu Langzeiteffekten der Impfung [2]. Denn dann sei gewährleistet, dass Impfschutz in dem Lebensabschnitt bestehe, der in der Regel mit dem höchsten Risiko für eine HPV-Infektion einhergehe. Diesen Aspekt konnte die schwedische Studie nicht beleuchten, da hier die frühen Auswirkungen der Impfung betrachtet wurden.

Den immer wieder diskutierten Aspekt, ob auch Jungen gegen HPV geimpft werden sollen, bewertet Mikolajczyk kritisch. „Das macht nur Sinn, wenn bei Mädchen und Frauen keine hohe Impfquote erzielt werden kann”, so der Epidemiologe. Impfe man 50% der Mädchen und zusätzlich 10% der Jungen, sei das unter dem Strich weniger effektiv, als wenn man bei den Frauen alleine eine Impfquote von 60% erziele. In Deutschland habe die Impfquote in den Jahren 2008 und 2009 in der Altersgruppe der 16- bis 18-jährigen Mädchen bei 40% gelegen, so dass hier noch viel Steigerungspotenzial vorhanden sei.

Referenzen

Referenzen

  1. Leval A, et al: J Natl Cancer Inst (online) 13. März 2013
    http://dx.doi.org/10.1093/jnci/djt032
  2. Horn J, et al: Vaccine (online) 18. März 2013
    http://dx.doi.org/10.1016/j.vaccine.2013.03.006

Autoren und Interessenskonflikte

Dr. med. Sylvia Bochum
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Dr. Amy Leval
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Prof. Dr. Rafael Mikolajczyk
Führte Studien anhand von Krankenkassendaten mit Finanzierung von Sanofi Pasteur durch.

Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.